m vergangenen Jahr hat Rosetta Cucchi, die künstlerische
Leiterin des Wexford Festival Opera, die "Community Opera" ins Leben
gerufen. Darin erarbeiten ortsansässige Bürgerinnen und Bürger aus Wexford mit
Künstlerinnen und Künstlern der von Cucchi 2020 gegründeten "Wexford Factory"
ein bekanntes Werk, das dem Publikum an einem ungewöhnlichen Ort als "Walk-Through-Production"
präsentiert wird. Im vergangenen Jahr hatte man sich für Puccinis Einakter
Gianni Schicchi entschieden, den man in diesem Rahmen ungekürzt in einer
englischen Fassung von Timothy Knapman präsentieren konnte. In diesem Jahr ist
die Wahl auf die wohl berühmteste Oper von Gaetano Donizetti gefallen, der in
Wexford mit den am meisten gespielten Opernaufführungen einen Kultstatus
besitzt. Auch L'elisir d'amore stand hier in Wexford schon mehrfach auf
dem Spielplan, einmal bereits 1952, im zweiten Festival-Jahr, und dann zuletzt
2013 im Rahmen der "Short Works" in der Presentation Secondary School in einer
Inszenierung von Roberto Recchia (siehe auch
unsere Rezension).
Nun hat Timothy Knapman eine rund 80-minütige englische Fassung erstellt, die
wieder im Getreidelager in Wexford hinter den Talbot Suites in einer
interaktiven Aufführung stattfindet. So wird das Publikum mit viel Spielwitz
immer wieder in die Inszenierung mit einbezogen.
Peter McCamley begrüßt als MC das Publikum.
Wie im vergangenen Jahr führt Peter McCamley als MC mit großer Originalität und
Spontaneität durch das Stück. Im weißen Anzug heißt er das Publikum zunächst in
Adinas Bar willkommen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen in der oberen
Etage an kreisrunden Tischen, auf denen sogar eine Karaffe mit einem süßen Getränk auf dem Tisch
steht, das, wie McCamley betont, "frei" ist. Eifrige Bedienungen in Adinas Bar,
die von den Community People dargestellt werden und auch die Rolle des Chors
übernehmen, verteilen Gläser auf den Tischen. Bei einigen Gästen stellt man nach
kurzer Zeit fest, dass sie ebenfalls zum Stück gehören. So gibt sich eine Frau
mit einer exaltierten Brille nicht mit den alkoholfreien Getränken zufrieden und
fordert Hochprozentiges, während sie leicht angetrunken zwischen Bar und ihrem
Platz hin- und hertorkelt. Eine andere freut sich zum Entsetzen ihres Gatten auf
die Ankunft des Dulcamara, der neben interessanten Getränken auch "Weed" im
Gepäck hat, das er gegen Zahlung von (Spiel)-Geld großmütig verteilt. Eine
dritte Dame nimmt sehr intensiven Anteil an Nemorinos Schicksal. Er ist in der
Inszenierung ein armer Tellerwäscher, der unaufhörlich für Adina schuftet. Sein
ständiges Gejammer geht der selbstbewussten Barbesitzerin allerdings gehörig auf
die Nerven, so dass sie ihn zunächst abblitzen lässt und ihn mit einer Reihe von
Fotos mit muskelbepackten Männern ärgert.
Belcore (David Kennedy) umwirbt Adina (Laura
Aherne).
Belcore ist in der Inszenierung kein Soldat im eigentlichen Sinne, sondern ein
Rocker in schwarzer Lederjacke mit kitschigem Rosen-Tattoo auf dem Oberarm, das
im großen Kontrast zu dem Totenkopf auf der Rückseite seiner Lederjacke steht.
Mit seiner Gang, die ebenfalls aus Community People besteht, hat er sich den
kämpferischen Namen "Soldiers" gegeben und macht dem auch alle Ehre. So wird es
zunächst sehr still, wenn er in Adinas Bar auftaucht, weil alle gehörigen
Respekt vor seiner Bande haben. Auch mit Dulcamara scheint Belcore noch ein
Hühnchen zu rupfen haben, da Dulcamara sich mit seinem Handlanger immer wieder
vor ihm versteckt, während Belcores Gefolge mit Schlagstöcken und Klappmessern
den Raum durchsucht.
Nemorino (Paolo Nevi, rechts) möchte bei Dulcamara
(Rory Musgrave, Mitte) den Liebestrank erwerben (rechts: Raymond Molony).
In diesem Ambiente geht es dann kurzweilig durch die bekannte
Geschichte. Nemorino erwirbt von seinen letzten Ersparnissen den vermeintlichen
Liebestrank beim Quacksalber Dulcamara und gibt sich absolut siegesbewusst bei
Adina. Diese willigt aus Trotz auf die Hochzeit mit Belcore ein, was Nemorino in
absolute Verzweiflung stürzt. Für 20 Euro erklärt er sich bereit, Mitglied bei
den Soldiers zu werden, um eine weitere Flasche des Liebestranks zu kaufen.
Der Kontrakt, den er dafür unterschreibt, ist aber kein schriftlicher Vertrag.
Stattdessen wird er mit einem Messer wie bei einer Blutsbrüderschaft zum "Soldier"
gemacht. Zwar wird dabei nicht ganz klar, wie Adina diesen Vertrag später
zurückkaufen soll, aber wahrscheinlich reicht es einfach, Belcore das Geld
zurückzuzahlen, wenn sie mit großem Missfallen erkennt, wie plötzlich alle
Frauen an Nemorino Gefallen finden, und erfährt, dass Nemorino sich
aus Liebe zu ihr "verkauft" hat.
"Una furtiva lagrima": Nemorino (Paolo Nevi) im
Weinkeller
Bis zu diesem Zeitpunkt fragt man sich, ob die Aufführung in
diesem Jahr wirklich wieder eine "Walk-Through-Production" wird oder man die
ganze Zeit gemütlich in Adinas Bar verbringen kann. Doch dann weisen Adina und
die Community People die Zuschauerinnen und Zuschauer an, aufzustehen und die
Stühle an die Tische zu lehnen. Nemorino hat nämlich noch nichts von Adinas
Sinneswandel mitbekommen und sich enttäuscht in den Weinkeller zurückgezogen,
weil der Liebestrank bisher nicht die gewünschte Wirkung bei Adina gezeigt hat.
So geht es nun nach unten in den Weinkeller. McCamley fordert das Publikum auf,
sich im Raum zu verteilen und lädt auch dazu ein, sich hinter eine große
Holzkiste zu stellen. Aus der taucht dann plötzlich Giannetta auf und
zieht nach dem Happy End für Adina und Nemorino den enttäuschten Belcore zum
heftigen Liebesspiel hinein. So endet die Veranstaltung mit Dulcamaras Lied, in
dem er die Wirkung seines Liebestranks besingt, mit Tanz und ausgelassener
Freude.
Wie im vergangenen Jahr wird die Produktion von Luca Capoferri
als musikalischem Leiter und am Klavier, Adrian Mantu am Cello und Seamus Whily
an der Klarinette begleitet. Mit viel Gefühl fürs Detail präsentieren sie die musikalischen
Höhepunkte der Oper. Laura Aherne gibt mit kraftvollem,
höhensicherem Sopran eine selbstbewusste Adina, die sich am Ende ihre Gefühle
für den schmachtenden Nemorino eingesteht. Maria Matthews versprüht als
Giannetta großen Spielwitz und kommt am Ende mit Belcore ebenfalls auf ihre
Kosten. Paolo Nevi sieht als Nemorino zu Beginn mit seiner Mütze wirklich nicht
sehr attraktiv aus, so dass man fast nachvollziehen kann, dass Adina den
schneidigen Belcore attraktiver findet. Die berühmte Tenorarie darf Nevi dann im
Gegensatz zum Rest auf Italienisch im Weinkeller singen und punktet dabei mit
tenoralem Schmelz. Da ist es dann auch um Adinas Herz geschehen. David Kennedy
gibt den Macho Belcore mit virilem Bariton herrlich selbstverliebt, und Rory
Musgrave rundet das Ensemble als Scharlatan Dulcamara stimmgewaltig
mit dem Schalk im Nacken wunderbar ab. Die Community People zeigen nicht nur,
dass sie bei der Bearbeitung des Projektes viel Spielfreude gehabt bzw.
entwickelt haben, sondern geben auch einen wunderbaren Chor ab. So gibt es zu
Recht großen Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT
Auch in diesem Jahr bringt die "Community Opera" nicht nur Lokalkolorit ins
Festival, sondern zeigt auch wie opernbegeistert die Bewohnerinnen und Bewohner
der Stadt sind.
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