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Wexford Festival Opera
18.10.2024 - 02.11.2024


The Critic or An Opera Rehearsed

Oper in zwei Akten
Libretto von Richard Brinsley Sheridan
arrangiert von L. Cairns James
Musik von Charles Villiers Stanford

In englischer Sprache mit englischen Übertiteln bei den gesungenen Passagen

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im National Opera House in Wexford am 19. Oktober 2024



 

 

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Probenwahnsinn mit heftigem Augenzwinkern

Von Thomas Molke / Fotos: © Patricio Cassinoni

Charles Villiers Stanford gilt zwar als bedeutender irischer Komponist der Spätromantik, der als Musiklehrer die folgende Generation mit seinem Stil stark beeinflusst hat, ist allerdings vor allem durch seine Choralmusik im Bewusstsein geblieben. Obwohl er sich zeit seines Lebens auch immer wieder der Oper gewidmet hat, spielen diese Werke in der Rezeption des Musiktheaters heute kaum noch eine Rolle. Natürlich ist er bei einem Festival wie in Wexford, das sich vergessenen Werken widmet, kein Unbekannter. So wurde hier bereits 1964 seine Shakespeare-Vertonung Much Ado About Nothing gespielt, und 2019 gab es eine konzertante Aufführung seines Opernerstlings The Veiled Prophet. Da sich sein Todestag in diesem Jahr zum 100. Mal jährt und er mit seiner vorletzten Oper The Critic ein Werk geschaffen hat, das wunderbar zum diesjährigen Motto "Theatre within Theatre" passt, darf dieses Stück, das 1916 im Shaftesbury Theatre in London eine begeisterte Uraufführung erlebte, auf dem Spielplan nicht fehlen.

Stanford bearbeitet in The Critic ein Stück, das der irische Schriftsteller Richard Brinsley Sheridan 1779 unter dem Titel The Critic or A Tragedy Rehearsed herausgebracht hat und das von der chaotischen Generalprobe einer Tragödie unter dem Titel The Spanish Armada handelt, dem der äußerst scharfzüngige Kritiker mit dem sprechenden Namen Sneer und sein Möchtegernkollege Dangle uneingeladen beiwohnen. Die Parodie auf patriotische Stücke, mit denen man in Erinnerung an die Zerstörung der spanischen Flotte unter Queen Elizabeth I. den Briten die Angst vor neuen spanischen Angriffen nehmen wollte, wurde ein großer Erfolg. Stanford machte nun aus der Generalprobe der Tragödie die Generalprobe einer Oper, wandelte die Rolle des Dangle in die des Komponisten um und baute so neben dem Konflikt zwischen Darstellerinnen und Darstellern und dem Verfasser des Stückes Puff einen weiteren Konflikt zwischen Text und Musik ein. Sheridans Text ließ er sich dafür von dem Sänger und Schauspieler Lewis Cairns James bearbeiten, so dass einerseits Sheridans satirischer Tonfall erhalten blieb, andererseits die recht ausschweifende Geschichte verkürzt wurde.

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Puff (Mark Lambert, Mitte rechts) erklärt dem Kritiker Sneer (Arthur Riordan, Mitte links) und dem Komponisten Dangle (Jonathan White, Mitte) das Konzept seines Stückes (links und rechts: Andrew Henley und Henry Grant Kerswell als Soldaten).

In einem Vorwort zur gedruckten Partitur der Oper weist Sheridan darauf hin, dass das Stück nur so gespielt werden solle, wie es das Original vorsehe, da jeder Versuch einer Modernisierung oder satirischen Bearbeitung den Humor darin zerstöre. Diese Anweisung hat das Regie-Team um Conor Hanratty ernst genommen und tut sehr gut daran, weil gerade so der Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten werden kann, ohne dabei zu verletzend zu sein. So schwelgen die Kostüme von Massimo Carlotto in herrlicher Opulenz und lassen eine längst vergangene Zeit zurückkehren, die mit langen Männerperücken eine wunderbare Distanz zur Geschichte aufbauen. Die Bühne von John Comiskey schafft eine passende Probenatmosphäre. So sieht man das Bühnenbild zunächst von hinten aus der Sicht der Bühne, während im Hintergrund Logen aufgebaut sind und ein Regie-Tisch, von wo aus Sneer mit Dangle und Puff die Probe beobachten, kommentieren oder unterbrechen. Nach der Pause ist das Bühnenbild gedreht und zeigt einen herrlich kitschigen Blick auf die Festung von Tilbury, wo Königin Elizabeth I. ihre Truppen auf den Sieg gegen die spanische Armada einschwor.

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Dangle (Jonathan White, rechts) und Sneer (Arthur Riordan, 2. von rechts) hinterfragen, wieso Puff (Mark Lambert, 2. von links) Lord Burleigh (Tony Brennan, links) als stumme Rolle angelegt hat.

Um die Probenatmosphäre der Oper aufrechtzuerhalten, sind Puff, Dangle und Sneer reine Sprechrollen, die mit den Sängerinnen und Sängern und dem Dirigenten und dem Orchester in Interaktion treten. Hinzu kommt noch eine Person namens Hopkins, die als "Mädchen für alles" fungiert und am Ende dann noch einen großartigen Auftritt als Königin Elizabeth I. in mondänem Kostüm hat, auch wenn Puff dem Kritiker gegenüber zunächst immer wieder verneint, dass er Elizabeth I. in seiner Oper höchstpersönlich in Erscheinung treten lasse. Stattdessen gibt es eine herrliche Instrumentalszene mit ihrem wichtigsten Berater William Cecil Lord Burleigh, der jedoch nur als stumme Figur auftritt. Sneer wartet ungeduldig darauf, dass der erhaben auftretende Lord (Tony Brennan) endlich das Wort an das Publikum richtet, erhält aber von Puff die sehr amüsante Erklärung, dass allein mit seinen Blicken und der tragenden Musik Dangles alles in dieser Szene gesagt sei. So wartet das Stück mit zahlreichen Spitzen gegen das Regietheater auf, die wahrscheinlich vor allem von Theaterschaffenden gewürdigt und nachempfunden werden können.

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Die Liebesszene zwischen Tilburina (Ava Dodd) und Don Ferolo (Dane Suarez, vorne) gefällt Puff (Mark Lambert, hinten rechts), Dangle (Jonathan White, hinten 2. von rechts) und Sneer (Arthur Riordan, hinten Mitte) noch nicht (auf der linken Seite hinten: Hannah O'Brien als Confidant).

Großartig ist auch der Clou zu Beginn des zweiten Aktes. Hier baut Puff plötzlich eine Geschichte als "Unterhandlung" ein, die mit der eigentlichen Oper in gar keinem Zusammenhang steht, was auch bei modernem Regietheater vorkommen kann. So führt er einen Richter ein, der mit seiner Frau vor Gericht unerwartet mit seinem verlorenen Sohn konfrontiert wird. Es kommt zu einer rührenden Szene, bei der alle in Ohnmacht fallen und anschließend ein fröhliches Wiedersehen feiern. Ansonsten sieht man mit viel Humor und Komik in wenigen Szenen die eigentliche Handlung der einstudierten Oper. Tilburina, die Tochter des Governors der Festung Tilbury hat sich in den gefangenen Spanier Don Ferolo Wiskerandos verliebt, der auch die Herzen der beiden Nichten von Sir Walter Raleigh und Sir Christopher Hatton höher schlagen lässt. Da er sie zugunsten Tilburinas zurückweist, planen die beiden, ihn umzubringen. Das wollen auch Raleigh und Hatton, doch Beefeater, ein weiterer Verehrer Tilburinas, bietet ihnen Einhalt, weil er den Rivalen selbst erledigen will. Es kommt zum Duell zwischen Beefeater und Don Ferolo, bei dem letzterer stirbt. Die Sterbeszene spielt mit einer weiteren Konvention des damaligen Musiktheaters, da Ferolo mitten in seiner Sterbearie abbricht und die Arie dann von Beefeater fortgesetzt wird. Daraufhin verfällt Tilburina dem Wahnsinn und stürzt sich ins Meer.

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Pompöses Abschlussbild: Im einem Kahn küsst Puff (Mark Lambert, vorne) Hopkins als Königin Elizabeth I. (Olga Conway) die Hand (im Hintergrund von links: Rory Dunne als Govenor of Tilbury, Gyula Nagy als Beefeater, Tony Brennan als "Vater Thames", Ben McAteer als Sir Raleigh und Oliver Johnston als Sir Hatton).

Im Anschluss folgt noch eine groß inszenierte Seeschlacht zu Instrumentalmusik, die von Hanratty mit überbordender Komik in Szene gesetzt wird. Mit hellblauen Tüchern lässt Puff dabei Sneer und Dangles das Meer imitieren, während die übrigen Darstellerinnen und Darsteller mit riesigen Schiffen auf den Köpfen, aus denen sogar beim Kampf ein gewisser Nebel aufsteigt, majestätisch durch die Wogen schreiten und wie bei einem kitschigen Ballett in eine Art Menuett-Tanz übergehen. Dann tritt auch noch der Darsteller des Lord Burleigh als "Vater Thames" auf, wobei Sneer die Anspielung zunächst nicht versteht, da die Silben "Tha" und "Mes" von zwei Darstellern in falscher Reihenfolge gehalten werden. In dieses an sich schon kitschige Bild platzt dann auch noch Hopkins als Königin Elizabeth I., und Sneer lässt entgegen seinem Namen seiner Begeisterung für diese Inszenierung freien Lauf.

Das Ensemble beweist große Spielfreude. Für die Sprechrollen sind drei Schauspieler und eine Schauspielerin engagiert, die mit enormem Witz begeistern. Mark Lambert gibt einen herrlich chaotischen Puff, der bei seinen Regieanweisungen teilweise selbst nicht zu wissen weiß, was er eigentlich will, alles aber mit dem größten Brustton der Überzeugung anpreist. Jonathan White macht als Komponist Dangle mit herrlich intrigantem Spiel deutlich, dass er von Puffs Ideen überhaupt nichts hält, auch wenn er immer wieder betont, dass sie beide die besten Freunde seien. Arthur Riordan schießt als Kritiker Sneer eine Spitze gegen das Premierenpublikum ab, wenn er auf die Frage Dangles, wieso er denn unbedingt die Generalprobe und nicht erst die Premiere besuchen wolle, leicht indigniert antwortet, dass er sich ein unvoreingenommenes Urteil bilden wolle, was bei dem heutigen Publikum oft nicht möglich sei. Die Sängerinnen und Sänger changieren gekonnt zwischen ihrer Rolle als Sänger bzw. Sängerin und der Rolle im gespielten Stück. Ava Dodd punktet mit glockenklarem höhensicherem Sopran und zeigt sich, wenn sie von Puff kritisiert wird, als Operndiva sehr zickig. Dane Suarez legt die Partie des umworbenen Spaniers Don Ferolo mit viel Ironie an, besonders im großen Liebesduett mit Dodd und in seiner Sterbeszene. Auch Rory Dunne, Gyula Nagy, Ben McAteer, Oliver Johnston, Meilir Jones, Andrew Henley Hannah O'Brien und Caroly Holt überzeugen in den zahlreichen kleineren Partien mit großartiger Komik.

Ciarán McAuley führt das Orchester des Wexford Festival Opera mit viel Fingerspitzengefühl durch die abwechslungsreiche Partitur, in der Stanford zahlreiche unterschiedliche Stile mit einem Augenzwinkern aufs Korn nimmt. So gibt es am Ende großen, verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Wer behauptet, dass eine klassisch angelegte Inszenierung museal wirken muss, wird hier eines Besseren belehrt. Stanfords Oper begeistert gerade deshalb, weil Hanratty sie so in Szene setzt, wie es der Komponist gewünscht hat.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ciarán McAuley

Inszenierung
Conor Hanratty

Bühne
John Comiskey

Kostüme
Massimo Carlotto

Licht
Daniele Naldi

Chorleitung
Andrew Synnott

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

 

Solistinnen und Solisten

Puff (Sprechrolle)
Mark Lambert

Dangle (Sprechrolle)
Jonathan White

Sneer (Sprechrolle)
Arthur Riordan

Hopkins (Sprechrolle)
Olga Conway

Lord Burleigh (stumme Rolle)
Tony Brennan

Governor of Tilbury Fort / Justice
Rory Dunne

Earl of Leicester / Beefeater
Gyula Nagy

Sir Walter Raleigh
Ben McAteer

Sir Christopher Hatton
Oliver Johnston

Master of the Horse / Constable
Meilir Jones

Don Ferolo Wiskerandos
Dane Suarez

Son
Andrew Henley

Tilburina
Ava Dodd

Confidant / First Niece
Hannah O'Brien

Justice's Lady / Second Niece
Carolyn Holt

 

 


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