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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
18.07.2024 - 28.07.2024


L'italiana in Algeri
(Die Italienerin in Algier)

Dramma giocoso per musica in zwei Akten
Libretto von Angelo Anelli
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Produktion von Passionart und der Filharmonia K. Szymanowskiego Krakowie

Premiere im Königlichen Kurtheater am 21. Juli 2024

 

 

 

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Algier als Dönerbude

Von Thomas Molke / Fotos: © Patrick Pfeiffer

Rossinis L'italiana in Algeri hat sich mittlerweile neben dem Barbiere  und der Cenerentola einen festen Platz im Repertoire der Opernhäuser zurückerobert. Einen bedeutenden Anteil daran dürften nicht zuletzt die schmissige Ouvertüre, das grandiose Finale des ersten Aktes und das urkomische "Pappataci"-Terzett im zweiten Akt haben. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass Rossinis elfte Oper eigentlich in Venedig nur als Lückenbüßer gedient habe, da das ursprünglich geplante Werk von Carlo Coccia, La donna selvaggia, nicht rechtzeitig fertiggestellt worden sei. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass Rossini höchstpersönlich den Impresario Giovanni Gallo gebeten hat, ihm den Kompositionsauftrag zu geben, da seine in Mailand im Jahr zuvor mit überwältigendem Erfolg uraufgeführte Oper La pietra del paragone bei der Wiederaufnahme in Venedig ein Flop war und Rossini diesen Misserfolg wettmachen wollte. Die Zeit, ein neues Libretto zu erstellen, war mit knapp vier Wochen natürlich zu kurz, so dass Rossini auf ein Stück zurückgriff, das Luigi Mosca bereits fünf Jahre zuvor für Mailand vertont hatte (Rossini In Wildbad präsentierte diese Variante übrigens 2003 und brachte auch eine Einspielung auf CD heraus). Mit einigen Überarbeitungen und Anpassungen stand die Oper, die inhaltlich ganz im Trend der damaligen Begeisterung für orientalische Themen lag, über mehrere Wochen erfolgreich auf dem Spielplan.

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Haly (Francesco Bossi, rechts) präsentiert Mustafà (Dogukan Özkan, Mitte) die Italienerin Isabella (Polina Anikina).

Ob die Handlung wirklich auf der wahren Geschichte der Mailänderin Antonietta Frappoli basiert, die 1808 Berühmtheit erlangte, als es ihr aus nicht genau geklärten Gründen gelang, aus der Gefangenschaft im Harem des Bey von Algier über Venedig in ihre Heimatstadt zurückzukehren, oder ob eventuell, wie Paolo Fabbri vermutet, die Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene Komödie La veneziana in Algeri als Vorlage gedient hat, ist heute umstritten. In der Oper ist es der Bey Mustafà, der seiner Frau Elvira überdrüssig ist und glaubt, dass nur eine Italienerin seinen Bedürfnissen nach der "idealen Frau" entsprechen kann. Diese erscheint in Gestalt der schönen Isabella, die in Begleitung ihres ältlichen Verehrers Taddeo von Livorno aufgebrochen ist, um ihren Geliebten Lindoro zu suchen, der als Sklave in Algier beim Bey gefangen gehalten wird. Mit List und Charme gelingt es ihr, sich den Bey gefügig zu machen. Nachdem sie zunächst verhindert hat, dass Mustafà seine bisherige Gattin verstößt und sie dem Sklaven Lindoro zur Frau gibt, ernennt sie ihn anschließend zu einem Pappataci, dessen einzige Beschäftigung darin besteht, zu essen, zu trinken und zu schweigen. Während er diesen Aufgaben nachkommt, bricht sie mit Lindoro, den übrigen italienischen Sklaven und Taddeo zurück nach Italien auf. Zu spät erkennt Mustafà den Betrug und bittet seine Gattin Elvira demütig um Verzeihung.

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Finale 1. Akt: in der Mitte von links: Elvira (Oksana Vakula), Zulma (Camilla Carol Farias), Lindoro (Hyunduk Kim), Mustafà (Dogukan Özkan), Haly (Francesco Bossi), Isabella (Polina Anikina) und Taddeo (Emmanuel Franco), dahinter der Herrenchor

Regisseur Jochen Schönleber erarbeitet die Oper größtenteils mit jungen Talenten der Akademie BelCanto, um das Potenzial der jungen Sängerinnen und Sänger mit den halsbrecherisch rasanten Stellen und zahlreichen weiteren großartigen musikalischen Nummern weiter zu schulen. Außerdem wird eine Aufnahme erstellt, mit der sich die Solistinnen und Solisten an anderen Bühnen für künftige Engagements vorstellen können. Da das Ensemble aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen zusammengestellt ist, ist das Thema Fremdheit in der Oper für die Umsetzung obsolet, so dass die in der Vorlage vorhandenen Klischees absolut überzeichnet werden, sich damit quasi selbst zerlegen und nicht mehr ernst genommen werden können. Da der Sänger des Mustafà ein Türke ist, wird der Spielort Algier kurzerhand in eine türkische Dönerbude verlegt, in der Mustafà ein übertriebenes Macho-Gehabe mit mafiösen Strukturen, was wohl die Piraten ersetzen soll, an den Tag legt. Elvira gibt ein devotes "Weibchen", das Mustafà langweilt. Abwechslung bringt hier die Italienerin, die mit einem kleinen Fiat 126 Bambino im hinteren Teil der Bühne ankommt und sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.

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Lindoro (Hyunduk Kim, rechts) und Taddeo (Emmanuel Franco, links) erklären Mustafà (Dogukan Özkan, Mitte) die Aufgaben eines Pappatacis.

Der Kamaikan, zu dem Mustafà Isabellas vermeintlichen Onkel Taddeo ernennt, um bei Isabella zu punkten, ist dann ein italienischer Koch mit weißer Mütze und einem großen weißen Kochlöffel. Aus Angst vor der Pfählung nimmt Taddeo diese Ehrung auch an. Der Pfahl ist in der Dönerbude ein Dönerspieß, auf dem Taddeo selbstverständlich nicht "gegrillt" werden möchte. Mit wunderbarer Slapstick-Komik hält er sich immer das Hinterteil zu, wenn sich Haly mit dem Spieß nähert. Warum er allerdings in einem Glitzer-Outfit wie ein Zirkusdirektor auftritt, erschließt sich nicht wirklich. Isabella macht optisch einer modebewussten selbstbestimmten Italienerin alle Ehre und gibt Elvira dann optisch auch einige Tipps, die diese im weiteren Verlauf der Oper umsetzt. Trägt Elvira zunächst ein schönes, aber langweiliges orientalisch anmutendes blaues Gewand, verwandelt sie sich im zweiten Akt in eine optisch selbstbewusstere Frau, an der der Bey am Ende vielleicht wieder Gefallen finden kann. Wenn der Bey kurz vor Ende der Oper zum Pappataci ernannt wird, der sich nur mit Essen, Trinken und Schweigen beschäftigen und alles andere nicht beachten soll, sind es natürlich italienische Spaghetti, die ihm serviert werden. Zur Steigerung der Komik verschwindet er unter einem Tisch, aus dem nur sein Kopf wie eine Art Gericht herausragt, so dass er die Nudeln nicht einmal selbst essen kann sondern gefüttert werden muss.

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Isabella (Polina Anikina) und Lindoro (Hyunduk Kim, links) triumphieren mit Taddeo (Emmanuel Franco, rechts) über Mustafà (Dogukan Özkan, Mitte).

Das alles setzt das junge Ensemble mit großer Spielfreude in einer von Schönleber auf den Punkt gebrachten Personenregie wunderbar um. Dogukan Özkan gestaltet den Mustafà mit absolut virilem, dunklem Bass-Bariton und herrlich übertriebenem machohaftem Spiel. Seine strengen Blicke dürfen als durchaus furchteinflößend bezeichnet werden. Dabei setzt er allerdings auch auf große Komik, wenn er schlafend unter seinem blauen T-Shirt einen fülligen Bauch hervorlugen lässt. Besonders witzig setzt er seine Verwandlung in einen Pappataci um, wobei er auch stimmlich mit extrem lauten Tönen die Szene karikiert. Polina Anikina verfügt in der Titelpartie über einen kraftvollen Mezzosopran und überzeichnet darstellerisch die selbstbewusste italienische Frau mit herrlicher Komik. Schon in ihrer Auftritts-Kavatine "Cruda sorte!" macht Anikina mit strahlenden Höhen deutlich, dass diese Frau sich auch in der Fremde zu helfen weiß. Mit großer Leichtigkeit setzt sie ihre Kavatine im zweiten Akt an, in der sie die Flucht mit ihrem Geliebten Lindoro plant. Hyunduk Kim verfügt als Lindoro über einen weichen Tenor, der die Höhen sauber aussingt. Oksana Vakula punktet als Elvira mit leuchtendem Sopran, und darf zu Beginn auch große Gefühlsregungen zeigen. Wenn Mustafà die von ihr zubereiteten Speisen allesamt unfreundlich zurückweist, verliert sie für einen kurzen Moment die Fassung und fegt die Blumen und das Essen vom Tisch. Dieser Moment ist wunderbar auf einen musikalischen Höhepunkt in der Ouvertüre abgestimmt. Auch in den Ensembles glänzt sie stimmlich durch strahlende Höhen.

Als "alter Hase" setzt Emmanuel Franco als Taddeo komische Akzente und punktet mit regelrecht sprudelnden beweglichen Läufen. Mit wunderbarer Komik arbeitet er die Hasenfüßigkeit von Isabellas ältlichem Verehrer heraus und hat am Ende ein echtes Problem, wenn er erkennt, dass Isabella Lindoro und nicht ihn liebt, und er sich kurzfristig entscheiden muss, ob er als Kamaikan beim Mustafà bleibt oder doch lieber ins sichere Italien zurückkehren möchte. In den kleineren Partien zeigen auch Camilla Carol Farias als Zulma und Francesco Bossi als Haly erneut großes komisches Potenzial und punkten stimmlich mit warmem Mezzosopran bzw. dunklem Bariton. José Miguel Pérez-Sierra arbeitet mit dem Orchester der Szymanowski-Philharmonie Krakau die musikalischen Finessen der Partitur mit viel Fingerspitzengefühl heraus und lässt vor allem die großartige Ouvertüre und das erste Finale vor der Pause, das auch vom Ensemble herrlich auf den Punkt gebracht wird, zu einem musikalischen Glanzlicht der Aufführung werden. Die Herren des von Agnieszka Ignaszewska-Magiera einstudierten Chors der Szymanowski-Philharmonie Krakau überzeugen durch große Spielfreude und homogenen Klang. So gibt es für alle Beteiligten am Schluss verdienten Jubel.

FAZIT

Das musikalische Niveau dieser Produktion lässt keine Wünsche offen und dürfte für die jungen Talente eine gute Visitenkarte für künftige Engagements sein.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
José Miguel Pérez-Sierra

Regie und Bühnenbild
Jochen Schönleber

Regieassistenz
Eleonora Calabrò

Kostüme
Olesja Maurer

Licht
Marcel Hahn

Einstudierung Chor
Agnieszka Ignaszewska-Magiera

 

Orchester der
Szymanowski-Philharmonie Krakau
(Leitung: Alexander Humala)

Musikalische Assistenz und Tafelklavier
Gianluca Ascheri

Chor der
Szymanowski-Philharmonie Krakau
(Leitung: Piotr Piwko)


Solistinnen und Solisten

Mustafà, Bey von Algier
Dogukan Özkan

Elvira, seine Frau
Oksana Vakula

Zulma, Vertraute Sklavin Elviras
Camilla Carol Farias

Haly, Kapitän der algerischen Piraten
Francesco Bossi

Lindoro, junger Italiener
Hyunduk Kim

Isabella
Polina Anikina

Taddeo, Begleiter Isabellas
Emmanuel Franco

Eunuchen des Serails / Algerische Piraten /
Italienische Sklaven
Männerchor

 


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