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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Klangvokal 2025 Musikfestival Dortmund 01.06.2025 - 22.06.2025
Poro, re dell'Indie in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause) Aufführung im Konzerthaus Dortmund am 19. Juni 2025, 18.00 Uhr |
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Eifersüchteleien in der Antike Von Thomas Molke / Fotos: © Oliver Hitzegrad Fast 10 Jahre lang galt Händel in London als der unangefochtene Star, der der italienischen Oper zu riesigem Glanz verhalf. Dann riss seine Erfolgssträhne vorübergehend. Der Starkastrat Senesino verließ Händels "Royal Academy of Music", und die englischsprachige Beggar's Opera, die die italienische Oper karikierte, erfreute sich wachsender Beliebtheit, so dass Händels Unternehmen 1728 schließlich Bankrott machte. Doch Händel gab nicht auf und eröffnete bereits ein Jahr später die zweite "Royal Academy of Music", mit der er nach seinen ersten beiden Werken Lotario und Partenope mit seiner 21. Oper Poro, re dell'Indie schließlich an seine früheren Erfolge anknüpfen konnte, zumal es ihm auch gelang, für diese Produktion erneut Senesino zu engagieren. Allein in der Spielzeit 1731 gab es 15 Aufführungen. In den folgenden Spielzeiten wurde das Werk nicht nur in London wiederholt, sondern auch an anderen Bühnen übernommen. So lief die Oper beispielsweise ab 1732 fünf Jahre lang erfolgreich unter der Leitung von Georg Philipp Telemann an der Hamburger Gänsemarktoper und wurde auch am Braunschweiger Hof mit großem Erfolg gespielt. Dort erlebte das Werk dann auch 1928 unter dem Titel König Porus mit deutschem Text von Hans Dütschke seine erste moderne Wiederaufführung. Im Rahmen der Händel-Renaissance hat es sich aber im Gegensatz zu anderen Werken noch nicht wieder durchsetzen können und führt ein Schattendasein. Max Emanuel Cenčić, der es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht hat, barocke Perlen dem Vergessen zu entreißen, tourt nun mit einem hochkarätigen Ensemble in einer konzertanten Aufführung der Oper von den Händel-Festspielen in Halle (siehe auch unsere Rezension) über Dortmund bis zum Theater an der Wien, um dem Stück wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Oper basiert auf einem Libretto von Pietro Metastasio, das erstmals von Leonardo Vinci vertont wurde und im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts als Grundlage für mehr als 60 Musiktheaterwerke diente, und handelt von der Eroberung Indiens durch Alexander den Großen (Alessandro). Händel verschiebt den Schwerpunkt im Gegensatz zu den meisten anderen Vertonungen allerdings auf Alessandros Widersacher, den indischen König Poro (Poros). Historischer Fakt ist, dass Alexander der Große in der Schlacht bei Hydaspes, einem Nebenfluss des Indus, den indischen König gefangen nahm und ihn, beeindruckt von seinem Mut, freiließ und wieder in seine Rechte einsetzte. Der Rest der Operngeschichte beruht auf freier Erfindung. Zwar gab es auch die Königin Cleophis (Cleofide), die über Beira herrschte und von Alexander begnadigt wurde, als sie ihm ihren kleinen Sohn zu Füßen legte. Die ständigen Eifersüchteleien zwischen ihr und Poro sind allerdings genauso der Opernkonvention geschuldet wie die Verwicklungen um den indischen Feldherrn Gandarte, der Poros Schwester Erissena liebt und mit Poro die Rollen tauscht, um seinen König vor der Gewalt der Makedonier zu bewahren, während Poro in der Verkleidung als Asbite einen Anschlag auf Alessandro plant. Dabei wird Poro von Timagene, einem Gefolgsmann Alessandros, unterstützt, der aus Liebe zu Erissena bereit ist, Alessandro zu hintergehen. Am Ende vergibt Alessandro allen in seiner unendlichen Güte. Jubelnder Schluss-Chor: von links: Martyna Pastuszka, Julia Lezhneva als Cleofide, Rémy Brès-Feuillet als Gandarte, Lucile Richardot als Erissena und Timothy Edlin als Timagene Dass die Liebesgeschichte um Poro und Cleofide bei Händel mehr im musikalischen Zentrum steht als Alessandro, wird schon in der Besetzung der Uraufführung vom 2. Februar 1731 im King's Theatre am Haymarket in London deutlich. So sang der Starkastrat Senesino nicht wie ein paar Jahre zuvor in Händels Alessandro den makedonischen König, sondern die Titelpartie des Poro, während Cleofide von Anna Maria Strada del Pò interpretiert wurde, die ebenfalls in zahlreichen Händel-Partien in London brillierte. Alessandro hingegen wurde "nur" mit einem Tenor besetzt, auch wenn seine Arien anspruchsvolle Koloraturpassagen enthalten, die im Vergleich zu den anderen Partien musikalisch aber doch eher blass bleiben. Begleitet wird der Abend von Martyna Pastuszka mit dem von ihr 2012 gegründeten {oh!} Orkiestra, das sich nicht nur in Polen sehr schnell zu einem führenden Orchester etabliert hat, das auf historische Aufführungspraxis spezialisiert ist, sondern auch bei zahlreichen Barock-Festivals im In- und Ausland ein gern gesehener Gast ist. Mit viel Gefühl begeistert Pastuszka dabei auch noch an der Solo-Violine und findet immer wieder Momente, besondere musikalische Nuancen aus der Partitur herauszuarbeiten. Dabei strahlt sie nicht nur eine Begeisterung aus, die sich unweigerlich auf das Publikum überträgt, sondern stimmt am Ende auch noch gesanglich in den Schluss-Chor ein. Doch nicht nur das Orchester und Pastuszka liefern Barock-Klang vom Feinsten. Auch die Solistinnen und Solisten lassen an diesem Abend keine Wünsche offen. So gibt es nach jeder einzelnen Arie Szenenapplaus. Da ist zunächst Julia Lezhneva in der Partie der Cleofide zu nennen. Mit ihrem strahlend fließenden Sopran brilliert sie in jeder einzelnen Arie mit einer Koloratur-Akrobatik, die dem Publikum den Atem stocken lässt. Welche Oktavsprünge sie dabei bewältigt und wie sie im wiederholten A-Teil mit stimmlichen Variationen spielt, löst im Saal regelrechte Begeisterungsstürme aus. Zu erwähnen ist ihre Arie im zweiten Akt, "Se il ciel mi divide". Hier sehnt sich Cleofide in dem Glauben, dass Poro gestorben ist, mit intensiven Tönen den Tod herbei und wird dabei von der Solo-Violine eindrucksvoll begleitet. Ein bombastisches Koloraturfeuerwerk zündet Lezhneva dann im dritten Akt mit der Bravour-Arie "Scoglio d'immota fronte", die aus Händels Oper Scipione vor dem letzten Duett und Schlusschor eingefügt ist. Hier jubiliert die Königin mit exorbitanten Oktavsprüngen und enormer stimmlicher Beweglichkeit über die glückliche Wiedervereinigung mit ihrem Geliebten Poro und wird zu Recht vom Publikum frenetisch gefeiert. Poro (Max Emanuel Cenčić) und Cleofide (Julia Lezhneva) haben Stress miteinander. Max Emanuel Cenčić stattet die Titelpartie mit samtweichem Countertenor aus, der auch in den Höhen recht viril klingt und eine große Flexibilität in den Koloraturen besitzt. Dabei spielt er die ständige Eifersucht des indischen Königs, der stets glaubt, dass seine Geliebte Cleofide sich eher für Alessandro als für ihn interessiert, auch mimisch wunderbar aus. Wenn er Alessandro in seiner ersten Arie "Vedrai con tuo periglio" prophezeit, dass dieser die ihm gewährte Gnade bereuen wird, begeistert Cenčić mit großartigen Läufen. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist seine letzte Arie, "Dov'è? s'affretti", wenn er sich von Cleofide verraten glaubt, weil sie eingewilligt hat, Alessandro zu heiraten. Cenčićs intensive Gestaltung des Leids des indischen Königs geht dabei unter die Haut. In den Duetten liefern sich Cenčić und Lezhneva einen grandiosen Schlagabtausch, zeigen aber in den gefühlvollen Passagen, wie sehr ihre Stimmen miteinander harmonieren. Am Ende des ersten Aktes wirken sie beinahe wie ein altes Ehepaar, was sie auch bei ihrem Abgang zu unterschiedlichen Seiten deutlich machen. Beim Duett "Caro, dolce" im zweiten Akt finden sie dann dagegen in einer bewegenden Innigkeit zueinander und jubilieren im dritten Akt am Ende mit flexiblen Höhen, bevor ihre Freude in den allgemeinen Jubelchor übergeht. Gandarte (Rémy Brès-Feuillet) macht Erissena (Lucile Richardot) Vorwürfe. Doch auch für das zweite Paar des Abends hält Händels Partitur einige musikalische Perlen bereit. Da ist zunächst Poros Schwester Erissena zu nennen, die von der Eifersucht ihres Geliebten Gandarte genervt ist und sich nicht verbieten lassen will, Alessandro ebenfalls sehr attraktiv zu finden. Lucile Richardot legt die Partie in den ersten beiden Arien sehr spöttisch an, wenn sie deutlich macht, dass ihr das ständige Gerede von der Todessehnsucht aus Liebeskummer auf die Nerven geht. Ihr dunkel gefärbter Mezzosopran harmoniert dabei wunderbar mit der Abgeklärtheit der Erissena, was Richardot darstellerisch mit wunderbarer Mimik unterstreicht. Im weiteren Verlauf muss sie allerdings erkennen, dass sie keineswegs so kalt und abgebrüht ist, wie sie sich am Anfang präsentiert hat, und wird durch ihre innigen Gefühle für Gandarte schließlich sehr empfindsam. Einen ganz anderen Ton schlägt sie in ihrer letzten Arie "Son confusa pastorella" an, wenn sie sich mit einem verwirrten Hirtenmädchen im dunklen Wald vergleicht, das ohne Fackel den Weg zurück zum Dorf nicht finden wird. Hier tritt sie in einen betörenden Dialog mit der Flöte, und der Rest des Orchesters zaubert einen arkadischen Klang der Natur. Rémy Brès-Feuillet, der in diesem Jahr bei den Internationalen Händel-Festspielen in Karlsruhe mit dem 1. Preis beim neu eingeführten Farinelli-Wettbewerb ausgezeichnet worden ist, begeistert als Gandarte mit warmem und weichem Countertenor und macht Poro ein wenig den "Helden"-Status streitig, wenn er sich in voller Opferbereitschaft als indischer König ausgibt. Einen musikalischen Höhepunkt stellt seine Arie am Ende des zweiten Aktes dar, wenn er sich zur Begleitung der Solo-Flöte wünscht, in Erissenas Nähe zu sterben. Bei so vielen Emotionen und musikalischen Gefühlswallungen muss die buchstäbliche Milde des Alessandro ein wenig blass bleiben. Hugo Hymas macht in der Partie das Beste daraus und punktet mit sauber geführtem Tenor, der in den schnellen Läufen eine enorme Beweglichkeit besitzt. Dass er nicht so glänzen kann wie die anderen, ist eher Händels Partitur als den gesanglichen Qualitäten des jungen Briten geschuldet. Timothy Edlin rundet als Timagene mit dunkel geführtem Bass-Bariton das Ensemble wunderbar ab. In seinen beiden Arien zeigt er in den Läufen eine enorme Flexibilität. Im Ruhrgebiet freut man sich, dass er nach seinem Engagement im Opernstudio NRW in der Zeit von 2019 und 2021 nun in dieser Partie an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückkehrt. So gibt es am Ende großen Jubel und stehende Ovationen, der das Ensemble wie schon bei der Aufführung in Halle dazu bringt, das Schluss-Duett und den anschließenden Chor noch einmal als Zugabe zu präsentieren, so dass das Publikum mit dieser eingängigen Melodie im Ohr in den späten Abend entlassen wird. FAZIT Diese Oper bietet eigentlich sehr viel Potenzial für eine szenische Umsetzung. Vielleicht kommt es ja bald zumindest bei einem der drei Händel-Festspiele in Deutschland nicht nur zu einer konzertanten Aufführung. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2025
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AusführendeMusikalische Leitung und Violine {oh!} Orkiestra
Solistinnen und Solisten
Poro
Cleofide, Poros Geliebte
Erissena, Poros Schwester
Gandarte, Feldherr von Poros Truppen
Alessandro il Grande
Timagene, Vertrauter Alessandros
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- Fine -