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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
18.07.2024 - 28.07.2024


Ersatzkonzert
statt
Die zwei Gesichter des Gilbert-Louis Duprez

Musik von Gioachino Rossini und Gaetano Donizetti

In italienischer und französischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln im zweiten Teil

Aufführungsdauer: ca. 2 h 10' (eine Pause)

Aufführung in der Trinkhalle am 24. Juli 2024

 

 

 

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Barbiere-Querschnitt als gelungenes Ersatzprogramm

Von Thomas Molke / Fotos: © Rossini in Wildbad

Eigentlich war beim Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad in diesem Jahr der Auftakt einer neuen Reihe geplant, die sich in einem Konzert jeweils einem Ausnahme-Tenor des Belcanto widmen sollte. Nachdem bereits 2016 der Tenor Maxim Mironov ein Festkonzert mit Arien für Giovanni Battista Rubini präsentiert und Vittorio Prato ein Jahr später eine Hommage an den Bariton Antonio Tamburini vorgestellt hatte, sollte dies nun institutionalisiert werden. Den Beginn sollte eigentlich ein Konzert mit Arien für den Tenor Giovanni David machen. Da der geplante Sänger aber absagen musste, wurde stattdessen ein Abend über den Tenor Gilbert-Louis Duprez auf das Programm gestellt, da mit Mert Süngü in diesem Jahr ein Solist zur Verfügung stand, dessen Tenor der Stimmfarbe Duprez' relativ ähnlich sein soll. Da Duprez nicht nur als Sänger sondern auch als Komponist Erfolge feiern konnte, sollten die zwei Gesichter des Gilbert-Louis Duprez vorgestellt werden. Dafür hatte man Alessandro De Marchi engagiert, der zum einen das Orchester musikalisch leiten und einzelne Lieder am Klavier begleiten sollte. Zu Festival-Beginn musste De Marchi aber wegen eines nicht verschiebbaren Termins das Konzert absagen, so dass man zwar einen Duprez-Interpreten aber keinen Pianisten und Dirigenten mehr hatte. José Miguel Pérez-Sierra erklärte sich kurzfristig bereit, für die musikalische Leitung einzuspringen. Für die Einstudierung der Lieder am Klavier reichte jedoch die Zeit nicht aus, so dass man aus der Not eine Tugend machte und mit weiteren Solistinnen und Solisten kurzerhand einen Querschnitt aus Rossini-Opern mit dem Schwerpunkt auf Il barbiere di Siviglia zusammenstellte.

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Mert Süngü (links) als "französischer" Othello mit Dogukan Özkan (rechts) als Iago

Vom ursprünglich geplanten Konzert, das auf jeden Fall bei einem folgenden Festival nachgeholt werden soll, blieben zwei Arien übrig, die sich gut in den neuen Abend integrieren ließen. Eine Arie stammt dabei nicht von Rossini sondern aus Donizettis Oper Lucia di Lammermoor, in der Duprez in Neapel bei der Uraufführung 1835 als Edgardo erste große Erfolge feierte. Süngü präsentiert daraus die Arie "Fra poco a me ricovero" aus dem dritten Akt. Edgardo hat erkannt, dass Lucia ihm nicht die Treue gebrochen hat und nun dem Tode nahe ist. Auch er will seinem Leben ein Ende setzen. Mit zarten Tönen macht Süngü die Verzweiflung des jungen Mannes spürbar. Die zweite Arie aus dem ursprünglichen Abend stammt aus einer französischen Bearbeitung von Rossinis Othello, die 1844 mit Duprez in Paris zur Aufführung gelangte. Süngü präsentiert Othellos Kavatine aus dem ersten Akt "À vous mon bras, mon âme", in der er hofft durch seinen militärischen Erfolg von Desdemonas Vater Elmiro als Gatte für seine Tochter akzeptiert zu werden. Dass er in dieser Version von Dogukan Özkan als Iago begleitet wird, verwundert ein wenig, da Iago bei Rossini als Tenor angelegt ist, es sich bei Özkan jedoch um einen Bass-Bariton handelt.

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Polina Anikina als Tancredi

Eingerahmt werden diese beiden musikalischen Nummern im ersten Teil von zwei schmissigen Rossini-Ouvertüren und der Auftrittsarie des Tancredi aus Rossinis gleichnamiger Oper. Schon bei der Ouvertüre aus La Cenerentola macht die Szymanowski-Philharmonie Krakau unter der Leitung von José Miguel Pérez-Sierra deutlich, dass das Orchester in ganzer Linie auf Belcanto eingestellt ist, und reißt den Saal mit herrlich frischem Klang mit. Das Gleiche gilt für die fulminant interpretierte Ouvertüre aus Rossinis Guillaume Tell am Ende des ersten Teils des Abends, mit der die Musikerinnen und Musiker das Publikum regelrecht von den Sitzen heben. Zwischen den beiden von Süngü interpretierten Arien tritt Polina Anikina in der Auftrittsarie des Tancredi auf. Wie schon als Isabella in der diesjährigen Festival-Produktion von L'italiana in Algeri begeistert Anikina mit kraftvollem Mezzosopran, der beim berühmten "Di tanti palpiti" eine großartige Flexibilität zeigt.

Nach der Pause gibt es sogar eine komplette italienische und deutsche Übertitelung der Musiknummern. Das liegt aber vor allem daran, dass nun Auszüge aus Rossinis wohl bekanntester Oper Il barbiere di Siviglia kommen, die im vergangenen Jahr als Produktion auf dem Spielplan des Festivals stand. In gewisser Weise hat dieser Teil auch noch einen Bezug zu dem Tenor Duprez, weil dieser 1825 als Almaviva am Théâtre de l'Odéon in Paris debütierte, bevor er nach Italien und Neapel ging, um hier seine Gesangstechnik zu vervollkommnen. Auf die für Manuel García komponierte große Schluss-Arie "Cessa di più resistere" wird an diesem Abend allerdings verzichtet. Wahrscheinlich hat Duprez sie 1825 bei seinem Debüt ebenfalls nicht gesungen, da er sonst vielleicht bereits vor seiner Zeit in Italien in Frankreich größere Erfolge hätte feiern können. Dafür hat man aber bei der Zusammenstellung des Programms direkt zwei Sänger zur Verfügung gehabt, die beide bereit waren, die Titelpartie zu übernehmen, so dass es quasi wie in Michele Carafas I due Figaro, die hier in Bad Wildbad vor 18 Jahren zur Aufführung gelangte, auch im Konzert gewissermaßen "zwei Figaros" gibt.

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Francesco Bossi als Figaro

Den Anfang macht ein Stipendiat der Akademie BelCanto, der nicht nur im vergangenen Jahr in der szenischen Produktion des Barbiere als Fiorello zu erleben war, sondern auch mit dem Internationalen Belcanto Preis ausgezeichnet wurde und deshalb in diesem Jahr als Haly in L'italiana in Algeri und Gouverneur und Giacomo in der konzertanten Aufführung von Michele Carafas Masaniello zurückgekehrt ist: Francesco Bossi. Mit großem Spielwitz präsentiert er die berühmte Auftrittskavatine Figaros "Largo al factotum" und zeigt mit herrlich beweglichen Läufen, dass er der Partie absolut gewachsen ist. Großartige Komik versprüht er auch in der folgenden Canzone des Almaviva, in der er dem Grafen Tipps gibt, wie er bei der Angebeteten Rosina landen kann. Süngü spielt dazu als Almaviva selbst die Gitarre, während Anikina als Rosina von der Seite ihre Begeisterung für den vermeintlichen Lindoro kaum unterdrücken kann. Weiter geht es mit dem Duett "All'idea di quel metallo", in dem Figaro gegen eine kräftige Entlohnung einen - wenn auch nicht von Erfolg gekrönten - Plan entwickelt, wie Almaviva bei Rosina landen kann. Auch hier begeistern Bossi und Süngü musikalisch mit schnellen, perfekt sitzenden Läufen und komödiantischem Spiel.

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Emmanuel Franco (links) als Figaro, Polina Anikina als Rosina und Mert Süngü (rechts) als Almaviva nach dem Terzett

Nachdem Dogukan Özkan, der in L'italiana in Algeri einen herrlich machohaften Mustafà mimt, die Verleumdungs-Arie des Don Basilio zum besten gegeben hat und mit dunklem Bass-Bariton den Donner, in den sich das Lüftchen der "calunnia" verwandelt hat, mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht hat, übernimmt der Vollblut-Komödiant Emmanuel Franco, der sein komisches Talent bereits im ersten Teil als Dandini unter Beweis stellen konnte, der in Verkleidung als Don Ramiro am Hof die Gäste zum Ball empfangen hat, die Partie des Figaro. Zunächst versucht er Anikina als Rosina zu überreden, dem verliebten Lindoro ein Liebesbriefchen zukommen zu lassen, und muss dabei feststellen, dass die junge Frau mit allen Wassern gewaschen ist. Den Abschluss des Abends bildet dann das Terzett aus dem zweiten Akt, in dem Rosina und Almaviva endlich zueinander gefunden haben und Figaro verzweifelt versucht, die beiden Liebenden zum Aufbruch zu bewegen. Auch hierbei sprüht Franco vor Spielwitz und punktet mit kraftvollem beweglichem Bariton. So gibt es am Ende großen Applaus für ein Konzert, das den Titel "Ersatz" eigentlich nicht verdient.

FAZIT

Rossini geht immer. Das zeigt das relativ kurzfristig zusammengesetzte Programm, das den eigentlichen Abend über den Tenor Gilbert-Louis Duprez ersetzte.

Weitere Rezensionen zu Rossini in Wildbad 2024

Programm des Konzertes

Gioachino Rossini: La Cenerentola:
Ouvertüre
Kavatine des Dandini "Come un'ape nei giorni d'aprile" (Emmanuel Franco)

Gioachino Rossini: Othello:
Kavatine des Othello "À vous mon bras, mon âme" (Mert Süngü mit Dogukan Özkan als Iago)

Gioachino Rossini: Tancredi:
Auftrittsarie des Tancredi "Oh patria! - Tu che accendi - Di tanti palpiti" (Polina Anikina)

Gaetano Donizetti: Lucia di Lammermoor:
Arie des Edgardo "Fra poco a me ricovero" (Mert Süngü)

Gioachino Rossini: Guillaume Tell:
Ouvertüre

Gioachino Rossini: Il barbiere di Siviglia:
Ouvertüre
Kavatine des Figaro "Largo al factotum della città" (Francesco Bossi)
Canzone des Conte Almaviva "Se il mio nome saper vor bramate" (Mert Süngü mit Polina Anikina als Rosina und Francesco Bossi als Figaro)
Duett Almaviva - Figaro "All'idea di quel metallo" (Mert Süngü - Francesco Bossi)
Arie des Don Basilio "La calunnia è un venticello" (Dogukan Özkan)
Duett Rosina - Figaro "Dunque io son... tu non m'inganni?" (Polina Anikina - Emmanuel Franco)
Terzett Rosina - Almaviva - Figaro "Ah! qual colpo inaspettato" (Polina Anikina - Mert Süngü - Emmanuel Franco)




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Ausführende

Musikalische Leitung
José Miguel Pérez-Sierra

Szymanowski-Philharmonie Krakau
(Leitung: Alexander Humala)

Polina Anikina, Mezzosopran

Mert Süngü, Tenor

Francesco Bossi, Bariton

Emmanuel Franco, Bariton

Dogukan Özkan, Bass-Bariton

 


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