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Die Zähmung einer WiderspenstigenVon Thomas Molke / Fotos: © NKO Seit über 50 Jahren haben es sich Horst und Annette Vladar zur Aufgabe gemacht, für die Neuburger Kammeroper Werke und Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts wiederzuentdecken, die völlig in Vergessenheit geraten sind. 2020 war die Wahl eigentlich auf Luigi Ricci gefallen, der ab 1823 große Erfolge auf den italienischen Opernbühnen feierte. Den größten Triumph erzielte er 1831 an der Mailänder Scala mit Chiara di Rosemberg. Horst und Annette Vladar hatten für 2020 eigentlich eine Bearbeitung seiner Oper Chi dura vince auf den Spielplan gestellt, die nicht nur bei der Uraufführung 1834 in Rom das Publikum begeisterte, sondern auch in mehrere Sprachen übersetzt und unter anderem in Wien, Paris und Berlin gespielt wurde. Dann machte die Corona-Pandemie dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Die Neuburger Kammeroper gehörte zwar zu den ganz wenigen Festspielen, die im ersten Pandemie-Jahr überhaupt ein Festival präsentierten, aber wegen des Choreinsatzes konnte Riccis Oper nicht auf dem Spielplan bleiben. So wird die Oper nun vier Jahre später umgesetzt, nachdem sich der Theaterbetrieb seit einiger Zeit wieder normalisiert hat. Fiorina (Da-yung Cho) soll der Stolz ausgetrieben werden. Der deutsche Titel, den Horst und Annette Vladar für das etwas sperrige Original Chi dura vince (was so viel bedeutet wie: "Wer beharrlich bleibt, gewinnt") gewählt haben, mag auf den ersten Blick ein wenig verwirren. Im Italienischen trug die Oper auch den Untertitel La luna di miel ("Honigmond"). Doch auch der schien den beiden nicht passend. Deshalb wählten sie Eine Rosskur. Darunter versteht man im eigentlichen Sinn eine sehr unsanfte medizinische Behandlung unter Einsatz drastischer und umstrittener Mittel. So kann man die Methode durchaus bezeichnen, die der Graf Sanviti bei seiner jungen Frau Fiorina anwendet, um ihr den Hochmut auszutreiben. Auf einem frisch gekauften Schloss in der Provinz lässt er sie zunächst glauben, dass er nur ein einfacher Arbeiter sei, der sie obendrein mit der schönen Baronin, die eigentlich seine Schwester ist, betrügt. Als jedoch alle verhaftet werden und ihm für den vermeintlichen Betrug die Todesstrafe droht, erkennt Fiorina, dass sie ihn auch als mittellosen Arbeiter liebt und will sich für ihn beim echten Grafen einsetzen. Umso überraschter ist sie, als sie feststellt, dass er doch der Graf ist, verzeiht ihm allerdings aus Liebe oder Einsicht (?) das falsche Spiel. Gennaro (Patrick Ruyters, links) und Giovanni (Michael Hoffmann, rechts) haben ihre Probleme mit der Gräfin. Wenn man sieht, wie liebevoll mit relativ einfachen Mitteln die Bühne in Neuburg jedes Jahr wieder von Michele Lorenzini gestaltet wird und welchen Effekt allein das Bühnenbild erzielt, mag die Frage aufkommen, warum sich das deutsche Regie-Theater an zahlreichen Opernhäusern häufig für hässliche Modernisierungen entscheidet. Der Hof des Schlosses, in dem sich zunächst die Arbeiterinnen und Arbeiter versammeln, um vom strengen Verwalter Gennaro an ihre Pflichten erinnert zu werden, ist mit unverkleideten Bühnenwänden ausgestattet, die sogar die eine oder andere witzige Schmiererei aufweisen. Nach der Pause verwandelt sich die Bühne mit pittoresk gestalteten Wänden in das Zimmer der Baronin, die sich vor einem Spiegel die Zeit mit Modespielereien vertreibt. Auch die von der Kostümabteilung Lüneburg zur Verfügung gestellten Kostüme tragen ihren Teil zu einem Augenschmaus bei. Der Höhepunkt ist dann aber, dass das Zimmer noch in einen großen Saal verwandelt wird, wobei eine Wendeltreppe links und rechts in eine obere Etage führen. Hier gibt sich der Graf schließlich seiner Gattin zu erkennen. Die Baronin (Martha Harreiter, mit dem Damenchor) ist in den Plan ihres Bruders eingeweiht. Auch die Personenregie von Horst Vladar zeigt erneut, dass ein komödiantisches Werk des 19. Jahrhunderts auch ganz gut ohne Modernisierung auskommt, wenn man den Text und die Geschichte ernst nimmt. Der Spaß, den der Chor der Neuburger Kammeroper und die Solistinnen und Solisten auf der Bühne verbreiten, überträgt sich herrlich auf das Publikum. Wunderbar arrogant spielt Da-yung Cho die hochmütige junge Gräfin, die nach dem Radbruch ihrer Kutsche auf dem Schloss landet, und den Verwalter Gennaro und den Pächter Giovanni, die sich ihr gegenüber nicht angemessen verhalten, mit einer Mistgabel über die Bühne jagt. Umso heftiger zahlen es ihr die beiden heim, als sie glauben, dass der Graf nur ein mittelloser Arbeiter und Fiorina damit auch keine Gräfin ist. Auch hierbei ist Patrick Ruyters und Michael Hoffmann die Spielfreude regelrecht anzusehen. Karol Bettley gibt einen im Herzen sympathischen Grafen, dem man am Ende nicht böse sein kann, so dass auch nachvollziehbar bleibt, dass Fiorina ihrem Gatten verzeiht, und auch Martha Harreiter lässt sich mit großem Spielwitz als Baronin von ihrem Bruder in das Spiel einbeziehen. Die Rosskur hat gewirkt: Emilio / Andrea (Karol Bettley) und Fiorina (Da-yung Cho) sind wieder glücklich vereint. Interessant ist auch Riccis Musik, die stellenweise sehr operettenhafte Züge trägt. So viel Walzerseligkeit kennt man eigentlich erst von Franz von Suppè und Johann Strauß. In anderen Momenten schillern wiederum Rossini und Donizetti durch. Ein musikalischer Höhepunkt ist das große Buffo-Duett von Gennaro und Giovanni kurz vor Ende der Oper, wenn sich die beiden ausmalen, welche Strafe ihnen beim Grafen nun dafür droht, dass sie die Gräfin schlecht behandelt und die Umarmung des Grafen mit seiner Schwester, der Baronin, missdeutet haben. Im Witz und in der Melodie kann diese Nummer es in jedem Punkt mit den großen Buffo-Duetten bei Rossini beispielsweise in La Cenerentola oder L'inganno felice oder Donizetti im Don Pasquale aufnehmen. Annette und Horst Vladar ist es auch gelungen, diesem Duett einen wunderbar fließenden deutschen Text zu unterlegen, der durch die lebhafte Interpretation von Hoffmann und Ruyters begeistert. Cho lässt mit strahlendem Sopran als Fiorina aufhorchen. Natürlich lässt es sich auch Horst Vladar nicht nehmen, mit großem Spielwitz in einer kleinen Partie aufzutreten, die seinem Namen als Chef der ganzen Produktion alle Ehre macht: Biagio Rumore Alois Rottenaicher führt die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München e. V. gewohnt souverän durch die Partitur, so dass es auch bei der Dernière wieder großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.
FAZIT Die Neuburger Kammeroper ist und bleibt ein Aushängeschild für gute Unterhaltung in der Region. Es bleibt zu hoffen, dass die Unterstützung der Politik und Sponsorinnen und Sponsoren auch weiterhin ausreicht, dieses Festival im Juli durchzuführen.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungAlois Rottenaicher Inszenierung Bühnenbild Bühnenbildbau
Licht Choreinstudierung
Mitglieder des Akademischen Chor der Neuburger Kammeroper
Solistinnen und SolistenGraf Emilio Sanviti, unter dem Namen Andrea
Gräfin Fiorina Sanviti, geb. von
Bellacorten
Baronin Galeotti, Schwester des Grafen
Gennaro Malerba, Verwalter des Schlosses Giovanni
Gioja, Pächter des Schloss-Weinberges
Biagio Rumore, Hauptmann der Schlosswache Arbeiterinnen und Arbeiter / Zofen / Uniformierte /
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