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Tiroler Festspiele Erl Winter

27.12.2024 - 06.01.2025


I puritani

Opera seria in drei Akten
Libretto von Carlo Pepoli
Musik von Vincenzo Bellini

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 25' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung im Festspielhaus am 28. Dezember 2024
(rezensierte Aufführung: 04.01.2025)

 

 

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Belcanto-Glanz in höchsten Tönen

Von Thomas Molke / Fotos: © Foto: Kreativ Kartell (TFE Presse)

Vincenzo Bellini gilt als der erste Romantiker der italienischen Oper und hat das Musiktheater vor allem mit seinen wunderbaren langen Melodienbögen bereichert. Perfektioniert hat er diesen Stil in seiner letzten Oper I puritani, die am 24. Januar 1835 im Théâtre-Italien in Paris eine umjubelte Uraufführung erlebte. Von da an trat das Stück einen wahren Siegeszug um die ganze Welt an, den Bellini selbst allerdings nicht mehr genießen konnte, da er bereits im September des gleichen Jahres im Alter von nicht einmal 34 Jahren viel zu früh verstarb. Welche Meisterwerke hätten noch folgen können, wenn er noch mehr Zeit gehabt hätte? Auch wenn zahlreiche Auszüge aus der Oper wie beispielsweise das Duett am Ende des zweiten Aktes, "Suoni la tromba", häufiger Bestandteil von Opern-Galas sind, genießt das Werk als Ganzes heute nicht mehr den gleichen Bekanntheitsgrad wie beispielsweise Norma, La sonnambula oder I Capuleti e i Montecchi, da die Messlatte für Tenor und Sopran extrem hoch angelegt ist, in jeder Hinsicht. So zwingt Bellini den Tenor sogar bis zum hohen F. In Erl stellt man sich jetzt dieser Herausforderung in einer konzertanten Aufführung und überzeugt dabei auf ganzer Linie.

Als problematisch wird auch das Libretto betrachtet. Nachdem Bellini sich nach dem Misserfolg seiner Oper Beatrice di Tenda mit seinem langjährigen Librettisten Felice Romani, der einige der besten Texte für Bellini geschrieben hatte, überworfen hatte, wandte er sich an Graf Carlo Pepoli, der allerdings keineswegs so routiniert wie Romani war, so dass Bellini selbst mehrfach in den Text eingreifen musste. Dennoch bleibt die Handlung, die um 1650 im englischen Bürgerkrieg spielt und frei erfunden ist, reichlich verworren. Elvira, die Tochter des puritanischen Gouverneurs Lord Gualtiero Valton, wird von zwei Männern geliebt: Sir Riccardo Forth, den ihr Vater bevorzugt, weil er ebenfalls Puritaner ist, und Lord Arturo Talbo, den Elvira liebt, der allerdings dem gestürzten König treu verbunden ist. Dennoch kann Elvira ihren Vater überzeugen, sie mit Arturo zu vermählen. Als sie überglücklich gerade ihren Brautschleier ausprobieren möchte, erkennt Arturo in einer Staatsgefangenen die Witwe des Stuart-Königs Karl I., Enrichetta, und fühlt sich verpflichtet, sie zu retten. Er verbirgt sie unter Elviras Brautschleier und ergreift gemeinsam mit ihr die Flucht. Riccardo lässt die beiden passieren, weil er hofft, auf diesem Weg Elvira zurückgewinnen zu können. Doch die junge Frau verliert den Verstand. Arturo wird wegen Hochverrats vom Parlament zum Tode verurteilt. Aus Liebe kehrt er zu Elvira zurück und kann ihr seine Beweggründe für sein Verschwinden erklären. Elvira gewinnt ihren Verstand zurück, doch droht ihn erneut zu verlieren, als Arturo von den Puritanern gestellt und sein Todesurteil verkündet wird. Im allerletzten Moment taucht ein Bote mit der Nachricht auf, dass nach dem endgültigen Sieg über die Stuarts alle politischen Gegner begnadigt werden sollen. So kann die Hochzeit zwischen Elvira und Arturo doch noch stattfinden.

Das Drama der Handlung wird in Erl noch durch Ausfälle in der Besetzung der beiden Hauptpartien befeuert. Nachdem bereits der ursprünglich eingeplante Tenor René Barbera krankheitsbedingt ausgefallen und mit Levy Sekgapane ein hochkarätiger Ersatz gefunden war, musste auch Zuzana Marková, die selbst schon eingesprungen war, aus Krankheitsgründen absagen. Für die Premiere am 28. Dezember 2024 sagte die Belcanto-Spezialistin Jessica Pratt zu, die allerdings für die zweite Aufführung nicht mehr zur Verfügung stand. Doch auch dieses Problem konnte man lösen und kurzfristig die lyrische Koloratursopranistin Lisette Oropesa für die anspruchsvolle Partie gewinnen, die mit der Rolle mehr als vertraut ist, da sie sie bereits in Paris interpretiert hat. Mit Sekgapane verbindet sie außerdem, dass sie bereits 2018 beim Rossini Opera Festival in Pesaro in Rossinis Adina mit ihm als Liebespaar auf der Bühne stand.

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Enrichetta (Emilia Rukavina, rechts) hat den Brautschleier von Elvira (Lisette Oropesa, auf der linken Seite) erhalten (auf der linken Seite von links: Pawel Horodyski als Lord Gualtiero Valton und Giorgi Manoshvili als Sir Giorgio, auf der rechten Seite: Levy Sekgapane als Arturo, in der Mitte: Lorenzo Passerini mit dem Orchester der Tiroler Festspiele Erl).

Auch in Erl erweist sie sich als wahrer Glücksgriff für die Partie der Elvira. Schon bei ihrem ersten Auftritt mit Elviras Onkel Sir Giorgio begeistert Oropesa mit sauber angesetzten Höhen und geschmeidigen Linien das Publikum, wenn Elvira ihrem Onkel ihre Verzweiflung darüber kundtut, dass sie den von ihr ungeliebten Riccardo heiraten soll. Als sie dann von Giorgio erfährt, dass ihr Vater der Hochzeit mit Arturo zugestimmt hat, jubiliert sie in den höchsten Tönen, so dass das Publikum in Verzückung gerät. Da stört es dann auch nicht weiter, dass man eigentlich nicht wirklich versteht, wieso jetzt die Königswitwe den Brautschleier Elviras erhält und gemeinsam mit Arturo die Flucht ergreift. Schließlich handelt es sich ja nur um eine konzertante Aufführung, bei der sich kein Regie-Team den Kopf über eine mögliche Inszenierung der Szene zerbrechen muss. Immerhin tritt Oropesa in einem zauberhaften Kleid, das ein wenig an die Eisprinzessin erinnert, mit einem bläulichen Schleier in der Hand auf, den sie dann Enrichetta überreicht. Wenn Oropesa als Elvira über den vermeintlichen Verrat ihres Geliebten am Ende des ersten Aktes dem Wahnsinn verfällt, reißt Oropesa stimmlich das Publikum erneut zu Begeisterungsstürmen hin, so dass es einige Zeit dauert, bis der erste Akt zum Abschluss gebracht und das Publikum in die wohlverdiente Pause entlassen werden kann.

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Elvira (Lisette Oropesa) erkennt Riccardo (Mattia Olivieri, 2. von rechts) und Sir Giorgio (Giorgi Manoshvili, rechts) nicht.

Nach der Pause tritt Oropesa nicht nur in einem wallenden schwarzen Kleid als Ausdruck von Elviras geistiger Umnachtung auf, sondern singt die Partie größtenteils auch noch auswendig. Die große Wahnsinnsszene im zweiten Akt setzt sie darstellerisch überzeugend um. Dabei wirkt ihr Sopran in den zerbrechlichen Höhen nahezu entrückt. Der Auftritt auf die Bühne wird von Oropesa regelrecht inszeniert, wenn sie sich an den Notenständern abstützt, die sie allesamt herunterdrückt, um ihrem Spiel mehr Ausdruck zu verleihen. Im dritten Akt kommt es dann zunächst zur glücklichen Vereinigung mit dem Geliebten Arturo, nachdem sie den Anfang der Kavatine im Off angestimmt hat. Im Wechsel mit Levy Sekgapane als Arturo schraubt sie sich dann im folgenden Duett in schwindelerregende Höhen empor und erntet jetzt sogar stehende Ovationen beim Zwischenapplaus. Dem ist beim glücklichen Ende nichts hinzuzufügen.

Lorenzo Passerini (Mitte) mit Riccardo (Mattia Olivieri, links) und Sir Giorgio (Giorgi Manoshvili, rechts)

Dass der Abend nicht zu einer One-Woman-Show avanciert, ist vor allem den beiden tiefen zentralen Partien zu verdanken. Mattia Olivieri löst als Sir Riccardo Forth schon bei seinem ersten Auftritt Begeisterungsstürme beim Publikum aus. Mit dunklem Bariton und großer Strahlkraft macht er in seiner ersten großen Arie seiner Wut Luft, dass seine Geliebte Elvira den Rivalen Arturo heiraten soll. Dabei ist er aber weit davon entfernt, ein typischer Opern-Bösewicht zu sein. Immerhin lenkt er im Gespräch mit Elviras Onkel Giorgio ein und erkennt, dass es für ihn und Elvira keine glückliche Zukunft geben wird. Giorgi Manoshvili ist als Sir Giorgio mit seinem dunklen Bass ein weiterer Glanzpunkt des Abends. Schon im Duett mit Elvira im ersten Akt punktet er durch kraftvolle Tiefen. Beim berühmten Duett mit Olivieri im zweiten Akt gibt es beim Publikum dann kein Halten mehr. Man hat das Gefühl, dass das berühmte "Suoni la tromba" nicht nur beim italienischen Publikum seit der Risorgimento-Bewegung patriotische Gefühle auslöst, sondern auch in Erl das Publikum elektrisiert. So gibt es nach stehenden Ovationen direkt noch eine Zugabe, auch wenn man bei aller Schönheit der Melodie und Großartigkeit des Gesangs die inhaltliche Aussage des Duetts durchaus hinterfragen darf.

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In Liebe vereint: Elvira (Lisette Oropesa) und Arturo (Levy Sekgapane)

Levy Sekgapane meistert die Partie des Arturo ebenfalls bravourös und glänzt mit lyrischen Höhen, wagt sich sogar an das hohe F, auch wenn er dabei an seine Grenzen stößt. Im Zusammenspiel mit Oropesa begeistert er durch bewegende Innigkeit. Pawel Horodyski hat als Elviras Vater Lord Gualtiero Valton zwar nur eine kleine Rolle, lässt aber mit profundem Bass aufhorchen. Emilia Rukavina stattet die Partie der gestürzten Königin Enrichetta mit sattem Mezzosopran aus, und auch Peter Kirk überzeugt als Sir Bruno Roberton. Der von Olga Yanum einstudierte Chor der Tiroler Festspiele Erl präsentiert sich stimmgewaltig. Auch das Orchester der Tiroler Festspiele Erl erweist sich unter der musikalischen Leitung von Lorenzo Passerini als prädestinierter Klangkörper für Bellinis Meisterwerk. Dabei dirigiert Passerini nicht nur gewissermaßen mit jeder Faser seines Körpers, sondern setzt auch das Orchester regelrecht in Szene. So fragt man sich zunächst, wieso eine einsame Trommel auf der linken Seite des Orchesters getrennt vom restlichen Schlagzeug steht. Die Antwort bekommt man, wenn der Schlagzeuger die Seite wechselt, um für die Szene einen volleren Klang auf der ganzen Bühne zu erzeugen. Auch die Harfe, die im ersten Akt noch ins Orchester integriert ist, spielt nach der Pause aus dem Off, um Elviras Gesang entrückter klingen zu lassen. So taumelt das Publikum von einer Begeisterungswelle zur nächsten und verlässt beseelt nach fast dreieinhalb Stunden Belcanto den Saal.

FAZIT

Vielleicht ist es wirklich ein Vorteil, die recht verworrene Handlung von Bellinis I puritani nur konzertant geboten zu kommen. Die Besetzung in Erl lässt jedenfalls keine Wünsche offen und ist absolut festspielwürdig.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lorenzo Passerini

Chorleitung
Olga Yanum

 

Orchester der Tiroler Festspiele Erl

Chor der Tiroler Festspiele Erl


Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Lord Arturo Talbo
Levy Sekgapane

Elvira
Jessica Pratt /
*Lisette Oropesa

Sir Riccardo Forth
Mattia Olivieri

Sir Giorgio
Giorgi Manoshvili

Enrichetta di Francia
Emilia Rukavina

Lord Gualtiero Valton
Pawel Horodyski

Sir Bruno Roberton
Peter Kirk

 


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