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Musikfestspiele
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Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
21.07.2024 - 30.08.2024


Arianna in Creta

Opera seria in drei Akten
Libretto adaptiert von Francis Colman nach Teseo in Creta von Pietro Pariati
Musik von
Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10 (eine Pause)

Premiere in den Kammerspielen im Haus der Musik Innsbruck am 17. August 2024




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Händel-Juwel mit einem exzellenten jungen Ensemble

Von Charles Jernigan (Übersetzung von Thomas Molke) / Fotos: © Birgit Gufler / Innsbrucker Festwochen

Arianna in Creta ist Händels 32. von insgesamt 49 Opern. Die Uraufführung fand am 26. Januar 1734 während der produktivsten Periode seiner Opernkarriere statt. Vorangegangen war Orlando im Januar 1733, und 1735 sollten Ariodante und Alcina folgen. Arianna kam allerdings zu einer schwierigen Zeit für Händel als Komponist und Impresario in London heraus. Die Royal Academy of Music, die viele Jahre lang Händels Opern auf dem Spielplan hatte, ging nach Orlando wegen finanzieller Probleme bankrott, und viele seiner großen Stars, die das Aushängeschild der Company gewesen waren, wie zum Beispiel der Kastrat Senesino, verließen Händel, um beim Konkurrenzunternehmen, der Opera of the Nobility, ihre Karriere fortzusetzen. So musste Händel auf die Suche nach neuen Sängerinnen und Sängern gehen. Im Januar 1733 brachte die Opera of the Nobility Arianna in Nasso von Nicola Porpora heraus, mit Senesino und Farinelli, einem weiteren der größten Kastraten der damaligen Zeit. Vielleicht betrachtete Händel es als eine Herausforderung, eine andere Episode aus dem Mythos um Ariadne auf den Spielplan zu stellen. Zu diesem Zweck wurde ein bereits bestehendes Libretto von Pietro Pariati überarbeitet, das bereits mehrere Male vertont worden war, unter anderem auch von Porpora. Anna Maria Strada und Margherita Durastanti, die Händel nach dem Zusammenbruch der Royal Academy of Music die Treue gehalten hatten, übernahmen die Titelpartie und die Partie des Tauride. Teseo wurde von dem Kastraten Giovanni Carestini interpretiert, den Händel in Italien entdeckt hatte. Komplettiert wurde das Ensemble von Maria Caterina Negri als Carilda, dem Kastraten Carlo Scalzi als Alceste und dem Bass Gustavus Waltz als Minos. Der neuen Oper war ein so großer Erfolg am King's Theatre am Haymarket beschieden, dass sie im folgenden November in Covent Garden mit einigen Änderungen und neuen Tänzen wieder aufgenommen wurde.

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Teseo (Andrea Gavagnin) liebt Arianna ( Neima Fischer)

Die Handlung basiert auf dem Mythos um Arianna (Ariadne), die ihrem Geliebten Teseo (Theseus) hilft, mit dem berühmten Faden seinen Weg durch das Labyrinth zu finden, das Minos, der König von Kreta, errichten ließ, und den Minotaurus zu töten, ein Ungeheuer, das darin haust. Bevor die Oper beginnt, gab es Krieg zwischen den Bewohnern von Kreta und Athen, und Minos' Tochter Arianna wurde als Baby geraubt und von königlichen Verbündeten der Athener aufgezogen. Weder Minos noch Arianna kennen ihr Familienverhältnis, obwohl Teseo davon weiß. Die Athener werden besiegt, und Arianna kommt als Geisel nach Kreta. Als Friedensbedingung fordert Minos, dass alle sieben Jahre sieben junge Athener und sieben Jungfrauen aus Athen nach Kreta geschickt werden, um dem Minotaurus geopfert zu werden. Das Opfer wird so lange fortgesetzt, bis ein athenischer Held den Minotaurus tötet und den General Tauride besiegt, der heimlich einen magischen Gürtel trägt, der ihm übermenschliche Kräfte verleiht. Zu Beginn der Oper kommt Teseo mit den auserkorenen Opfern nach Kreta, um Arianna in die Heimat zu begleiten. Unter den Opfern für den Minotaurus ist die schöne Carilda, eine Freundin Ariannas.

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Tauride (Mathilde Ortscheidt) liebt Carilda (Ester Ferraro).

General Tauride verliebt sich in Carilda, ebenso Alceste, ein junger Athener, der ihr nach Kreta gefolgt ist, um sie zu retten. Doch Carilda liebt Teseo, der wiederum nur Augen für Arianna hat. So weist das Libretto die für die Barockoper typischen Verwicklungen mit Eifersucht und unerwiderter Liebe aus. und ergänzt so die eigentliche mythologische Geschichte. Nach einigen Verwirrungen ist Arianna überzeugt, dass Teseo sie für Carilda verschmäht, weil er den Minotaurus töten will, um Carilda vor dem Monster zu retten. Tauride verfolgt einen anderen Plan und versucht, Carilda zu überreden, mit ihm zu fliehen, wenn sie das Labyrinth betreten soll. Doch sie weist ihn zurück. Stattdessen flieht sie mit Alceste nach einer der schönsten Arien der ganzen Oper. Rasend vor Wut verkündet Minos, dass nun Arianna als Ersatz geopfert werden soll, aber Teseo kann das Monster töten und Arianna retten.  Arianna hilft ihm nicht nur, seinen Weg mit einem Faden aus dem Labyrinth zu finden, sondern verrät ihm auch das Geheimnis von Taurides heimlicher Macht durch den magischen Gürtel. Teseo reißt ihm den Gürtel ab und kann ihn so leicht besiegen. Minos wird besänftigt und gewährt ihm Ariannas Hand, falls ihr Vater seine Zustimmung gibt. Umso überraschter ist er, als sich herausstellt, dass er selbst Ariannas Vater ist. Nach einem kurzen Schockmoment kommt es zu einer Doppelhochzeit, da Carilda nun auch Alceste ihr Ja-Wort gibt.

Obwohl die Oper eine absolute Rarität ist, gab es einige moderne Aufführungen, zum Beispiel beim Händel-Festival in London 2014 und in Halle 2018. In Innsbruck findet die Produktion in dem relativ neu erbauten Haus der Musik in den Kammerspielen statt, einem Bau mit einer wunderbaren Akustik, die für einen klaren und frischen Klang des Orchesters und des Ensembles sorgt.

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Alceste (Josipa Bilić, links) will Teseo helfen (Andrea Gavagnin, rechts).

Die Oper enthält äußerst spektakuläre und wunderschöne Musik Händels. Ohne Zweifel wollte er mit dem Werk die Fähigkeiten und außergewöhnliche Technik seines neuen Kastraten-Superstars Carestini zur Schau stellen. Schon dessen erste Arie, "Nel pugnar col mostro infido", enthält äußerst anspruchsvolle Läufe und Verzierungen, und zwei der weiteren Arien sind ebenfalls sehr virtuos und aufregend, wie beispielsweise die Arie "Qui ti sfido, o mostro infame!", wenn er sich dem Kampf mit dem Minotaurus stellt. Einen anderen Tonfall schlägt er in zwei traumhaften Liebesduetten mit Arianna an und verkörpert hier den perfekten Liebhaber. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist seine Traumszene, ein dramatisches Accompagnato zu Beginn des zweiten Aktes, wenn er seine Bedeutung als Held für das Volk vorhersieht. Absolut lyrisch präsentiert er sich in der letzten Arie mit Chor, "Bella sorge la speranza", einer sehr eingängigen fröhlichen Melodie, die zum lieto fine passt. Der italienische Countertenor Andrea Gavagnin meistert die Partie hervorragend. Großartig punktet er in den schwierigen Verzierungen mit einer kraftvollen beweglichen Stimme und verfügt bereits in jungen Jahren über eine ausgereifte Technik.

Obwohl Arianna die Titelfigur der Oper ist, ist sie in gewisser Weise eine undankbare Partie. Ihre unbegründete Eifersucht führt zu unnötigen Komplikationen. Im Prinzip lässt sich hier schon erahnen, wieso Teseo sie später für ihre Schwester Phaedra verlässt und sie allein auf der Insel Naxos zurückbleibt. Auch dieser Stoff wurde von zahlreichen Komponisten vertont. Heute kennt man eigentlich nur noch Richard Strauss' Variante. Die deutsche Sopranistin Neima Fischer verfügt als Arianna über eine durchsichtige, liebliche Stimme mit großer Strahlkraft in den Höhen bei ihren zahlreichen Klagen, auch wenn einige Improvisationen und Verzierungen nicht gerade nach Händel klingen. Aber Fischer meistert sie mit einer betörenden Leichtigkeit.

Die schönste Musik in der Oper hat wohl Alceste. Zu erwähnen ist hier die wunderbar lyrische Arie "Tal'or d'oscuro velo", die direkt auf Teseos Glanznummer im ersten Akt folgt. Der absolute Höhepunkt ist das Cello Obligato "Son quel stanco pellegrino", in dem Alceste Carilda überzeugt, mit ihm zu fliehen. Josipa Bilić glänzt in der Partie mit frischem, weichem Sopran. Auch die übrigen Solistinnen und Solisten lassen keine Wünsche offen. Mezzosopranistin Mathilde Ortscheidt, die im vergangenen Jahr Gewinnerin des Cesti-Wettbewerbs in Innsbruck war, macht durch ihre stimmliche Exzellenz den unsympathischen Tauride zu einer fast liebenswerten Figur. Hervorzuheben ist die großartige Gleichnisarie. Ester Ferraro und Giacomo Nanni runden das Ensemble als Carilda und König Minos auf hohem Niveau ab. Alle Solistinnen und Solisten haben am Cesti Wettbewerb teilgenommen, den das Festival in Innsbruck jedes Jahr für junge Sängerinnen und Sänger durchführt. In diesem Jahr lassen alle eine große Karriere erwarten. Hier gibt es wirklich nicht eine Schwachstelle. Alle präsentieren sich auf einem professionell reifen Niveau.

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Teseo (Andrea Gavagnin) stellt sich dem Kampf mit dem Minotaurus.

Das Barockorchester:Jung begeistert unter der musikalischen Leitung von Angelo Michele Errico ebenfalls auf ganzer Linie. Die Lesart der Partitur ist absolut spannend und zeigt große musikalische Vielfalt, die dem Orchester viel Spielraum für Interpretationen bietet. Für die Regie zeichnet Stephen Taylor verantwortlich. Bühnenbild und Lichtdesign sind von Christian Pinaud entworfen, die Kostüme stammen von Nathalie Prats. Taylor siedelt die Geschichte in einem modernen Polizeistaat an. Die Bühne öffnet sich in einen nicht genauer definierten Raum, der Platz für die Neuankömmlinge lässt. Angrenzend daran befindet sich ein Gefängnis für diejenigen, die in das Labyrinth geschickt werden. Die flexiblen Wände formen quasi selbst ein Labyrinth. Das ist zwar einfach, aber sehr effektiv. Auch der Minotaurus tritt als stumme Rolle auf. Hierbei handelt es sich um einen Mann, der einen Stierkopf trägt.

Regisseur Taylor hält den Fokus auf den Solistinnen und Solisten, so wie es sein sollte, während gleichzeitig subtile aber konstante Bewegungen des Bühnenbildes dazu führen, dass die Inszenierung nicht statisch wirkt. Durch die klare Personenregie wird die teilweise verworrene Handlung ein wenig klarer. Auch ein wenig Humor gibt es am Ende, wenn Teseo als Matador wie ein Stierkämpfer mit einem roten Cape auftritt. Aber dennoch nimmt Taylor die Geschichte zu jeder Zeit ernst. Händels Oper endet mit einem fröhlichen und triumphalen Moment für Arianna und Teseo, auch wenn diejenigen, die die griechische Mythologie kennen, wissen, dass dieses Glück nicht von Dauer sein wird und dass tragische Ereignisse für Arianna und Teseo, aber auch für Phaedra und Teseos Sohn Hippolytus folgen werden. Aber für den Moment gilt "Bella sorge la speranza" ("Wunderbare Hoffnung füllt unsere Brust").

FAZIT

Die diesjährige Produktion der Barockoper:Jung, der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Cesti Wettbewerbs, bewegt sich in diesem Jahr auf besonders hohem Niveau und lässt Händels selten gespielte Oper in großartigem Glanz erscheinen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Cembalo
Angelo Michele Errico

Regie
Stephen Taylor

Bühnenbild und Licht
Christian Pinaud

Kostüme
Nathalie Prats



Barockorchester:Jung


Solistinnen und Solisten

Arianna
Neima Fischer

Teseo
Andrea Gavagnin

Carilda
Ester Ferraro

Alceste
Josipa Bilić

Tauride
Mathilde Ortscheidt

Minos / Sonno
Giacomo Nanni

 


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