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48. Tage Alter Musik in Herne

14.11.2024 - 17.11.2024

Idomeneo

Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Giambattista Varesco nach Antoine Danchet
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart (Münchner Fassung)


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Konzertante Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 17. November 2024

 

 

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"Reduzierter" Mozart

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost / WDR

Mozarts am 29. Januar 1781 am Münchner Cuvilliés-Theater uraufgeführtes Dramma per musica Idomeneo markiert in doppelter Hinsicht einen Wendepunkt im Leben des Salzburger Genies. Zum einen handelt es sich dabei um die letzte Opera seria seiner "Jugendzeit", bevor er nach Wien übersiedelte, was das Ende seiner Wanderjahre bedeutete. Zum anderen schlägt das Stück mit großen Chorpassagen neue Wege ein und durchbricht auch die Tradition der affektgeladenen Arien und der die Handlung vorantreibenden Rezitative, die hier größtenteils vom kompletten Orchester begleitet werden und nahtlos in die Arien übergehen. So ebnete Mozart in diesem Werk bereits den Weg für die Jahrzehnte später entwickelten durchkomponierten Opern. Das Ergebnis dürfte einen Großteil des Publikums der damaligen Zeit arg gefordert, wenn nicht gar überfordert haben. Eine Festanstellung beim neuen bayerischen Kurfürsten Carl Theodor brachte die Oper Mozart nicht ein, auch keine weiteren Kompositionsaufträge. Da hatte das Salzburger Genie wohl zu radikale Kürzungen vorgenommen und zu viele Arien, nicht zuletzt die große Bravour-Wahnsinns-Arie der Elettra aus dem dritten Akt, "D'Oreste, d'Aiace", gestrichen. Da das Motto der diesjährigen Tage Alter Musik in Herne "Reduce - Reuse - Recycle" lautet, passt diese eigens von Mozart für die Uraufführung reduzierte Münchner Fassung natürlich hervorragend zu den Festtagen. Dass der Abend trotz der zahlreichen Striche nur unwesentlich kürzer als bei anderen Produktionen der Oper ist, liegt vor allem daran, dass am Ende die umfangreiche Ballettmusik gespielt wird, die bei den meisten szenischen Aufführungen weggelassen wird.

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Schlussapplaus: von links: Zoltán Pad, Sebastian Kohlhepp (Idomeneo), Siobhan Stagg (Elettra), Aapo Häkkinen, Anna Lucia Richter (Idamante) und Mari Eriksmoen (Ilia) mit dem Helsinki Baroque Orchestra und der Zürcher Sing-Akademie

Die Oper behandelt einen mythologischen Stoff, zu dem es keine antike Dramenvorlage gibt. Idomeneo wird zwar als König Kretas in Homers Ilias erwähnt, und Vergil berichtet von dessen Vertreibung nach Kalabrien. Dass er aber nach seiner dramatischen Rückkehr nach Kreta dem Meeresgott Neptun verspricht, den ersten Menschen zu opfern, der ihm am Strand begegnet, und dass es sich dabei um seinen Sohn Idamante handelt, wird erstmals in einer Quelle aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert erwähnt. Giambattista Varesco greift für das Libretto zu Mozarts Oper auf einen Text von Antoine Danchet zurück, den André Campra unter dem Titel Idoménée 1712 vertonte. Sowohl in Campras Oper als auch in der gleichnamigen Tragödie von Prosper Jolyot Crébillons aus dem Jahr 1705 wird das Menschenopfer vollzogen, während bei Mozart das Bild der Götter radikal humanisiert und Idamante von der ihn liebenden trojanischen Prinzessin Ilia gerettet wird. Ihre Bereitschaft, sich für den Geliebten zu opfern, führt dazu, dass der Meeresgott einlenkt und nur die Absetzung Idomeneos einfordert. Eine Aufwertung in Mozarts Oper erfährt auch die Rolle der Elettra, die nach der Anstiftung ihres Bruders Orest zum Muttermord aus Mykene geflohen ist und nun am Königshof von Kreta vergeblich darauf hofft, Idamantes Liebe zu gewinnen.

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Sebastian Kohlhepp als Idomeneo

Im Gegensatz zu den Veranstaltungen an den beiden vorangegangenen Abenden im Kulturzentrum ist bei Mozarts Oper mit dem Helsinki Baroque Orchestra unter der musikalischen Leitung von Aapo Häkkinen, der das Orchester auch am Cembalo begleitet, und der Zürcher Sing-Akademie unter der Leitung von Zoltán Pad die Bühne voll besetzt. Die kleineren Partien werden von Chorsolistinnen und -solisten übernommen. Für die Münchner Uraufführung hatte Mozart unter anderem auch die Arien von Idamantes Erzieher und Idomeneos Berater Arbace gestrichen, so dass sie an diesem Abend ebenfalls wegfallen. Für die Titelpartie war der finnische Tenor Tuomas Katajala eingeplant, der jedoch kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Mit Sebastian Kohlhepp kann man allerdings einen mehr als würdigen Ersatz präsentieren. Sein Tenor verfügt in den Höhen über eine große Strahlkraft und besitzt gleichzeitig die erforderliche Tiefe der Partie, so dass man ihm den Herrscher in jedem Moment abnimmt. Die innere Zerrissenheit des Königs, der zwischen Vaterliebe und Gelübde Neptun gegenüber hin- und hergerissen wird, lässt Kohlhepp mit intensiver Stimmführung in jedem Moment deutlich werden.

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Ilia (Mari Eriksmoen) und Idamante (Anna Lucia Richter)

Doch auch die übrige Besetzung lässt keine Wünsche offen, so dass der Abend einen fulminanten Abschluss für die Tage Alter Musik in Herne darstellt. Da ist zunächst Mari Eriksmoen als Ilia zu nennen. Mit lieblich leuchtendem Sopran legt sie die trojanische Prinzessin an und zeichnet deren Leid sehr bewegend. Großartig präsentiert sie ihre Verzweiflung zu Beginn der Oper, wenn sie einerseits über die verlorenen Familienmitglieder, die bei Trojas Fall gestorben sind, trauert und sich andererseits Vorwürfe macht, dass sie sich zum griechischen Prinzen Idamante hingezogen fühlt. Emotionsgeladen präsentiert sie Ilias Schmerz darüber, dass Idamante mit Elettra nach Mykene aufbrechen soll, ohne zu wissen, was der Grund für diese Entscheidung ist. Mit zarten Tönen setzt sie die große Arie "Zeffiretti lusinghieri" im dritten Akt an, wenn sie Idamante ihre Liebesschwüre durch die Winde übermitteln will. Anna Lucia Richter gibt den Idamante mit kraftvollem Mezzosopran und einer dunklen Färbung. Im Zusammenspiel mit Eriksmoen finden die beiden zu einer betörenden Innigkeit, was vor allem im berühmten Quartett "Andrò rammingo, e solo" deutlich wird, das vom Helsinki Baroque Orchestra unter der Leitung von Aapo Häkkinen sehr gefühlvoll begleitet wird. So zart und verletzlich hat man den Beginn des Quartetts selten gehört.

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Siobhan Stagg als Elettra

In einer regelrecht szenischen Darbietung glänzt Siobhan Stagg als Elettra, die die Partie teilweise auch auswendig ohne Blick in die Partitur vorträgt. Wenn sie bei Instrumentalszenen auf der Bühne ist oder dem Chor oder den anderen Protagonisten lauscht, zeigt ihre Mimik genau die Gefühle, die Elettra gerade beschäftigen. So wirkt sie kurz vor der Abfahrt mit Idamante absolut glücklich und ist entsetzt darüber, dass das auftauchende Seeungeheuer die Abreise verhindert. Ihre Arien setzt sie mit kraftvollem Sopran an, der unterstreicht, dass sie ganz genau weiß, was sie will, und bereit ist, ihre Rivalin Ilia mit allen Mitteln zu bekämpfen. Dabei punktet sie mit sauber angesetzten Spitzentönen. Eigentlich hätte man wirklich gerne von Stagg die berühmte Arie aus dem dritten Akt gehört. Aber auch ohne die Arie gelingt Stagg am Ende ein Abgang mit teils bewusst schrill angesetzten Spitzentönen, der dem Publikum den Atem stocken lässt. Vielleicht ist diese Version noch packender, als wenn Elettra an dieser Stelle noch einmal eine mit Koloraturen gespickte Arie gesungen hätte.

Die Zürcher Sing-Akademie unter der Leitung von Zoltán Pad begeistert nicht nur in den großen Chorpassagen, sondern kann auch mit hervorragenden Solistinnen und Solisten aufwarten. Besonders hervorzuheben ist hier Francesc Ortega i Martí als Gran Sacerdote. Häkkinen führt das Helsinki Baroque Orchestra mit äußerst präzise und mit viel Gefühl fürs Detail durch die Partitur und lässt einen frischen Mozartklang erschallen. Das Ballett, das am Ende noch gespielt wird, wird zwar vom Helsinki Baroque Orchestra musikalisch großartig umgesetzt, passt aber als reines Instrumentalstück nicht wirklich zur restlichen Aufführung. Das Ende der Oper ist eigentlich so imposant, dass der Effekt durch das folgende Instrumentalstück ein bisschen verpufft. Vielleicht wirkt dieser Ausbau des Stückes nur, wenn dazu Tanz geboten wird. Den allgemeinen Genuss des Abends kann diese kleine Einschränkung allerdings nicht schmälern.

FAZIT

Mozarts Idomeneo ist in der Münchner Uraufführungsfassung ein würdiger Abschluss für die diesjährigen Tage Alter Musik in Herne.

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Ausführende

Musikalische Leitung und Cembalo
Aapo Häkkinen

Choreinstudierung
Zoltán Pad

Zürcher Sing-Akademie

Helsinki Baroque Orchestra

 

Solistinnen und Solisten

Idomeneo
Sebastian Kohlhepp

Ilia
Mari Eriksmoen

Idamante
Anna Lucia Richter

Elettra
Siobhan Stagg

Arbace
Florian Feth

Gran Sacerdote
Francesc Ortega i Martí

Voce di Nettuno
Matija Bizjan

Sopran-Solo
Sonja Bühler

Alt-Solo
Jane Tiik

Tenor-Solo
Fabian Strotmann

Bass-Solo
Ekkehard Abele

 

 

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Informationen

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