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Wexford Festival Opera
18.10.2024 - 02.11.2024


Le convenienze ed inconvenienze teatrali

Oper in zwei Akten
Libretto von Domenico Gilardoni
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im National Opera House in Wexford am 20. Oktober 2024



 

 

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Die Mamma wird's schon richten

Von Thomas Molke / Fotos: © Patricio Cassinoni

Wenn man für ein Festival ein Motto wählt, das einen komödiantischen Blick hinter die "Bretter, die die Welt bedeuten," werfen lässt, kommt man an einem Meisterwerk nicht vorbei, erst recht nicht, wenn man sich dabei in Wexford befindet: Gaetano Donizettis Le convenienze ed inconvenienze teatrali. Zum einen kann Donizetti in Wexford beinahe als "Hauskomponist" bezeichnet werden. Von keinem anderen Komponisten hat es seit dem Bestehen des Festivals mehr Opernaufführungen gegeben. Auf der großen Bühne ist diese Produktion mittlerweile seine 18. Oper, die auf dem Programm steht. Zum anderen handelt es sich um eine bitterböse Abrechnung mit der Welt des Musiktheaters. Zwar ist das Werk im eigentlichen Sinne nicht unbekannt, da es seit Ende der 1960er Jahre immer wieder zur Aufführung gelangt ist. Das im Italienischen geniale Wortspiel des Titels hat sich allerdings in anderen Sprachen als ein wenig sperrig erwiesen. Mit "convenienze teatrali" sind im Italienischen die Konventionen des Musiktheaters bis zum frühen 19. Jahrhundert gemeint, bei denen noch eine Hierarchie der Rollen vorgeschrieben war. So musste beispielsweise genauestens darauf geachtet werden, dass keine Arie die Nummern der Primadonna übertraf. Die "inconvenienze teatrali" spielen dann auf den Unmut an, der dadurch im Ensemble entstand und die Arbeit erheblich erschwerte. In Deutschland stand die Oper viele Jahre unter dem Titel Viva la Mamma! auf dem Programm und feiert im November an der Deutschen Oper am Rhein als Prima la Mamma in einer neuen Inszenierung Premiere.

Donizetti hatte das Stück zunächst als einaktige Farsa komponiert, die am 21. November 1827 im Teatro Nuovo in Neapel zur Uraufführung kam, wo er seit 1822 als Musikdirektor Rossinis Nachfolge angetreten hatte. Dabei handelte es sich um eine Oper mit gesprochenen Dialogen in Neapolitanischem Dialekt. Das Werk erfreute sich nicht nur in Neapel großer Beliebtheit sondern wurde auch bis 1831 in über 50 weiteren Theatern nachgespielt. Da der Neapolitanische Dialekt in anderen Teilen Italiens allerdings nicht gut verstanden wurde, musste der Text für Aufführungen in anderen Städten umgeschrieben werden. Dabei wurden weitere Arien eingefügt, und so kam es zu einer erweiterten zweiaktigen Fassung, die am 20. April 1831 in Mailand ihre Uraufführung erlebte. Ob Donizetti daran beteiligt war, ist nicht belegt. Im gleichen Jahr kehrte die Oper dann auch in der zweiaktigen Fassung nach Neapel zurück, wo dann Domenico Gilardoni als Verfasser des "neuen" Neapolitanischen Textes genannt wurde.

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Die Primadonna Daria (Sharleen Joynt) lässt sich als Diva feiern (dahinter von links: Andrea Carozzi, Ivan Striuk und Charles Riddiford).

Erzählt wird die Geschichte einer mittelmäßigen Theatertruppe, die in einer unbedeutenden italienischen Kleinstadt die Oper Romolo ed Ersilia zur Aufführung bringen will. Doch die Proben stehen unter keinem guten Stern. Der Impresario kämpft mit großen finanziellen Problemen. Die Primadonna Daria Garbinati führt sich als arrogante Diva auf, die sich als absoluten Star der Produktion betrachtet, was von ihrem Mann Procolo noch unterstützt wird. Der Tenor Guglielmo Antolstoinoff hat das Gefühl, im falschen Stück zu sein, und möchte lieber etwas ganz anderes singen. Der Sänger Pippetto ist unzufrieden, weil seine Rolle zu klein ist,  und der Komponist Biscroma Strappaviscere und der Librettist Cesare Salzapariglia liegen im ständigen Clinch miteinander und mit dem Ensemble, das ihre Vorstellungen nicht wie gewünscht umsetzt. Da taucht Agata Scannagalli, die Mamma der Seconda Donna Luigia Castragatti, auf und verursacht noch mehr Chaos, da sie eine größere Rolle für ihre Tochter einfordert. Sie legt sich mit der Primadonna Daria an, die nicht bereit ist, ein Duett mit der Seconda Donna zu singen, ersetzt Pippetto, der frustriert aus der Produktion aussteigt, und treibt das ganze Produktionsteam in den Wahnsinn. In den ganzen Streit platzt der Impresario mit der Hiobsbotschaft, dass der Theaterdirektor das Stück abgesetzt habe. Da allen die Schulden über den Kopf wachsen, beschließt die Truppe, sich heimlich aus dem Staub zu machen. In einem alternativen Ende versetzt Agata ihren gesamten Schmuck, um so doch noch eine erfolgreiche Aufführung zu garantieren. In Wexford hat sich die Regisseurin Orpha Phelan für das Ende noch eine andere Variante überlegt.

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Mamma Agata (Paolo Bordogna, links) legt sich mit der Primadonna Daria (Sharleen Joynt, auf dem Podest) an (links und rechts vom Podest: Andrea Carlotta Pelai und Miriam Tomè).

Schon bei der Erweiterung auf zwei Akte hat Donizetti Musik von anderen Komponisten eingefügt. So verwendet er beispielsweise Desdemonas Lied von der Weide aus Rossinis Otello. Mamma Agata versucht damit, der Theatertruppe zu beweisen, dass sie ein hervorragender Ersatz für Pippetto ist und problemlos in das geprobte Stück einsteigen kann. Indem sie den Text verdreht, zeigt sie aber eigentlich, dass sie für die Aufführung völlig ungeeignet ist. Es folgt eine zur damaligen Zeit berühmte Kofferarie aus der heute unbekannten Oper Il conte di Lenosse von Giuseppe Nicolini, die Giuditta Pasta unter anderem in Rossinis Tancredi einfügte. Orpha Phelan geht in ihrer Inszenierung noch weiter und verwendet auch Komponisten, die erst nach Donizetti tätig waren. So lässt sie den deutschen Tenor Guglielmo Antoilstonoff als Baron von Trapp aus Richard Rodgers Musical The Sound of Music auftreten, der ständig auf der Suche nach seiner Maria und den Nonnen ist und in einem relativ unpassenden Moment das berühmte Lied "Edelweiß" anstimmt. Die Diva Daria darf im zweiten Akt mit Bernsteins berühmtem "Glitter and Be Gay" aus Candide glänzen, und auch ihr Gatte erhält eine Arie und ein Streitduett mit Agata, das bei Rossini "geborgt" ist. Da die Theatertruppe die heute relativ unbekannte Oper Romolo ed Ersilia des tschechischen Komponisten Josef Mysliveček einstudiert, wird auch die Ouvertüre des Stückes als Ballettmusik zu Beginn des zweiten Aktes eingefügt.

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Agata (Paolo Bordogna, links) will ihrer Tochter Luigia (Paola Leoci, rechts) zu einer größeren Rolle verhelfen.

So kommt das Publikum mit großartiger Musik und einem absolut spielfreudigen Ensemble in einer kurzweiligen, unterhaltsamen Inszenierung voll auf seine Kosten. Eine Produktion steht und fällt natürlich mit der Besetzung der Mamma Agata, und hier hat man - vielleicht mit Rosetta Cucchis Beziehungen zu Pesaro? - einen Vollblutkomödianten nach Wexford geholt, der in dieser Partie wohl kaum zu übertreffen ist: Paolo Bordogna. Selten erlebt man beim begeisterten Schlussapplaus in Wexford stehende Ovationen, doch bei Bordogna erheben sich zahlreiche Besucherinnen und Besucher mit frenetischem Jubel von ihren Sitzen, und zu Recht. Was Bordogna in dieser Produktion leistet, ist Komik vom Feinsten. Schon sein erster Auftritt im giftgrünen Kostüm als italienische Mamma sprüht nur so vor überbordender Komik. Mit herrlich effeminierter Gestik und Mimik legt er sich mit jedem in der Truppe an und verteidigt als Mamma das Töchterchen wie eine Löwin. In der Auftrittsarie spielt Bordogna mit flexiblem Buffo-Bariton mit scheinbar willkürlich angesetzten Noten und zeigt hervorragend, wie er es schafft, die Melodie stets gekonnt seiner Stimme anzupassen. Mit Sharleen Joynt als Daria liefert er sich ein grandioses Zickenduell und ist sofort bereit, in die vakante Rolle des Romolo einzuspringen. Dazu schlüpft er in ein herrlich kitschiges römisches Gewand mit viel zu kurzem Rock. Aber auch dem ist die Mamma gewachsen und weiß resolut ihre Blöße zu verdecken. Großartige Komik entfaltet Bordogna auch beim Vortrag des Weiden-Liedes, bei dem ihm immer wieder der Notenständer mit dem Text weggenommen wird, weshalb er den Text völlig durcheinanderbringt. Dabei weist er die Bühnenarbeiter an, das antike Podest, auf dem er steht, nach vorne zu schieben. Doch da es zwei Podeste gibt, steht er jedes Mal auf dem falschen Podest, was zu einem herrlichen Slapstick-Moment führt, wenn er schließlich auf beiden Teilen steht und die Bühnenarbeiter nur ein Podest verschieben.

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Mamma Agata (Paolo Bordogna, Mitte) als Primaballerina (von links: Miryam Tomè, Andrea Carozzi, Charles Riddiford und Andrea Carlotta Pelai)

Auch als Balletttänzer macht Bordogna eine hervorragende Figur. So choreographiert er nicht nur eine herrlich kitschige Tanzeinlage der sechs Tänzerinnen und Tänzer nach der Pause, sondern lässt sich von einem Tänzer auch noch auf die Fußspitzen heben und dreht scheinbar federleichte Pirouetten. Hier zeigt Bordogna bei aller Komik eine enorme Eleganz. Großartig gestaltet er auch die Auseinandersetzung mit Giuseppe Toia als Darias Ehemann Procolo. Dabei liefern sich Toia und Bordogna stimmlich einen hervorragenden Schlagabtausch. Paola Leoci legt Agatas Töchterchen Luigia herrlich unbeholfen an und punktet gerade dadurch mit großartiger Komik, weil sie der Schlagfertigkeit ihrer Mutter nicht gewachsen ist. Großartig ist die Szene im zweiten Akt, in der Agata ihre Tochter anweist, den Impresario zu bezirzen, damit er ihr eine größere Rolle gibt. Bordogna singt versteckt hinter der Kulisse, während Leoci zur baritonalen Stimme die Lippen bewegt und versucht, Philip Kalmanovitch als Impresario zu verführen. Doch auch hier muss die Mamma schließlich eingreifen, um der Tochter zum Erfolg verhelfen.

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Procolo (Giuseppe Toia, rechts) und Mamma Agata (Paolo Bordogna, Mitte) als Romolo und Ersilia

Dass der Abend nicht zu einer One-(Wo)-Man-Show wird, ist der Spielfreude des übrigen Ensembles zu verdanken. Hier ist in erster Linie Sharleen Joynt als Primadonna Daria zu nennen, die sich in Mimik und Gestik als Diva nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. In ihrer Auftrittsarie punktet sie mit glasklaren, sauber angesetzten Koloraturen, die sie wunderbar ironisch übertreibt, und auch in der eingefügten Arie von Bernstein begeistert sie mit strahlenden Spitzentönen und macht mit den drei Tänzern eine absolut gute Figur. Wieso Phelan den Theaterdirektor derart effeminiert darstellt, bleibt ein Rätsel, wird aber von Henry Grant Kerswell überzeugend umgesetzt. Alberto Robert punktet als deutscher Tenor Guglielmo, dessen Herz für Rodgers The Sound of Music schlägt. Giuseppe Toia verleiht Darias Gatten Procolo fast mafiöse Züge, und Matteo Loi, William Kyle und Philip Kalmanovitch punkten als völlig überforderter Komponist, Librettist und Impresario. Danila Grassi arbeitet mit dem Orchester des Wexford Festival Opera die scheinbare Leichtigkeit von Donizetti und den übrigen anklingenden Komponisten sehr detailliert heraus, so dass es am Ende großen und verdienten Jubel für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Diese Produktion darf als absoluter Höhepunkt des diesjährigen Festivals bezeichnet werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Danila Grassi

Inszenierung
Orpha Phelan

Bühne und Kostüme
Madeleine Boyd

Choreographie
Amy Share-Kissiov

Licht
Daniele Naldi

Chorleitung
Andrew Synnott

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

 

Solistinnen und Solisten

Daria Garbinati
Sharleen Joynt

Procolo
Giuseppe Toia

Biscroma Strappaviscere
Matteo Loi

Agata Scannagalli
Paolo Bordogna

Luigia Castragatti
Paola Leoci

Guglielmo Antolstoinoff
Alberto Robert

Pippetto
Hannah Bennett

Cesare Salzapariglia
William Kyle

Impresario
Philip Kalmanovitch

Direttore del Teatro
Henry Grant Kerswell

Dancers
Luisa Baldinetti
Andrea Carozzi
Andrea Carlotta Pelai
Ivan Striuk
Miryam Tomè
Charles Riddiford

 


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