Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Klangvokal 2024
Musikfestival Dortmund
24.05.2024 - 16.06.2024

Marc' Antonio e Cleopatra

Serenata in zwei Teilen
Libretto von Francesco Ricciardi
Musik von Johann Adolf Hasse

in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 25' (eine Pause)

Aufführung im Reinoldihaus Dortmund am 26.05.2024, 17.00 Uhr

 

 

Homepage

 

 

Barocker Glanz im Reinoldihaus

Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum

Obwohl Johann Adolf Hasse mit seinen ca. 70 Opern zu den erfolgreichsten Komponisten des 18. Jahrhunderts zählte und der Historiker Charles Burney ihn als "allen anderen Opernkomponisten überlegen" betrachtete, sind seine Werke heute so gut wie nie auf den Theaterbühnen zu erleben. Dabei prägte er mit seinen festen musikalischen Strukturen und Formen europaweit die Opera seria. Aber mit dem Aufkommen der Reformoper durch Christoph Willibald Gluck verblasste das Interesse an diesem Genre. Eine allmähliche Wiederentdeckung seiner Werke findet größtenteils bei Festspielen statt, die sich der Vielfalt der Barockmusik widmen. Da dies auch eine wichtige Säule beim Dortmunder Klangvokal Musikfestival ist, steht hier nun im Reinoldihaus Dortmund ein Frühwerk Hasses auf dem Programm, das seinen folgenden kometenhaften Aufstieg als Opernkomponist in Gang setzte: Marc' Antonio e Cleopatra. Dieses erste vollständig überlieferte Meisterwerk entstand im Auftrag des neapolitanischen Bankiers Carlo Carmignano, drei Jahre nachdem Hasse aus Norddeutschland nach Italien aufgebrochen war, um hier sein musikalisches Talent bei Lehrmeistern wie Nicola Antonio und Alessandro Scarlatti zu verfeinern. Carmignano ließ die relativ kleine Serenata mit nur zwei Singstimmen wahrscheinlich in seiner Sommerresidenz im August 1725 aufführen. Der Erfolg war so überwältigend, dass Hasse danach der Auftrag erteilt wurde, für das königliche Theater in Neapel eine Oper zu komponieren. Bis 1730 komponierte er in Neapel dann sieben Opern und zwei weitere Serenaten, wurde zeitgleich in Venedig zum Kapellmeister des Conservatorio degli Incurabili ernannt, bevor er 1734 mit seiner Ehefrau, der berühmten Sängerin Faustina Bordoni, nach Dresden übersiedelte und die Stadt zu einem der wichtigsten europäischen Zentren für die italienische Oper machte.

Bild zum Vergrößern

Marc' Antonio (Yuriy Mynenko, rechts) und Cleopatra (Bruno de Sá, Mitte) (links: Martyna Pastuszka mit dem {oh!} Orkiestra)

Die Serenata greift eine historisch belegte Geschichte auf, die sich rund 14 Jahre nach der Ermordung des Gaius Julius Caesar ereignete. Der römische Feldherr Marcus Antonius (Marc' Antonio) hat sich mit der ägyptischen Königin Kleopatra (Cleopatra) verbündet und will mit ihr die Alleinherrschaft über Rom erlangen, die er sich mit Octavian, dem späteren Kaiser Augustus, teilt. Es kommt zum Bürgerkrieg zwischen Marc' Antonio und Octavian, bei dem Marc' Antonio in der Schlacht bei Actium 31 v. Chr. unterliegt. Marc' Antonio flieht nach Ägypten, um in Alexandria bei Cleopatra neue Truppen zu sammeln. An dieser Stelle setzt die Handlung der Serenata ein, nimmt es dabei mit den historischen Begebenheiten aber nicht ganz so genau. Während Marc' Antonio und Cleopatra bei Hasse erkennen, dass sie keine Chance gegen die Übermacht Octavians haben, und beschließen, gemeinsam in den Tod zu gehen, soll Marc' Antonio sich in der historischen Überlieferung erneut in die Schlacht gegen Octavian gestürzt haben, als er glaubte, dass Cleopatra gestorben sei. Tödlich verwundet erkannte er seinen Irrtum und wurde sterbend zu Cleopatra gebracht. Diese nahm sich dann erst nach seinem Tod das Leben.

Bild zum Vergrößern

Schlussapplaus: von links: Martyna Pastuszka, Bruno de Sá (Cleopatra) und Yuriy Mynenko (Marc' Antonio), dahinter {oh!} Orkiestra

Bei der Uraufführung 1725 stand Hasse eine großartige Besetzung zur Verfügung. Niemand Geringeres als der damals gerade 20 Jahre alte Carlo Broschi, der als Farinelli eine großartige Gesangskarriere machen sollte, schlüpfte in die Rolle der Cleopatra. Die Partie ihres Geliebten Marc' Antonio wurde von der nicht weniger umjubelten Altistin Vittoria Tesi interpretiert, eine Besetzung also mit vertauschten Rollen. Beim Klangvokal Musikfestival hat man sich für eine rein männliche Besetzung entschieden. Als Marc' Antonio ist der ukrainische Countertenor Yuriy Mynenko zu erleben, der bereits 2021 ein erfolgreiches Debüt beim Klangvokal Musikfestival als Ottone in Leonardo Vincis Gismondo, Re di Polonia gegeben hat (siehe auch unsere Rezension). Auch der Sopranist Bruno de Sá ist in Dortmund kein Unbekannter und war an der Oper Dortmund 2021 in dem barocken Pasticcio Sehnsucht zu erleben (siehe auch unsere Rezension). Er schlüpft nun in die Rolle der Cleopatra. Begleitet wird die Aufführung von dem 2012 im polnischen Katowice gegründeten {oh!} Orkiestra unter der musikalischen Leitung von Martyna Pastuszka, die gleichzeitig auch noch die erste Violine spielt.

Bild zum Vergrößern

Zugabe: Cleopatra (Bruno de Sá, Mitte) und Marc' Antonio (Yuriy Mynenko, rechts), dahinter: Martyna Pastuszka mit dem {oh!} Orkiestra

Die Serenata gliedert sich in zwei Teile, die jeweils aus zwei Arien für Cleopatra und Marc' Antonio bestehen und mit einem Duett der beiden enden. An den Anfang stellt Hasse ein Instrumentalstück in Form einer zweisätzigen Sinfonie. Schon hierbei kann man sich von den großartigen Qualitäten des {oh!} Orkiestra überzeugen. Pastuszka hat bei gleichzeitigem Spiel alles fest im Griff und hält das Ensemble wunderbar zusammen. Im Anschluss treffen Mynenko und de Sá in einem längeren Rezitativ aufeinander. Marc' Antonio kehrt zu Cleopatra zurück, doch sie fragt ihn, ob er Sieger oder Besiegter sei. Für Marc' Antonio spielt diese Frage keine Rolle, da ihm seine Liebe zu Cleopatra wichtiger als ein Reich ist. Hier setzt Mynenko dann zu seiner ersten großen Arie an, die er mit dunkel gefärbtem Countertenor und sehr virilen Zügen präsentiert. Doch Cleopatra hat andere Vorstellungen von der Zukunft. Ihr ist es wichtiger, als freie Königin zu sterben und nicht als Gefangene zum Kapitol geschleppt zu werden. De Sá zeichnet diese Einstellung mit exorbitanten Läufen und Koloraturen und strahlenden Höhen, bei denen man mit verschlossenen Augen nicht mehr erkennen kann, dass hier keine Frau singt. So nimmt man ihm die Partie in jeder Hinsicht ab. In einem bewegenden Duett schwören sich die beiden am Ende des ersten Teils ewige Liebe.

Im zweiten Teil hat man den Eindruck, dass die Qualität der Arien noch gesteigert wird. Wenn Marc' Antonio beschließt, mit Cleopatra in den Tod zu gehen, wird das von Mynenko absolut bewegend umgesetzt. Neben großartigen Läufen steigt er hier bis in die tiefe Bruststimme hinab und wechselt bruchlos wieder in strahlende Höhen in die Kopfstimme. Zu Recht erntet Mynenko für diese Interpretation frenetischen Zwischenapplaus. De Sá begibt sich dann als Cleopatra in der großen Gleichnisarie vom weißen Hermelin, das sich dem Jäger ergibt, um sein Fell nicht zu beflecken, in Höhen, die kaum noch vorstellbar sind, von de Sá aber mit solcher Klarheit und Kraft geschmettert werden, dass man regelrecht sprachlos bleibt. Hier ist er ganz Königin und brilliert mit exorbitanten Koloraturen, die vor Beweglichkeit strotzen. Man fragt sich, wo de Sá eigentlich dem Atem hernimmt, um diese Passagen so singen zu können. Auch hier ist das Publikum wieder völlig aus dem Häuschen. Nachdem sich dann Cleopatra und Marc' Antonio einig sind, gemeinsam in den Tod zu gehen, kommt ein Bruch im Stück, weil die beiden nun im abschließenden Duett zu einem Lob auf den neapolitanischen König Carlo und dessen Gattin Elisabetta anheben. Das nimmt dem Stück ein wenig die Tragik.

Die Begeisterung für die musikalische Darbietung kann das allerdings nicht schmälern. Hervorheben muss man neben den sängerischen Leistungen aber auch das großartige, präzise Spiel des {oh!} Orkiestra, das für jede Szene die passende Stimmung findet und nachvollziehbar macht, wieso dieses Werk Hasses Eintrittskarte für seine spätere Opernkarriere werden sollte. Pastuszka begeistert mit filigraner Leitung, so dass es am Ende derart großen Jubel gibt, dass das Schluss-Duett als Zugabe noch einmal wiederholt wird.

FAZIT

Das Klangvokal Musikfestival hat mit einer erstklassigen Besetzung wieder ein hochkarätiges Barockjuwel zum Vorschein gebracht. Eine CD-Aufnahme von dieser großartigen Besetzung wäre wünschenswert.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2024

 

Ausführende

Musikalische Leitung und Violine
Martyna Pastuszka

{oh!} Orkiestra

 

Solistinnen und Solisten

Cleopatra
Bruno de Sá

Marc' Antonio
Yuriy Mynenko

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Klangvokal Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2024 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -