Memoiren eines Komponisten als Oper
Von Thomas Molke /
Fotos: © Pádraig Grant
Giacomo Puccinis Opern sind für das Wexford Festival Opera,
das sich auf die Ausgrabung unbekannter Werke spezialisiert hat, eigentlich
allesamt viel zu bekannt, so dass sie in der Regel beim Festival höchstens in
den "Short Works" bzw. den neuen Formaten, den "Pocket Operas" oder der "Community
Opera", einen Platz im Spielplan finden. Da sich in diesem Jahr Puccinis
Todestag zum 100. Mal jährt, wollte man diesen Komponisten nicht unbeachtet
lassen und hat William Niall Morris, einen irischen Tenor, der bereits
biographische Stücke über Maria Callas und Luciano Pavarotti verfasst hat,
beauftragt, auch Puccini als "Mann des Theaters" ein Denkmal zu setzen. So hat
Morris ein knapp 70-minütiges Stück verfasst, in der er den Komponisten selbst
sein Leben Revue passieren lässt und dabei Stationen seiner Biographie mit
Auszügen aus den komponierten Opern verbindet. Herausgekommen ist dabei eine
liebevolle Hommage an einen großartigen Komponisten, ohne ihn dabei als Mensch
allerdings zu glorifizieren.
Lisa Krugel hat dafür im Jerome Hynes Theatre einen Raum
entworfen, der Puccinis Villa in Torre del Lago nachempfunden ist. Auf der
rechten Seite sieht man einen Schreibtisch, an dem Puccini wahrscheinlich seine
Opern komponiert hat, auf der linken Seite eine Art Wohnzimmer mit mehreren
Sesseln, wo Puccinis Freunde aus Studienzeiten sich immer wieder zum
Kartenspielen, Trinken und Diskutieren einfinden. Im Hintergrund befindet sich
ein breiter Türrahmen, in dem ein roter Vorhang hängt, was eine Anspielung auf
das Theater sein soll, da hier einige von Puccinis Gefährten einen bühnenreifen
Auftritt haben. Auf der linken Seite im Hintergrund befindet sich das Klavier,
an dem das Stück musikalisch begleitet wird. Giorgio d'Alonzo schlüpft dabei
nicht nur in die Rolle des Pianisten, sondern spielt auch Puccinis Weggefährten
Giuseppe, der häufig Puccinis Kompositionen begleitet hat.
Der alte Puccini (William Niall Morris) lässt
sein Leben Revue passieren.
Morris führt in dem von ihm geschriebenen Stück nicht nur
Regie, sondern übernimmt auch die Rolle des alten Giacomo Puccini, der zu den
Klängen des berühmten "O mio babbino caro" verträumt auftritt. Dass Puccini ein
von sich selbst überzeugter Egomane war, macht Morris direkt in der Vorstellung
deutlich, wenn er mit herrlich italienischem Akzent auf Englisch dem Publikum
nach der Vorstellung mit allen seinen sechs Vornamen sagt, dass man ihn ruhig
mit "Maestro" ansprechen dürfe. Optisch ist er dem alten Puccini, wie man ihn
von zahlreichen Abbildungen kennt, sehr gut nachempfunden. Dass sein Leben einer
Oper gleicht und zahlreiche der von ihm komponierten Figuren in der Realität
ihre Entsprechungen finden, wird dann herrlich mit passenden Arien aus den
bekannten Puccini-Opern erläutert, so dass man in diesem Stück auch sehr viel
über den Menschen Puccini erfahren kann. Morris gelingt in der Erzählstruktur
eine herrliche Gratwanderung, wenn Puccini versucht, sich seine diversen
Verfehlungen schönzureden.
Elvira Puccini (Iúnó Connolly) als Vorbild für Floria Tosca
Zunächst tritt Liam Forrest als junger Puccini mit einer Arie
des Cavaradossi auf, der die Sängerin Tosca anhimmelt, hinter der sich niemand
anders als Puccinis spätere Ehefrau Elvira verbirgt. Zwar hatte Puccini zu der
Zeit an eine Komposition von Tosca noch gar nicht gedacht. Schließlich
war er noch relativ mittellos, als er Elvira kennen lernte, die unglücklicher
Weise auch noch mit einem äußerst unsympathischen Obstverkäufer verheiratet war,
der einer Scheidung viele Jahre lang nicht zustimmte, obwohl Elvira mittlerweile
ein Kind von Puccini hatte. Das habe Puccini ihm derart übel genommen, dass er
die Vorlage für seinen "größten" Bösewicht Scarpia gewesen sei. Philip
Kalmanovitch tritt dann auch in der Rolle des Narciso Gemignani als finsterer
Scarpia in schwarzem Mantel nahezu furchterregend durch den Zuschauerraum auf,
entblößt die ganze Szene dann aber als Lügengeschichte, wenn er äußerst
freundlich Obst und Gemüse an das Publikum verteilt und er unter dem schwarzen
Mantel ein ganz harmloser Verkäufer ist, der Gemüsezwiebeln und Karotten in
seiner Tasche trägt und unter seinem schwarzen Hut einen roten Apfel auf dem
Kopf balanciert.
Luigi (Michael Ferguson, links), Pietro (Andrew
Henley, 2. von links) und Marco (Meilir Jones, Mitte) inspirieren Puccini
(William Niall Morris, rechts) zu seiner Oper La bohème (rechts im Hintergrund: Iúnó Connolly als
Elvira / Mimì, links am Klavier: Pantesilena Jaho).
Nachdem Puccini sich mit Elvira zunächst glücklich in seine
Villa in Torre del Lago zurückgezogen hat und seinen ersten Triumph mit Manon
Lescaut feiert, der ihm finanzielle Unabhängigkeit garantiert, hält die
Freude für Elvira nicht lange an. Zunächst bevölkern Puccinis Freunde Pietro,
Luigi und Marco die Villa und gründen dort den "Club de Bohème", der als
Inspiration zu Puccinis nächstem Meisterwerk diente. Während Andrew Henley,
Michael Ferguson und Meilir Jones in die Rollen von Rodolfo, Marcello und Coline
schlüpfen und einzelne Passagen aus La bohème vortragen, ergeht sich Iúnó
Connolly als Mimì Elviras Leid. Doch damit ist noch nicht genug. Für die
nächsten Frauenrollen nach Tosca dient sie Puccini nicht mehr als
Inspirationsquelle. Er hat sich nun in das junge Dienstmädchen Doria Manfredi
verliebt, die für ihn zu Cio-Cio-San wird. Isabel Araujo präsentiert ein
wunderbares Duett mit Katie MacDonald als Suzuki. Wie weit das Verhältnis der
beiden wirklich gegangen ist, ist umstritten. Puccini behauptet steif und fest,
dass er nichts mit Doria gehabt habe, was ihm Elvira jedoch nicht glaubt. Als
Doria sich mit Gift aus Verzweiflung das Leben nimmt und Elvira Puccini mit dem
gemeinsamen Sohn Antonio verlässt, bricht für Puccini eine Welt zusammen. Er
stürzt sich in die Arbeit und versucht, in seinen Opern Trost zu finden.
Den Selbstmord seines Dienstmädchens Doria
Manfredi (Isabel Araujo) versucht Puccini (William Niall Morris) in der Partie
der Liù in der Oper Turandot zu verarbeiten.
Keinen Erfolg hat er bei Rosa Raisa, für die er die Hauptpartie
in La rondine komponiert hat. Federica Raja tritt zunächst als
verführerische Musetta aus La bohème durch den Vorhang, um nach der
großen Arie aus La rondine den Komponisten eiskalt abblitzen zu lassen.
Der Tod Dorias geht Puccini nicht aus dem Kopf und so komponiert er schließlich
in seiner letzten unvollendeten Oper Turandot für sie die Partie der
Sklavin Liù, die für den geliebten Prinzen Calàf den Freitod wählt. Araujo hat
dabei einen bewegenden Auftritt, der unter die Haut geht. Der Abend schließt
dann mit einem Ensemble von "Nessun dorma", das zunächst Forrest und Henley
anstimmen, bevor alle anderen in den Schlussgesang einstimmen. In einem kurzen
Epilog bittet Puccini dann Giuseppe, irgendetwas von ihm zu spielen, und so
kommt noch einmal "O mio babbino caro" vom Anfang. Dieses Mal singt Conolly als
Elvira diese Arie, und bei aller Melancholie und dem Happy End, das es am Ende
für Elvira und Puccini dann doch noch gegeben hat, weil sie schließlich zu ihm
zurückgekehrt ist, lässt Morris immer noch mit bösem Witz den untreuen Puccini
durchscheinen, der die Arie damit kommentiert, er sei nie dafür zu alt gewesen,
von jungen Frauen angehimmelt zu werden.
FAZIT
Zahlreiche bekannte Nummern aus Puccini-Opern werden mit der Biographie absolut
gekonnt zu einer kurzweiligen Geschichte verwoben, die dem Publikum einen
Einblick in das Privatleben des berühmten Komponisten gibt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung und Klavier
Giorgio d'AlonzoInszenierung
William Niall Morris Bühne und Kostüme
Lisa Krugel Licht
Maksym Diedov
Solistinnen und Solisten
*Premierenbesetzung
Puccini
William Niall Morris
Young Puccini
Liam Forrest
Elvira Puccini
Iúnó Connolly
Narciso Gemignani
Philip Kalmanovitch
Doria Manfredi
Isabel Araujo Giulia
Manfredi
Judith Le Breuilly /
*Katie MacDonald Pietro, a Bohemian
Andrew Henley Luigi, a Bohemian
Michael Ferguson Marco, a Bohemian
Meilir Jones Rosa Raisa
Federica Raja Giuseppe
Giorgio d'Alonzo Antonio Puccini
*Marcus Hussey /
Blake Thomas
Tomas Meyler
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