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Musikfestspiele
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Händel-Festspiele 2025 in Halle (Saale)

06.06.2025 - 15.06.2025

Poro, re dell' Indie

Oper in drei Akten (HWV 28)
Libretto von einem unbekannten Bearbeiter nach Alessandro nell' Indie von Pietro Metastasio, Rom 1730, zur Musik von Leonardo Vinci
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 35' (eine Pause)

Konzertante Aufführung in der Konzerthalle Ulrichskirche in Halle am 7. Juni 2025

 

 

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Von der Milde des Alexander

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Ziegler

Nachdem Georg Friedrich Händel mit seinen beiden Opern Lotario und Partenope nicht an seine früheren Erfolge in London anknüpfen konnte, gelang es ihm mit seiner 21. Oper Poro, re dell' Indie in der Auftaktsaison der zweiten Royal Academy of Music ein weiteres Mal die Begeisterung des Publikums für die italienische Oper zu wecken, was nicht nur zahlreiche Wiederaufnahmen in London belegen, sondern auch die Übernahme auf deutsche Bühnen nach sich zog. So lief das Werk beispielsweise ab 1732 fünf Jahre lang erfolgreich unter der Leitung von Georg Philipp Telemann an der Hamburger Gänsemarktoper. Auch am Braunschweiger Hof erfreute sich das Werk großer Beliebtheit. In Braunschweig erlebte das Werk dann auch 1928 unter dem Titel König Porus mit deutschem Text von Hans Dütschke seine erste moderne Wiederaufführung, nachdem Händels Opernwerke nahezu 150 Jahre von den Spielplänen verschwunden waren. Max Emanuel Cencic, der bei dem von ihm ins Leben gerufenen Bayreuth Baroque Festival 2022 eine opulente Wiederentdeckung von Vincis Oper Alessandro nell' Indie gefeiert hat (siehe auch unsere Rezension), präsentiert nun mit dem {oh!} Orkiestra unter der Leitung von Martyna Pastuszka in einer konzertanten Aufführung die Vertonung des gleichen Stoffes von Georg Friedrich Händel zunächst bei den Händel-Festspielen in Halle an der Saale und knapp zwei Wochen später noch beim Klangvokal Musikfestival in Dortmund.

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von links: Julia Lezhneva als Cleofide, Lucile Richardot als Erissena, Max Emanuel Cencic als Poro, Martyna Pastuszka, Rémy Brès-Feuillet als Gandarte, Timothy Edlin als Timagene und Hugo Hymas als Alessandro

Die Oper handelt von der Eroberung Indiens durch Alexander den Großen (Alessandro) und verschiebt den Schwerpunkt im Gegensatz zu Vincis Oper auf Alessandros Widersacher, den indischen König Poro (Poros). Während die Begebenheit historisch belegt ist, dass Alexander der Große in der Schlacht bei Hydaspes, einem Nebenfluss des Indus, den indischen König Poros gefangen nahm und ihn, beeindruckt von seinem Mut, freiließ und wieder in seine Rechte einsetzte, beruht der Rest der Geschichte auf freier Erfindung. Zwar gab es auch die Königin Cleophis (Cleofide), die über Beira herrschte und von Alexander dem Großen begnadigt wurde, als sie ihm ihren kleinen Sohn zu Füßen legte. Dass sie allerdings Poros Geliebte ist, die in ihren politischen Verhandlungen mit dem tugendhaften Alessandro wesentlich erfolgreicher als der stets nach Konfrontation strebende Poro ist, ist lediglich der Opern-Konvention geschuldet. Dem eifersüchtigen Poro muss sie dabei stets aufs Neue ihre Treue beweisen und kann ihn schlussendlich nur von ihrer Liebe zu ihm überzeugen, da sie bereit ist, dem Geliebten in den Tod zu folgen. Ergänzt werden diese Verwicklungen noch durch den indischen Hauptmann Gandarte, der Poros Schwester Erissena liebt und sich für Poro ausgibt, um seinen König vor der Gewalt der Makedonier zu bewahren, und Timagene, einen Gefolgsmann Alessandros, der aus Liebe zu Erissena bereit ist, Alessandro zu hintergehen und die Inder zu unterstützen. Aber auch ihm vergibt Alessandro am Schluss in seiner unendlichen Güte.

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Poro (Max Emanuel Cencic) und Cleofide (Julia Lezhneva) haben Streit, weil Poro so eifersüchtig ist.

Dass Poro und Cleofide bei Händel mehr im musikalischen Zentrum stehen als Alessandro wird schon in der Besetzung der Uraufführung vom 2. Februar 1731 im King's Theatre am Haymarket in London deutlich. So übernahm der Starkastrat Senesino die Titelpartie des indischen Königs, während Cleofide von Anna Maria Strada del Pò interpretiert wurde, die ebenfalls in zahlreichen Händel-Partien in London brillierte. Alessandro hingegen ist "nur" mit einem Tenor besetzt, auch wenn seine Arien anspruchsvolle Koloraturpassagen enthalten, die im Vergleich zu den anderen beiden zentralen Partien musikalisch aber doch eher blass bleiben. Martyna Pastuszka begleitet den Abend mit dem von ihr 2012 gegründeten {oh!} Orkiestra, das sich nicht nur in Polen sehr schnell zum führenden Orchester etabliert hat, das auf historische Aufführungspraxis spezialisiert ist, sondern auch bei den zahlreichen Barock-Festivals im In- und Ausland ein gern gesehener Gast ist. Mit viel Verve spielt Pastuszka dabei auch noch die Solo-Violine und findet immer wieder Momente, besondere musikalische Nuancen aus der Partitur herauszuarbeiten. Dabei strahlt sie eine Begeisterung aus, die sich unweigerlich auf das Publikum überträgt. Für das Orchester ist die Akustik in der Konzerthalle Ulrichskirche hervorragend. Was den Gesang betrifft, hängt es wohl vom Sitzplatz ab, da der Hall der Kirche einiges ein wenig verzerrt.

Sieht man von diesen kleinen Einschränkungen ab, lässt das Ensemble an diesem Abend keine Wünsche offen, was wohl auch deshalb zu einer Länge von gut dreieinhalb Stunden inklusive Pause führt, da es nach jeder einzelnen Arie Szenenapplaus für die Solistinnen und Solisten gibt. Da ist zunächst Julia Lezhneva in der Partie der Cleofide zu nennen. Mit ihrem strahlend fließenden Sopran brilliert sie in jeder einzelnen Arie. Einen besonderen Höhepunkt stellt ihre Arie im zweiten Akt dar, "Se il ciel mi divide". Hier sehnt sich Cleofide in dem Glauben, dass Poro gestorben ist, mit intensiven Tönen den Tod herbei und wird dabei von der Solo-Violine eindrucksvoll begleitet. Ein bombastisches Koloraturfeuerwerk zündet Lezhneva dann im dritten Akt in ihrer Bravour-Arie "Scoglio d'immota fronte", die an das Ende vor dem letzten Duett und Schlusschor gestellt ist, und in der die indische Königin über die glückliche Wiedervereinigung mit ihrem Geliebten Poro jubiliert. Hier "tanzt" Lezhneva regelrecht in atemberaubenden Koloraturen mit enormer Beweglichkeit und gewaltigen Oktavsprüngen und wird zu Recht vom Publikum frenetisch gefeiert.

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Poro (Max Emanuel Cencic, Mitte) zwischen Alessandro (Hugo Hymas, rechts) und Timagene (Timothy Edlin, links)

Max Emmanuel Cencic stattet die Titelpartie mit samtenem Countertenor aus, der auch in den Höhen recht viril klingt und eine große Beweglichkeit in den Koloraturen besitzt. Wenn er Alessandro in seiner ersten Arie "Vedrai con tuo periglio" prophezeit, dass Alessandro die ihm gewährte Gnade bereuen wird, begeistert Cencic mit großartigen Läufen. Ein weiterer Höhepunkt ist seine letzte Arie, "Dov'è? s'affretti", wenn er sich von Cleofide verraten glaubt. Cencics intensive Gestaltung des Leids des indischen Königs geht dabei unter die Haut. Auch in den Duetten zeigen Cencic und Lezhneva, dass ihre Stimmen wunderbar miteinander harmonieren. Wenn sie sich am Ende des ersten Aktes einen eifersüchtigen Schlagabtausch liefern, wirken sie beinahe wie ein altes Ehepaar. Im zweiten Akt finden sie dann in "Caro, dolce" zu einer bewegenden Innigkeit und jubilieren am Schluss mit flexiblen Höhen, bevor die allgemeine Freude in den Jubelchor übergeht. Dass Hugo Hymas als Alessandro mit seinem sauber geführten Tenor neben Lezhneva und Cencic recht blass bleibt, ist eher der Partitur Händels geschuldet als den gesanglichen Fähigkeiten des Sängers.

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Lucille Richardot als Erissena

Mehr bietet die Partitur da schon für Poros Schwester Erissena und ihren Geliebten Gandarte. Lucile Richardot legt die Partie der Erissena in den ersten beiden Arien recht spöttisch an, wenn sie deutlich macht, dass ihr das ständige Gerede von der Todessehnsucht aus Liebeskummer auf die Nerven geht. Im weiteren Verlauf der Oper muss sie allerdings erkennen, dass sie keineswegs so kalt und abgebrüht ist, wie sie sich am Anfang präsentiert, und wird durch ihre innigen Gefühle für Gandarte schließlich sehr empfindsam. Deutlich wird das in ihrer letzten Arie "Son confusa pastorella", wenn sie sich mit einem verwirrten Hirtenmädchen im dunklen Wald vergleicht, das ohne Fackel den Weg zurück nicht finden wird. Hier tritt sie in einen betörenden Dialog mit der Flöte. Rémy Brès-Feuillet begeistert als ihr Geliebter Gandarte mit warmem und weichem Countertenor. Ein Höhepunkt ist seine Arie am Ende des zweiten Aktes, wenn er sich von der Solo-Flöte begleitet wünscht, in Erissenas Nähe zu sterben.

Die Partie des Timagene wird in der konzertanten Aufführung aufgewertet, weil er zwei Arien singt, die beide nicht im Programmheft abgedruckt sind (und auch in der konzertanten Aufführung bei den Händel-Festspielen 2012 in der Georg-Friedrich-Händel-Halle nicht gespielt worden sind). Timothy Edlin überzeugt mit dunkel geführtem Bass-Bariton und zeigt in den Läufen eine enorme Flexibilität. So gibt es am Ende großen Jubel und stehende Ovationen, der das Ensemble dazu bringt, das Schluss-Duett und den anschließenden Chor noch einmal als Zugabe zu präsentieren, so dass das Publikum mit dieser eingängigen Melodie im Ohr in die Nacht entlassen wird.

FAZIT

Diese Oper würde man auch gerne einmal wieder bei Festspielen in einer szenischen Umsetzung sehen.

Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2025 in Halle

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Martyna Pastuszka

{oh!} Orkiestra

 

Solistinnen und Solisten

Poro
Max Emanuel Cencic

Alessandro
Hugo Hymas

Cleofide
Julia Lezhneva

Erissena
Lucile Richardot

Timagene
Timothy Edlin

Gandarte
Rémy Brès-Feuillet

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Händel-Festspiele in Halle
(Homepage)



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