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"Beyond" den ErwartungenBy Charles Jernigan (Übersetzung von Thomas Molke) / Fotos: © Veronika Lercher / Innsbrucker Festwochen "Beyond" hat im Englischen mehrere unterschiedliche Bedeutungen und beschreibt einen nicht genau definierten und eher emotionalen Ort oder Zustand, der wesentlich mehr ist als die gewöhnliche Realität. Jakub Józef Orliński hat dieses Wort nicht nur als Titel für sein im August 2023 veröffentlichtes Album gewählt, sondern ist auch mit einem Programm unter diesem Titel auf Tour. Von den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik geht es über Bayreuth im September noch in den kommenden Monaten in zahlreiche weitere europäische Städte. Nach Orlińskis eigener Beschreibung soll Beyond eine Welt zaubern, die nicht dem Gewöhnlichen entspricht und in der frühen Barockmusik zu gegenwärtigen Generationen sprechen kann. Jakub Józef Orliński mit Musikerinnen und Musikern des Ensembles Il Pomo d'Oro Orlińskis Darbietung ist ebenfalls dahingehend "beyond", dass er nicht nur ein Konzert mit Barockmusik des 17. Jahrhunderts präsentiert, sondern gleichzeitig eine dramatische Darstellung mitliefert. Das beginnt schon mit einem fulminanten Auftritt in einem schwarzen langen wehenden Mantel - soll das eine Anspielung auf Salieri in der Verfilmung Amadeus sein? Den Text der gesungenen Arien und Lieder interpretiert er auch szenisch, wobei er auch noch Breakdance-Einlagen mit sehr modernen Tanzbewegungen einfügt. Das Ende des Abends inszeniert er dann mit einem langsamen dramatischen Abgang, der an eine Prozession erinnert. Das Konzert ist also wirklich eine Show, die "beyond" der Norm für klassische Musik ist. Wenn er zum Beispiel in einem Lied von Barbara Strozzi (1619-1664) erklärt: "Ich bin so lange auf die Suche gegangen", schreitet er durch die Zuschauerreihen mit einer hell scheinenden Lampe, als wenn er sich wirklich auf der Suche befindet. Bei zwei Liedern von Giovanni Cesare Netti, die von alten Frauen handeln, wickelt er sich in seinen Mantel ein und verwandelt sich in eine alte Dame, die über die Bühne schleicht. Zwischen den gesungenen Passagen gibt es auch sehr ansprechende Instrumentalstücke. Zu erwähnen ist hier die Ouvertüre zu Carlo Pallavicinos Oper Demetrio. Orliński gönnt sich währenddessen aber keine Pause, sondern nutzt sie, um auch hier seine famosen Breakdance-Küste zu demonstrieren. Dem begeisterten Publikum bietet er am Ende des relativ kurzen Programms dann auch noch drei Zugaben, bei denen es sich größtenteils um weitere Auszüge aus dem CD-Album handelt. Orlińskis Stimme wird als "engelsgleich" gepriesen, und in der Tat verfügt er über einen kraftvollen, ausgeglichenen Countertenor mit einer sehr angenehmen Farbe, die ebenfalls die Bezeichnung "beyond" verdient. Der wunderschöne barocke Riesensaal der Hofburg hat allerdings akustisch seine Tücken. Der natürliche Hall lässt jeden Ton außerordentlich laut erscheinen, und die zahlreichen Lichter in den gigantischen Lüstern entsprechen sicherlich nicht dem, was man unter einer modernen Ausleuchtung der Bühne versteht, dürfte folglich ebenfalls als "beyond" bezeichnet werden. Aber man kann sich schon vorstellen, dass das genau die Art und Weise beschreibt, wie ein aristokratisches Publikum zur damaligen Zeit ein solches Konzert erlebt haben mag, natürlich nicht mit Orlińskis Tanzeinlagen, aber gerade dadurch bringt er die Vergangenheit und Gegenwart wieder zusammen. Das zehnköpfige Orchester Il Pomo d'Oro liefert eine hervorragende und meist sehr spritzige Unterstützung. Besonders hervorzuheben sind Alia Bakieva an der ersten Violine, Margherita Burattini an der Barock-Harfe, Jacopo Raffaele am Cembalo und an der Orgel und besonders Miguel Rincon, der neben der Theorbe und der Laute auch der Gitarre außergewöhnliche Töne entlockt. So bieten auch die Instrumentalstücke Barockgenuss pur. Das Publikum unterbricht das Konzert nicht mit Zwischenapplaus, und mit Ausnahme einer kurzen Pause, die dazu dient, die Instrumente neu zu stimmen, gehen die einzelnen Musiknummern ineinander über und erklingen wie aus einem Guss, was vielleicht auch "beyond" der Norm eines klassischen Konzertes ist. Umso heftiger fällt dann der Schlussapplaus und nicht endende Jubel für Orliński aus. Man kann ihm durchaus bescheinigen, dass er ein musikalisches Ausnahmetalent ist, ein Star, dem es gelingt die Ästhetik klassischer Musik mit modernem Touch zu verbinden. So versieht er die frühe Barockmusik mit der Magie eines Popstars, ohne dabei den Stil der Musik zu verbiegen. Auch einen Kontakt zum Publikum vermag er vor allem durch die Nähe im Riesensaal hervorragend herzustellen, so dass man als Zuhörer den Eindruck hat, Orliński spreche einen ganz persönlich an. Das mag zwar manchmal ein wenig künstlich wirken, aber es funktioniert.
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