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47. Tage Alter Musik in Herne09.11.2023 - 12.11.2023 L'Ercole amante Oper in fünf Akten Libretto von Francesco Buti Musik von Antonia Bembo In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause) Konzertante Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 11. November 2023 |
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Hercules' Ende Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost / WDR Komponistinnen stellen in der Musikgeschichte eine Seltenheit dar. Je weiter man zeitlich zurückgeht, desto intensiver muss man suchen. Jörg Halubek, der sich als Dirigent auf die Historische Aufführungspraxis spezialisiert hat und als Professor für Historische Tasteninstrumente an der Musikhochschule Stuttgart lehrt, hat nun mit dem 2008 gegründeten Orchester Il Gusto Barocco eine Oper von Antonia Bembo neu aufbereitet, die um 1707 in Paris entstand, wahrscheinlich damals aber nie zur Aufführung gelangte. Bembo hatte als Kind in Venedig eine sorgfältige musikalische Ausbildung erhalten. Zu ihren Lehrern zählte unter anderem der berühmte Opernkomponist Francesco Cavalli. Nach einer kurzen unglücklichen Ehe mit Lorenzo Bembo, dem Mitglied einer einflussreichen venezianischen Patrizierfamilie, verließ sie Venedig und gelangte mit dem venezianischen Botschafter an den Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV., wo sie durch ihre musikalischen Fähigkeiten auffiel und eine Pension und eine Wohnung in einem christlichen Damenstift bis an ihr Lebensende um 1720 erhielt. Dort schuf sie neben anderen musikalischen Werken auch L'Ercole amante. Ercole (Florian Götz, Mitte) und Hyllo (David Tricou, links) lieben beide Iole (Anita Rosati). Das Libretto von Francesco Buti war eigentlich für die gleichnamige Oper von Francesco Cavalli entstanden und von Kardinal Mazarin für die Hochzeitsfeierlichkeiten des französischen Königs Ludwig XIV. mit der spanischen Infantin Maria Teresa im Juni 1660 in Auftrag gegeben worden. Aufgrund verschiedener Hindernisse konnte das Werk aber nicht rechtzeitig herausgebracht werden und gelangte erst zwei Jahre später im Frühjahr 1662 zur Uraufführung. Mazarin lebte zu dieser Zeit bereits nicht mehr, und der König bemühte sich um eine Abkehr vom italienischen Einfluss in der Musik hin zu einer genuin französischen Kultur, weshalb L'Ercole amante schnell in den Archiven am Königshof verschwand. Dort muss Bembo wohl auf die Oper aufmerksam geworden sein und entschied sich rund 45 Jahre später zu einer Neuvertonung, wobei sie zum einen die italienischen Elemente in Form der Arien geschickt mit dem französischen Stil in zahlreichen Divertissements und der Verwendung eines Haute-Contre, eines sehr hohen Tenors, für die Partie des Hyllo verband. Licco (Andrés Montilla-Acurero) will Deianira (Alena Dantcheva) helfen, ihren Gatten zurückzugewinnen. Die Geschichte basiert auf Sophokles' Tragödie Die Trachinierinnen (Die Frauen von Trachis), Ovids Heroides 9 (einem fiktiven Brief Deianiras an ihren Gatten Hercules) und Euripides' Hercules-Tragödie und handelt vom Ende des mythologischen Halbgottes Hercules. Während Händel allerdings in seinem fast 40 Jahre später entstandenen Musical Drama die Eifersucht Deianiras ins Zentrum rückt, bekommen bei Bembo / Cavalli auch die anderen Figuren wesentlich mehr Gewicht. Außerdem tritt neben diversen Göttinnen und Göttern hier auch Ioles Vater, der von Hercules getötete König Eutyros (Eutiro) auf und fordert Rache für seinen Tod. Anders als bei Händel ist Hercules' Sohn Hyllas (Hyllo) von Anfang an ein Rivale um die Gunst der Prinzessin Iole und wird von Hercules in einem Turm eingesperrt, während Deianira von ihrem Gatten verbannt wird, um seinem Glück mit Iole nicht länger im Weg zu stehen. Hier ist es der Diener Lichas (Licco), der Deianira an das mit Blut getränkte Gewand des Zentauren Nessus erinnert, das dieser kurz vor seinem Tod Deianira mit dem Hinweis geschenkt hat, dass es denjenigen, der es trage, in ewige Liebe versetze. So wird es ein gemeinsamer Plan von Iole, Deianira und Licco, Hercules' Zuneigung zu Deianira mit dem Gewand erneut zu wecken. Dass Hercules in dem vergifteten Gewand grausam stirbt, lässt die übrigen Figuren relativ unbeeindruckt, da zur gleichen Zeit der totgeglaubte Hyllo wieder auftaucht, der mit Neptuns Hilfe aus den Fluten des Meeres gerettet worden ist. Juno erscheint schließlich und teilt allen mit, dass Hercules in den Olymp aufgestiegen sei und dort Hebe (Bellezza) geheiratet habe. Paggio (Arnaud Gluck) auf der Suche Bembos Vertonung weist neben einer musikalischen Nähe zu ihrem Lehrmeister Cavalli einige wunderschöne Nummern auf, die es durchaus lohnenswert machen, dieses Stück aufzuführen. Da ist zum Beispiel Deianiras Verzweiflungsarie im zweiten Akt zu nennen. Hier leidet Hercules' Gattin nicht nur wie bei Händel unter ihrer Eifersucht, weil Hercules sich der jungen Iole zugewandt hat, sondern bangt auch noch um das Leben ihres Sohnes, den Hercules als Nebenbuhler beseitigen möchte. Ihre Klage wird von Bembo sehr emotional in Musik gesetzt und von Alena Dantcheva als Deianira eindringlich interpretiert. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist im gleichen Akt kurz vor der Pause die Arie der Pasitea, in der sie Hercules in einer Höhle auf Anweisung der Juno in Schlaf versetzt. Hier findet Bembo einen weichen fast einlullenden Tonfall, der das friedliche Rauschen der Bäche und das sanfte Wehen des Windes sehr lautmalerisch umsetzt. Im dritten Akt gönnt Bembo Deianira und Hyllo ein wunderbar zärtliches Duett, in dem die beiden voneinander Abschied nehmen und Hercules' Grausamkeit beklagen. Wenn Juno später mit Neptuns Hilfe das Meer beruhigt, um Hyllo vor dem Ertrinken zu retten, wird das ebenfalls von Bembo in bewegender Form in Musik gesetzt. Wenn Iole glaubt, dass Hyllo ertrunken ist, gelingt es Bembo ebenfalls, sich im musikalischen Ausdruck intensiv in Iole hineinzuversetzen. Mit zarten Tönen lässt sie dann in einem Terzett von Deianira, Iole und Licco Hoffnung aufkeimen, dass das Gewand des Nessus Hercules' Liebe zu Deianira neu entfachen könne. Intensiv schildert Bembo auch das Ende des Hercules, wenn er in dem mit Gift getränkten Gewand zugrunde geht. Schlussapplaus: von links: Ercole (Florian Götz), Iole (Anita Rosati), Giunone (Flore van Meerssche), Hyllo (David Tricou), Deianira (Alena Dantcheva), Venere (Carine Tinney), Paggio (Arnaud Gluck), Licco (Andrés Montilla-Acurera) und Ombra del re Eutiro (Hans Porten) Dies alles wird von den Solistinnen und Solisten, die gleichzeitig auch noch als diverse Chöre fungieren, hervorragend umgesetzt. Florian Götz verleiht der Titelpartie mit kraftvollem Bariton die Virilität und Stärke, die man mit der mythologischen Figur des Hercules verbindet. Anita Rosati verfügt als Iole über einen warmen und weichen Sopran, der den lieblichen Charakter der Prinzessin unterstreicht. Alena Dantcheva wirkt als Deianira mit vollem Sopran da ein wenig abgeklärter und reifer. David Tricou punktet als Hyllo mit einem sehr hohen Tenor, der einen großen Kontrast zu seinem Vater Hercules herstellt und gleichzeitig betont, dass er auch stimmlich viel besser zu Iole passt als sein Vater. Die hohe Stimmfarbe ist außerdem prädestiniert für die Leidensfähigkeit der Figur. Flore van Meerssche stattet die Partie der Juno mit einem kraftvollen Sopran aus, der die Entschlossenheit und Willenskraft der Figur hervorhebt. Carine Tinney verfügt als Venus und Pasitea über einen warmen Sopran, der gut zur Göttin der Liebe passt. Bei den Übertiteln wäre es bei ihrem Auftritt als Pasitea hilfreich gewesen, darauf hinzuweisen, dass sie nun Pasitea verkörpert, da dies ohne Textbuch für die Zuschauerinnen und Zuschauer schwer verständlich ist. Arnaud Gluck setzt als Paggio mit seinem jugendlichen Countertenor vor allem szenische, komödiantische Akzente. Zum einen wirkt seine kurze Hose mit den hohen Kniestrümpfen wie eine passende Kostümierung für die Rolle des Pagen. Wenn er dann aufbricht, um über das Meer zu Hyllo zu reisen, erscheint er mit einem gelben Regen-Cape, um sich quasi dem Sturm auf dem Meer zu stellen, und lässt sich anschließend auch vom tosenden Meer regelrecht von der Bühne spülen. Andrés Montilla-Acurero und Hans Porten runden als Licco bzw. Neptun / Schatten des Eutiro / Merkur die übrigen Partien überzeugend ab. Jörg Halubek taucht mit dem Orchester Il Gusto Barocco tief in die Finessen von Bembos Partitur ein und legt ein Zeugnis dafür ab, dass dieses Werk im Rahmen der Barockpflege durchaus einen Platz neben Cavalli verdient hat. So gibt es am Ende für alle Beteiligten verdienten Applaus. FAZIT Musikalisch zeigt das Werk, dass auch im frühen 18. Jahrhundert Frauen ihren männlichen Kollegen in der Kompositionsfähigkeit durchaus ebenbürtig waren und einen Platz im Repertoire verdienen. |
AusführendeMusikalische Leitung und Cembalo
Il Gusto Barocco
Solistinnen und SolistenErcole Iole
Hyllo Deianira Giunone Licco Venere / Pasitea Paggio Nettuno / Ombra del re Eutiro / Mercurio
Weitere |
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