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Klangvokal 2023
Musikfestival Dortmund
24.05.2024 - 16.06.2024

The Fairy Queen

Semi-Oper in fünf Akten
nach William Shakespeares A Midsummer Night's Dream, Librettist: unbekannt
Zwischentexte von Isaline Claeys (2022)
Musik von Henry Purcell

in englischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause)

Aufführung im Orchesterzentrum|NRW Dortmund am 7. Juni 2024, 19.30 Uhr

 

 

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Traum mit Schattenspielen

Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum

Auch wenn Henry Purcell nicht der erste war, der in England die Oper in Landessprache auf die Bühne brachte, darf der "Orpheus Britannicus", wie er kurz nach seinem Tod bereits liebevoll genannt wurde, neben Georg Friedrich Händel und einige Jahrhunderte später auch Benjamin Britten als der berühmteste Vertreter dieser Gattung auf der Insel betrachtet werden. Dabei hat Purcell mit Dido and Aeneas nur eine einzige Oper komponiert. Bei den anderen Bühnenwerken handelt es sich um sogenannte Semi-Opern, die sich in England ab 1674 großer Beliebtheit erfreuten. Hierbei wurde ein bereits bestehendes Schauspiel um Musik erweitert. Die eigentliche Handlung spielte sich in den Dialogen von Schauspielern ab, während die Musik entweder in Instrumentalstücken die einzelnen Akte verband oder kleine Maskenspiele mit übernatürlichen, allegorischen Figuren bzw. Nebenrollen das Stück untermalten. Purcells erste Semi-Opern entstanden zu Schauspielen von John Dryden, einem bedeutenden Dramatiker, den Purcell in jungen Jahren als Organist an der Westminster Abbey kennengelernt hatte. Nach dem wohl größten Coup der beiden mit King Arthur (or the British Worthy) 1691 wandte sich Purcell 1692 Shakespeares wohl berühmtester Komödie A Midsummernight's Dream zu und schuf mit einem heute unbekannten Librettisten ein Werk, das sich zu seinem größten Erfolg entwickeln sollte: The Fairy Queen. Das 2004 von dem Bass Lionel Meunier gegründete Ensemble Vox Luminis, das im Rahmen des Klangvokal Festivals 2017 bereits Purcells King Arthur in der Reinoldikirche präsentiert hat (siehe auch unsere Rezension) und zuletzt im Herbst 2023 in der Konzertsaison des Festivals mit Cavalieris Rappresentatione di anima, et di corpo zu erleben war (siehe auch unsere Rezension), präsentiert diese Semi-Oper nun im Orchesterzentrum|NRW mit szenischen Elementen.

Auch wenn in der Aufführung auf das eigentliche Schauspiel verzichtet wird, bringt es der Abend auf stattliche dreieinhalb Stunden. Anstelle der Geschichte, die wohl als bekannt vorausgesetzt wird, gibt es Zwischentexte von Isaline Claeys, die Simon Robson mit einem antik wirkenden Buch in der Hand und sonorer Stimme auf Englisch vorträgt. Die Übersetzung kann im Libretto nachgelesen werden, das dem Programmheft beigefügt ist. Dennoch wird nicht ganz klar, welche Rolle Robson als Actor hier eigentlich übernimmt. Handelt es sich um den Handwerker Bottom (im Deutschen Zettel), der seine Erlebnisse in der Sommernacht verarbeiten will? Ein Hinweis bei Shakespeare deutet darauf hin, dass Bottom die Geschehnisse zu einer Ballade unter dem Titel "Bottom's Dream" verarbeiten will. Robson spricht mehrmals in seinem Text von einer Eselsgestalt, in die Bottom ja im Wald verwandelt und in der er von der Feenkönigin Titania liebkost worden ist. Im letzten Akt zitiert Robson allerdings Pucks Schlussmonolog, so dass Robson vielleicht doch eher ein neutraler Erzähler sein soll, der zu Beginn des Abends aus dem Lärm der Großstadt in die Stille des Waldes flieht.

Zur optischen Untermalung dient auf der linken Bühnenseite ein Kasten, der in der Form an ein altes Puppentheater erinnert. Robson schiebt im Laufe des Stückes in diesen Kasten unterschiedliche schwarze Schablonen, die von hinten angestrahlt werden und interessante Schattenspiele entstehen lassen. Mário Melo Costa steuert auf einer großen Leinwand hinter dem Orchester Videoprojektionen bei, die in der Gestaltung ebenfalls an Schattenspiele erinnern. Zu Beginn sieht man in dem Guckkasten eine Großstadt mit zahlreichen Hochhäusern, die in der Projektion erst langsam entsteht. Durch immer weitere Gebäude, die ins Bild geschoben werden, wird die Enge dieser Stadt deutlich und der Wunsch nachvollziehbar, dass man dieser Umgebung entfliehen möchte. Es folgen drei einzelne Baumstämme, die einen Wald andeuten, der sich in der Projektion mit langsam wachsenden Ästen ausweitet. Das scheint zunächst eine willkommene Abwechslung zu sein. Doch das Treiben im Wald ist nicht weniger unheimlich, wie schwankende Bäume im weiteren Verlauf andeuten.

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Das Ensemble Vox Luminis mit dem musikalischen Leiter Lionel Meunier (5. von rechts)

Bei den ersten Aufführungen von Purcells Semi-Oper 1692 enthielten nur die letzten vier Akte Maskenspiele und Lieder. 1693 wurden auch für den ersten Akt ein Maskenspiel und zwei Lieder hinzugefügt, von denen in Dortmund ein Lied und das Maskenspiel eingebaut werden. Im ersten Song besingt ein Paar (Carine Tinney und Marcus Farnsworth) den Wunsch, dem Lärm der Stadt zu entfliehen. Dieses Paar lässt sich als Hermia und Lysander deuten, die ja bei Shakespeare aus der Stadt in den Wald fliehen, weil Hermia mit Demetrius verheiratet werden soll. Allerdings wird dieser Aspekt im weiteren Verlauf nicht wieder aufgegriffen. Tinney überzeugt mit leuchtendem Sopran, Farnsworth punktet mit profundem Bass. Viel Komik entsteht dann beim folgenden Maskenspiel. Lóránt Najbauer taumelt als betrunkener Dichter auf die Bühne und wird von zwei Elfen gepiesackt, die ihm das Geständnis entlocken, dass er ein durch und durch schlechter Dichter sei. Najbauer stattet den betrunkenen Dichter mit dunklem Bass aus und begeistert durch humorvolles Spiel.

Der zweite Akt lässt dann keinen Zusammenhang zu Shakespeares Komödie erkennen. Erst im dritten Akt ist man wohl bei der Szene angekommen, in der sich Titania mit dem in einen Esel verwandelten Bottom vergnügt. Gwendoline Blondeel gestaltet die Partie der Fee Titania mit strahlenden Höhen und leuchtendem Sopran, bei dem ihre tiefe Sehnsucht spürbar wird. Dazu gibt es zahlreiche Projektionen von Tieren auf der Leinwand, die sich im zarten Liebesspiel paaren. Es folgt eine urkomische Szene, für die es bei Shakespeare keine Vorlage gibt. Der Bauer Coridon tritt auf und bedrängt die Magd Mopsa, die einen Kuss aber barsch ablehnt. Die Magd wird von einem Tenor gesungen, was den Witz der Szene noch unterstreicht. Kieran White und Lóránt Najbauer sorgen hier für beste Unterhaltung. Najbauer macht White sehr eindeutige Avancen, die White mit herrlichem Spiel immer wieder von sich weist, bis er dann schließlich den aufdringlichen Bauer doch erhört und ihn von der Bühne trägt.

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Hymen (Marcus Farnsworth) mit den beiden Frauen (links: Zsuzsi Tóth), rechts: Carine Tinney)

Nach der Pause treten dann Phoebus und die vier Jahreszeiten auf. Auch das wird musikalisch beeindruckend umgesetzt, hat jedoch leichte Längen, was sich im fünften Akt leider fortsetzt. So sorgen der Auftritt Junos, der Chinesin und des Chinesen mehr für Verwirrung und dehnen die Geschichte unnötig aus, auch wenn das musikalisch alles wunderbar umgesetzt wird. Natürlich möchte man nicht auf das großartige "O let me weep" im fünften Akt verzichten, das ein wenig an Didos berühmtes Lamento "When I am laid in earth" erinnert. Zsuzsi Tóth stimmt diese vokale Perle mit warmem Sopran an und macht den ganzen Schmerz der Musik spürbar. Auch der Schluss, in dem zwei Frauen (Tóth und Tinney)  den Hochzeitsgott Hymen (Farnsworth) auffordern, die Hochzeitsfackel für die glücklichen Paare zu entzünden, zeugt noch einmal von großer Komik, wenn Farnsworth sich mit profundem und langgezogenem "No" zunächst widersetzt, was von Tóth und Tinney wunderbar karikiert wird. Lionel Meunier ist direkt in dreifacher Funktion tätig. Zum einen leitet er musikalisch das hervorragend aufspielende Ensemble, das Purcells Musik mit klarem und filigranem Klang zum Strahlen bringt. Dann unterstützt er das Vokalensemble als Bass in den Chorpassagen und das Orchester an der Oboe. Das Publikum spendet für den Abend begeisterten Applaus.

FAZIT

Purcells Musik zu The Fairy Queen ist großartig und wird von Vox Luminis hervorragend umgesetzt. Der Zusammenhang zu Shakespeares Midsummernight's Dream lässt sich aber auch mit den eingefügten Zwischentexten nur marginal erkennen.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2024

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lionel Meunier

Szenographie und Konzept
Emilie Lauwers

Regie
Benoît De Leersnyder

Video
Mário Melo Costa

Bühnenbild und Licht
David Carney

Dramaturgie
Isaline Claeys

 

Vox Luminis

 

Solistinnen und Solisten

Sopran
Viola Blache
Gwendoline Blondeel
Carine Tinney
Erika Tandiono
Zsuzsi Tóth

Alt / Altus
Jan Kullmann
Voytěch Semerád
Helene Erben
Korneel van Neste

Tenor
Rory Carver
Hugo Hymas
Kieran White
Olivier Berten

Bass
Marcus Farnsworth
Sebastian Myrus
Lóránt Najbauer
Lionel Meunier

Schauspieler
Simon Robson

 


Weitere
Informationen

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Klangvokal Dortmund
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