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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Auf den Spuren der griechisch-römischen MythologieVon Thomas Molke / Fotos: © Susanne Reichardt Johann Sigismund Kusser kann wohl als einer der ersten Kosmopoliten des Musiktheaters bezeichnet werden. Nachdem er in der Tradition der evangelischen Kirchenmusik bis 1674 seine ersten musikalischen Erfahrungen in Pressburg, dem heutigen Bratislava, gemacht hatte, kam er über Stuttgart nach Paris, wo er von Jean-Baptiste Lully unterrichtet und musikalisch geprägt wurde. Ab 1682 folgten dann Anstellungen als Kapellmeister in Ansbach und später in Braunschweig. Von dort ging er nach Hamburg an die Gänsemarktoper, die er von 1693 bis 1695 zu einer künstlerischen Hochblüte führte. Nach einer einträglichen Stellung als Oberkapellmeister am Stuttgarter Hof ab April 1700 führte ihn kurz darauf sein Weg zunächst nach Italien, dann nach England und schließlich nach Dublin, wo er 1710 als "Composer of the State Music" angestellt wurde. Bis dahin hatte er zahlreiche Opern komponiert, die zum einen vom französischen Stil beeinflusst waren, zum anderen mit seiner Anstellung in Braunschweig aber auch immer stärkere italienische Züge aufwiesen. Da beim Winter in Schwetzingen seit 2019 die deutsche Barockoper im Zentrum der alljährlichen Opernproduktion steht, hat man in diesem Jahr ein Werk von Kusser auf den Spielplan gestellt, das er um 1700 für den Stuttgarter Hof komponierte: Adonis. Venus (Theresa Immerz) hat Stress mit ihrem Sohn Cupido (João Terleira). Welcher Anteil der Musik in der Oper aber tatsächlich von Kusser stammt, ist nicht ganz geklärt. Die Musikwissenschaftlerin Samantha Owens, die 2005 die in der Württembergischen Landesbibliothek überlieferte Partitur wissenschaftlich aufarbeitete, stellte dabei fest, dass es sich bei dem Werk um eine deutschsprachige Fassung der Oper Gl'inganni di Cupido handelt, die ein Braunschweiger Hofmusiker namens Giuseppe Fedrizzi 1691 für Braunschweig auf ein Libretto von Flaminio Parisetti komponiert hatte und der Kusser während seiner Zeit in Braunschweig begegnet war. Ob Kusser dabei für Stuttgart nur einen deutschen Text auf die vorhandene Musik gelegt hat oder in welchem Umfang er eigene Musik eingefügt hat, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Der künstlerische Leiter der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe Jörg Halubek hat dieses Werk mit seinem Ensemble und namhaften Sängerinnen und Sängern der Barockszene für die Stuttgarter Festwoche Barock wieder entdeckt und auf CD eingespielt, die 2024 bei cpo erschienen ist. Nun hat Halubek auch in Schwetzingen die musikalische Leitung der szenischen Erstaufführung in moderner Zeit übernommen. Venus (Theresa Immerz) verführt Adonis (Jonas Müller). Die Handlung vermengt einige mythologische Geschichten, die in Ovids Metamorphosen überliefert sind und dichtet noch eine weitere Liebesverwicklung hinzu, die so nicht in der Mythologie überliefert ist. Cupido hat seine helle Freude daran, wahllos mit seinen Liebespfeilen um sich zu schießen und damit für absolutes Liebes-Chaos zu sorgen. So verliebt sich Apollo unsterblich in die Nymphe Daphne und bedrängt sie. Vulcanus macht der Tochter des Meeresgottes Triton, Pallas, Avancen, was beide Frauen dazu bringt, sich bei Venus über deren Sohn zu beschweren. Als Venus ihren Sohn zur Rechenschaft zieht, plant dieser allerdings auch seiner Mutter einen Streich zu spielen und lässt sie in Liebe zu dem schönen Jäger Adonis entbrennen, der sich zunächst nur für die Jagd interessiert und die Göttin der Liebe zurückweist. Doch allmählich kann er sich den Reizen der Venus nicht entziehen, und die beiden werden ein Paar, während Daphne auf der Flucht vor Apollo in einen Lorbeerbaum verwandelt wird und Pallas Vulcanus, der sich aus Verzweiflung das Leben nehmen will, überzeugen kann, nur freundschaftlich verbunden zu bleiben. Doch auch das Glück von Venus und Adonis ist nicht von Dauer. Adonis kann von der Jagd nicht lassen und fällt einem wilden Eber zum Opfer. Unerwiderte Liebe: Vulcanus (Sreten Manojlović) und Pallas (Zuzana Petrasová) Das Regie-Team um Guillermo Amaya führt eine Rahmenhandlung ein, was dann auch den dramaturgisch unmotivierten fröhlichen Schlusschor am Ende zu rechtfertigen versucht. In Alltagskleidung betreten die Sängerinnen und Sänger über die Hinterbühne mit Taschenlampen ein dunkles Theater und stoßen dabei auf die Partitur der Oper und zahlreiche Requisiten. So beschließen sie, die Geschichte nachzuspielen. Die einzelnen Szenen werden mit Prospekten im Hintergrund und einigen geschickt gewählten Requisiten angedeutet. So tritt der Gott Apollo beispielsweise immer mit einem großen Scheinwerfer auf, der ihn in strahlendem Glanz erscheinen lässt. Daphne schiebt häufig ein Podest auf die Bühne, auf dem ein Lorbeerbaum steht, was wahrscheinlich genauso wie das grüne Kleid, in das sie schlüpft, andeuten soll, dass sie sich am Ende in einen Baum verwandelt. Vulcanus hat als Gott der Metallverarbeitung einen Einkaufswagen mit Werkzeugen bei sich. Im Hintergrund befinden sich in seinen Szenen ein Stahlspind und eine Bank aus Eisen, während grüne Plastikstühle den Wald andeuten, in dem Adonis auf die Jagd geht. Während die Prospekte sehr pittoresk wunderbare Bühnenbilder andeuten, machen die Requisiten deutlich, dass die Sängerinnen und Sänger die Geschichte nur spielen und somit auf den Spuren der antiken Mythologie wandeln. Apollo (Rémy Brès-Feuillet) hat Daphne (Indre Pelakauskaite) verloren. Auf diese Weise lässt sich die Geschichte glaubhaft in einen modernen Kontext übertragen, ohne dabei die Aussage zu verdrehen. Musikalisch weist das Stück sehr unterschiedliche Klangfarben und eine barocke Vielfalt auf. Das beginnt bereits mit den interessant instrumentierten Arien. Ein Großteil wird von einem Continuo begleitet, was in Schwetzingen nicht nur aus einem Cembalo und einem Cello besteht, sondern um ein Fagott, eine Laute und eine Barockharfe erweitert wird, was die Musik sehr abwechslungsreich macht. Halubek zeigt am Pult des Philharmonischen Orchesters Heidelberg und am zweiten Cembalo, dass er mit dem Werk sehr vertraut ist, und lässt das Orchester großartig in die unterschiedlichen Stilelemente eintauchen, die mal eine Nähe zur französischen Barockmusik und Lully zeigen, dann aber wieder in der italienischen Schule verankert sind. Interessant ist auch, dass nur die Partie des Gottes Apollo mit einem Countertenor besetzt ist. Auch für Cupido hätte man eigentlich keinen Tenor sondern eine höhere Stimme erwartet, zu der dann die Partien des Adonis und des Vulcanus mit Bariton und Bass ein dunkleres Gegengewicht gebildet hätten. Die sieben Solistinnen und Solisten lassen darstellerisch und stimmlich keine Wünsche offen. Theresa Immerz gibt eine herrlich verführerische Liebesgöttin Venus, die mit leuchtendem Sopran aufhorchen lässt und dabei sehr verführerisch klingen kann. So ist es kein Wunder, dass Adonis sich in diese Göttin verliebt. Jonas Müller verfügt als Adonis über einen kräftigen, virilen Bariton, der nachvollziehbar macht, dass dieser Mann für die Jagd brennt. João Terleira legt den Cupido mit leichtem spielerischem Tenor an und zeigt, dass dieser Amor absolut unberechenbar ist. Indre Pelakauskaite stattet die Partie der Daphne mit warmem, unschuldigem Sopran aus. Verzweifelt versucht sie, sich gegen die Übergriffigkeit Apollos zu wehren, so dass ihre Verwandlung am Ende eine gewisse Tragik hat. Amaya lässt sie auf der Vorderbühne einfach zusammenbrechen und nicht mit dem Baum in der Requisite verschmelzen, während der Prospekt mit dem Wald einfach herabfällt. Rémy Brès-Feuillet punktet als Gott Apollo mit dunkel gefärbtem Countertenor und einer Portion Selbstironie, wenn er beispielsweise eine Szene kurz unterbricht, um den Scheinwerfer besser auf ihn auszurichten. Sreten Manojlović verfügt als Vulcanus über einen profunden Bass und gestaltet den unglücklichen Feuergott mit einer gewissen Tragik. Zuzana Petrasová gibt die Pallas mit sattem Mezzosopran absolut unnahbar, auch wenn sie zum Trost Vulcanus am Ende in ihre Arme schließt. So gibt es für alle Beteiligten am Ende verdienten Beifall.
FAZIT
Szenisch geht das Konzept für das
absolut unbekannte Werk wunderbar auf, so dass man einen relativ guten Eindruck
von der Oper erhält. Musikalisch ist das Stück interessant und vielseitig, eine
Repertoirefähigkeit darf aber bezweifelt werden.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung und Cembalo
Lichtdesign
Dramaturgie
Laute
Barockharfe
Cello
Fagott
Cembalo
Solist *rezensierte Aufführung
Venus
Adonis
Cupido
Apollo
Vulcanus
Pallas
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- Fine -