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La Capitale d'Été - Sommerfestspiele 2024 Musik von Ludwig van Beethoven, Hector Berlioz, Johannes Brahms, Edward Elgar, Gustav Mahler und Peter Tschaikowsky Aufführungen vom 16. Juli 2024 - 21. Juli 2024 |
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Ein Inspirations-Festival Von Christoph Wurzel / Fotos: © Andrea Kremper Baden-Baden verteilt seine Festivals über das ganze Jahr. Im Festspielhaus gibt es Festspiele zu jeder Jahreszeit. Im Sommer firmieren sie seit drei Jahren unter dem Label La Capitale d'Éte, anknüpfend an die Rolle der Kurstadt als Sommerhauptstadt der Musik im 19. Jahrhundert (siehe hierzu unseren Bericht). Man könnte sie auch Nézet-Séguin-Festspiele nennen, denn der umtriebige Kanadier ist neben seinen Ämtern als Musikdirektor an der MET, beim Montreal Metropolitain Orchestre, beim Philadelphia Orchestra und als Ehrendirigent des Rotterdam Philharmonic Orchestra auch noch in Baden-Baden spiritus rector des hiesigen Sommerfestivals in drei entscheidenden Rollen: als Ideengeber, Dirigent, Klavierbegleiter und zudem als unterhaltsamer Moderator. Er scheint das aus dem Handgelenk zu bewältigen - sehr entspannt, aber in höchstem Maße produktiv. Die Ergebnisse jedenfalls lassen auf intensive Probenarbeit schließen und fallen rundherum fantastisch aus. Yannick Nézet-Séguin mit dem London Symphony Orchestra In diesem Jahr arbeitete Nézet-Séguin mit zwei Orchestern an der Oos. Als Solistin hatte er erneut die Mezzosopranistin Joyce DiDonato mitgebracht sowie den koreanischen Pianisten Seong-Jin Cho, aktueller Superstar in seinem Heimatland, was den Anteil von Besucherinnen und Besuchern aus Asien rasant in die Höhe schnellen ließ und Baden-Baden für einen Abend noch ein wenig internationaler machte. Zwei Seiten der Romantik wurden im ersten Konzert beleuchtet: eine gesanglich-lyrische im Liederzyklus Les Nuits d'été von Hector Berlioz und eine dramatisch-düstere in Tschaikowskys 6. Symphonie. Schwebend leicht legte sich in Berlioz' Orchesterliedern die wohltimbrierte Stimme von Joyce DiDonato über den lichten Orchesterklang, den der Dirigent sanft der Sängerin bereitete. Das London Symphony Orchestra spielte in kleinerer Besetzung ungemein farbenreich und in subtiler Klangzeichnung und trug die melodischen Linien der Sängerin wie etwa im 4. Lied Sur Les Lagunes in sachter Wellenbewegung mit. Tschaikowskys Pathetique nahm Nézet-Séguin wörtlich: schwer und drückend mit der tragisch leidenden Melodie des Solofagotts und der seufzenden Chromatik der Violinen wälzte sich der Anfang gleichsam niedergedrückt dahin, bis sich die Energie in der Blechbläserfanfare entlud. Es wurde eine tief emotionale und ebenso spannungsgeladene Interpretation, die Dirigent und Orchester hier präsentierten. An keiner Stelle aber war das Pathos überzogen. Das Orchester spielte in hohem Maße klangsinnlich. Der Walzer gelang in großer Eleganz schwungvoll und graziös zugleich. Als der 4. Satz mit ausgedünntem, fahlem Klang nur noch der tiefen Streicher im doppelten pianissimo verklang, stockte wohl vielen im Publikum für einen Moment der Atem, so anrührend nah kam die Musik. Im zweiten Konzert verlegten sich Yannick Nézet-Séguin und Joyce DiDonato auf das Gebiet der Kammermusik bzw. des Liedgesangs. Im historischen, allerdings für Vokalmusik akustisch ungünstigen Weinbrennersaal im Kurhaus standen in der ersten Hälfte Lieder von Johannes Brahms auf dem Programm. Wie Joyce DiDonato neben der großen Operngeste auch das verinnerlichte lyrische Metier beherrscht, hatte sie mit den Berlioz-Liedern eindrucksvoll unter Beweis gestellt. In den Brahmsliedern gelang es ihr nur zum Teil. In den drei ersten Lieder ihres Programms, basierend auf Gedichten von Hölty, Rückert und Geibel überzeugte sie in nahezu makelloser deutscher Diktion mit subtiler Textausdeutung. Die Vier ersten Gesänge auf Texte des Alten Testaments und des Apostels Paulus schienen dagegen im Ausdruck überzogen. Anknüpfend an sein fast 30 Jahre zuvor komponiertes Deutsches Requiem stellte sich Brahms in diesem Spätwerk, seiner vorletzten Komposition, darin den letzten Fragen menschlicher Existenz. So wie das Requiem sind sie vom Ton geistlicher Reflexion geprägt. Musikalisch durchaus ausdrucksvoll tragen sie aber im Text protestantischen Verkündigungscharakter und sind keine Gefühlsbewegungen eines Lyrischen Ichs. Sie im Übermaß expressiv zu pointieren, wie es Joyce DiDonato weitgehend tat, erschien ihrem Ernst und ihrer spirituellen Aussageabsicht nicht angemessen. Das Kammerensemble des Chamber Orchestra of Europe (Marieke Blankestijn, Violine, Maia Cabeza, Violine, Nimrod Guez, Viola, und William Conway, Violoncello) und Yannick Nézet-Séguin am Klavier beim Klavierquintett von Edward Elgar Im zweiten Teil des Abends präsentierte Nézet-Séguin mit einem Streichquartett aus Mitgliedern des Chamber Orchestra of Europe das selten zu hörende Klavierquintett von Edward Elgar, das der Komponist unter dem Eindruck des ersten Weltkriegs 1919 vollendete; kein freudvolles Stück aber eines mit virtuosem Klavierpart, den Nézet-Séguin brillant bewältigte. Die Rollen der Streicher sind in dieser Komposition in großen Passagen homophon geführt und merkwürdig untergeordnet. Den 2. Satz eröffnete Nimrod Guez mit einer sehnsuchtsvolle Bratschenmelodie, bis die 1. Violine mit einem unvermittelt grellen Ton die Ruhe regelrecht zerschnitt. Mit nur wenig Aufhellung prägte auch der dritte Satz den bis dahin eher elegischen Grundton der Musik, bis allerdings eine pompöse Coda das Werk beendete. In der 4. Sinfonie von Gustav Mahler dagegen geht es direkt in höhere Regionen. Im 3. Satz, einem ruhevollen Adagio, ereignet sich gegen Schluss Ungeheuerliches: ein heftiger Ausbruch von Energie der versammelten Bläser mit den durch alle Oktaven rauschenden Harfen scheint den Blick in den Himmel zu öffnen. Es war als hätten Dirigent und Orchester nur auf diesen Moment hingearbeitet, so strahlend und freudig erklang diese Stelle. Für kurze Zeit verebbte dieser Moment der Erhellung wieder, bis behutsam hineingleitend der 4. Satz begann, Das himmlische Leben, Mahlers Vertonung des wunderlichen Wunderhorn-Liedes, in dem die Sopranistin zwar von den himmlischen Freuden erzählt, aber scheinbar ganz nebensächlich auch vom Abschlachten von Lämmern und Ochsen für das himmlische Mahl. Diese scheinbare Naivität des Textes brachte Joyce DiDonato wunderbar auf den Punkt. Sie legte keine Interpretation in den Text, sondern sang ihn in scheinbar kindlicher Unschuld, wie Mahler es verlangt hat. Insgesamt kam das Verstörende dieser Sinfonie, das enge Nebeneinander von Behaglichkeit und Sarkasmus in der Deutung von Yannick Nézet-Séguin auf beispielhafte Weise zum Vorschein: Musizieren mit der Narrenkappe. Die Narrenschellen waren denn auch als Symbol präsent schon vom ersten Takt an. Wunderbar plastisch arbeitete der Dirigent mit dem intensiv klangsprechenden Orchester die Doppelbödigkeit der Musik heraus, die beißende Ironie im ersten und das fast Gespenstische mit der kratzenden Fidel (der um einen Ton höher gestimmten Geige) im Scherzo. Es wurde eine Interpretation, die Aussage und Sinn der Musik eindrucksvoll zum Klingen brachte. Joyce DiDonato bei den Rückert-Liedern mit dem Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin Auch bei den Fünf Liedern auf Texte von Friedrich Rückert wahrte die Sängerin Stilsicherheit und Noblesse, den intimen Charakter bei Blicke mir nicht in die Lieder, verhaltenes Glück in Ich atmet' einen linden Duft oder die stille Introversion in Ich bin der Welt abhanden gekommen, wohl Mahlers musikalischem Vermächtnis. Um Mitternacht brachte das reine Pathos, welches bei Mahler selten ist, aber hier dem Text entsprechend angemessen und eindrucksvoll war. Wieder begleiteten Dirigent und Orchester die Sängerin behutsam, subtil artikuliert und im Klang außerordentlich schön. Seong-Jin Cho mit dem Chamber Orchestra of Europe in Baden-Baden Mit den beiden letzten Klavierkonzerten von Beethoven hatte Seong-Jin Cho seinen fulminanten Auftritt in Baden-Baden. Mit seinen 30 Jahren gehört er nach dem Gewinn gleich zweier renommierter Klavierwettbewerbe in Moskau (Tschaikowsky-Preis) und Warschau (Chopin-Preis) zu den begehrtesten Solisten und tritt weltweit mit den führenden Orchestern auf. In den Beethovenkonzerten konnte er auch in Baden-Baden mit stupender Technik beeindrucken. Glasklar perlende Skalen, exakt kalkulierte Dynamik und temperamentgeladenes Brio machten den Solopart unter seinen Fingern zu spannenden Momenten. Subtil und weit mehr als Begleitung formte Nézet-Séguin den Orchesterklang zu intensiver Klangrede. Sehr schön gelang im Andante des G-Dur-Konzerts das Wechselspiel zwischen dem melodiös-weichen Klavier und den energisch-harten Antworten des Orchestertutti, bis sich beide allmählich annäherten und am Ende im gemeinsamen Geist zusammenfanden: Konzertieren im wörtlichen Sinn. Strahlend, brillant und wahrhaft imperial kam auch das Es-Dur-Konzert und doch blieb ein kleiner Wunsch offen. Dem von Beethoven so effektvoll komponierten Übergang vom zweiten zum dritten Satz, der Vorahnung des Rondothemas im Klavier: Seong-Jin Cho spielte ein schönes pianissimo und ritardando, aber vom Geheimnis, das über dieser Stelle liegt, hätte es durchaus mehr sein dürfen. Eingebettet zwischen die beiden extrovertierten Klavierkonzerte, gab es die pure Schönheit der Melodien in Schuberts h-Moll-Sinfonie. Und irgendwie schloss sich damit der Kreis zu Tschaikowskys Pathetique; beide sind in ihrer Gestalt völlig anders, aber es ist der melancholische Grundton, die entschiedene Subjektivität im Ausdruck, der sie verbindet. Und beide erzählen viel mit ihrer Musik. Yannick Nézet-Séguin war mit seinen Orchestern dabei ein wunderbarer Erzähler. FAZIT: Auch in der dritten Ausgabe des Sommerfestivals Capitale d'Été war Yannick Nézet-Séguin in hohem Maße Inspirator für die beteiligten Musikerinnen und Musiker und für das Publikum gleichermaßen. |
Die Programme und Ausführenden16. Juli 2024
Hector Berlioz
Peter Tschaikowsky Joyce DiDonato, Mezzosopran Yannick Nézet-Seguin, Dirigent London Symphony Orchestra
19. Juli 2024
Johannes Brahms
Edward Elgar Joyce DiDonato, Mezzosopran Yannick Nézet-Seguin, Klavier
Mitglieder des Chamber Orchestra of Europe
20. Juli 2024
Gustav Mahler Sinfonie Nr. 4 G-Dur Joyce DiDonato, Mezzosopran Yannick Nézet-Séguin, Dirigent Chamber Orchestra of Europe
21. Juli 2024
Ludwig van Beethoven
Franz Schubert
Ludwig van Beethoven Seong-Jin Cho, Klavier Yannick Nézet-Séguin, Dirigent Chamber Orchestra of Europa
Weitere
Informationen
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