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Musikfestspiele
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Tiroler Festspiele Erl Ostern

30.03.2025 - 20.04.2025


Parsifal

Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 h 5' (zwei Pausen)

Premiere im Festspielhaus am 17. April 2025

 

 

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Tiefer Blick in die Seele

Von Thomas Molke / Fotos: © Xiomara Bender (TFE Presse)

Dass nach dem ruhigen Verklingen der Musik am Ende des ersten Aufzugs im Parsifal nicht geklatscht werden soll, gehört zu den Sitten und Unsitten der langjährigen Rezeptionsgeschichte und wird immer wieder von eingefleischten Wagner-Enthusiasten eingefordert, die gegebenenfalls mit Zischen einen aufbrausenden Applaus zu unterdrücken versuchen oder zu Beginn der Pause die Ignoranz eines applaudierenden Publikums beklagen. Dass aber am Ende einer Vorstellung ein ganzer Saal gebannt innehält, bevor sich das Publikum nach einer gefühlten Ewigkeit in tosendem Jubel befreit, ist nicht häufig zu erleben und darf durchaus als Ritterschlag der neuen Inszenierung in Erl bezeichnet werden. Da in diesem Jahr wegen der Passionsspiele das Passionsspielhaus als Spielstätte für die Oper nicht zur Verfügung steht, hat Intendant Jonas Kaufmann passend zu den Passionsspielen und zur Jahreszeit über Ostern Wagners Bühnenweihfestspiel im neuen Festspielhaus auf den Spielplan gestellt und übernimmt selbst die Titelpartie.

Das Regie-Team um Philipp M. Krenn rückt ihn und Kundry dabei immer wieder ins Zentrum der Inszenierung, was sich unter anderem in eindrucksvollen Videoprojektionen von Thomas Achitz widerspiegelt. Beim Betreten des Saals sieht man zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer in einer Projektion, die im Saal des Festspielhauses sitzen und scheinbar auf den Beginn der Aufführung warten. Wenn das Vorspiel beginnt, wird Kaufmann in einem dunklen Kapuzenpullover auf den Vorhang projiziert, wie er sich suchend auf den Weg in Richtung des Festspielhauses macht. Wenn Kaufmann bzw. Parsifal im weiteren Verlauf das Festspielhaus betritt und nach einigem Irren durch den Backstage-Bereich im Saal landet, ist der Saal fast leer. Noch eine Person ist da, der er im weiteren Verlauf der Projektionen immer wieder begegnet und die genauso wie Parsifal auf der Suche zu sein scheint: Kundry. Ihre Blicke treffen sich, und in Kundrys Augen spiegelt sich Parsifal. Diese tiefen Blicke spielen eine bedeutende Rolle für die Erkenntnis Parsifals und werden auch durch eine geschickte Personenregie bei den beiden immer wieder ins Zentrum gerückt.

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Gurnemanz (Brindley Sherratt, links) und Amfortas (Michael Nagy, im Rollstuhl) warten mit den Gralsrittern (Marius Pallesen und Lukas Enoch Lemcke) auf die "Erlösung durch den reinen Tor" (rechst: Wolfgang Pöschl als Statist).

Wenn der Vorhang sich nach dem Vorspiel öffnet, sieht man ein relativ abstraktes Bühnenbild von Heike Vollmer, das aus sechs riesigen hellen Elementen besteht, von denen sich jeweils zwei zu einem Sechseck zusammenschieben lassen würden, das in zwei Trapeze zerlegt werden könnte. Da diese Sechsecke in der senkrechten Symmetrieachse geteilt sind, erinnern sie in der Form mit ihrer lamellenartigen Füllung in gewisser Weise an Harfen. Diese sechs Elemente scheinen zunächst relativ willkürlich auf der Bühne zu stehen. Für die Enthüllung des Grals werden sie später von den Gralsrittern zur Seite geschoben. In der Mitte befindet sich ein riesiges mit Wasser gefülltes Bassin, in dem Kundry einen Großteil ihrer Bühnenpräsenz verbringen muss. Man kann schon ein bisschen Mitleid mit der Sängerin Irene Roberts bekommen, die zunächst darin einen blassen Strickpullover und eine dunkle Hose völlig durchnässen lassen muss, bevor sie sich dieser Sache entledigen kann, und auch im dritten Aufzug in ihrem weißen Kleid von Gurnemanz hier vorgefunden wird. Was der Statist (Wolfgang Pöschl) soll, den Gurnemanz zu Beginn des ersten Aufzugs schlafend neben diesem Bassin findet, erschließt sich nicht wirklich. Ist er ein verirrter Wanderer, der zufällig hier Rast gemacht hat und von Gurnemanz und den beiden Gralsrittern fälschlicherweise für den "reinen Tor" gehalten wird, der "durch Mitleid wissend" die Ritterschaft retten kann? Jedenfalls flieht er entsetzt, nachdem man ihn ebenfalls einem Zwangsbad unterzogen hat.

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Parsifal (Jonas Kaufmann) und Kundry (Irene Roberts) begegnen sich in der Gralswelt (im Hintergrund rechts: Brindley Sherratt als Gurnemanz).

Wie die Bühnenelemente sind auch die Kostüme von Regine Standfuss für die Gralsgesellschaft in farblosem Weiß gehalten, weisen im Schnitt allerdings keine Uniformität auf, vielleicht um die unterschiedliche Herkunft der Gralsritter zu betonen. Auch der Rollstuhl, in dem Amfortas geschwächt auf die Bühne fährt, und der Stab, auf den sich der alte Titurel stützt, sind weiß gehalten. Umso mehr fällt die sich nicht schließende rote Wunde bei Amfortas auf. Auch er steigt ins Bad auf der Bühne und lässt sie von Kundry reinigen, was ihm vielleicht einen Moment der Linderung bringt, weil das Rot des Blutes wirklich abgewaschen ist. Bei der Enthüllung des Grals bricht es allerdings wieder hervor, wie man an den neuen Blutflecken auf seinem weißen Gewand erkennen kann. Auf einen Schwan im eigentlichen Sinne wird in der Inszenierung verzichtet. Stattdessen reißt Parsifal einen weißen wehenden Vorhang herab, der die Gralswelt von der Außenwelt abgeschottet hat, und dringt so unfreiwillig in diese Gemeinschaft ein. Und wieder ist es ein Blick, der hier mit der Projektion ins Zentrum gerückt wird. Parsifal scheint im Wasser sein Spiegelbild zu sehen, was auf den Hintergrund projiziert wird, und auch mit Kundry tauscht er bereits hier intensive Blicke aus.

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Parsifal (Jonas Kaufmann, links) verfolgt die Enthüllung des Grals durch Amfortas (Michael Nagy, Mitte).

Selten intensiv hat man in einer Inszenierung die Auseinandersetzung zwischen Titurel und Amfortas gesehen, mit der der Vater seinen Sohn auffordert, trotz aller Schmerzen den Gral zu enthüllen. Fast rachsüchtig schiebt Titurel Amfortas' Rollstuhl in für ihn fast unerreichbare Ferne, um ihm dann seinen Stab zur Stütze zu übergeben. Zur Enthüllung des Grals wird dann mit Amfortas ein Teil der Bühne emporgefahren, das in der Form an die übrigen Bühnenelemente erinnert. Und hier bekommt man bei aller sonstigen Abstraktion einen klassisch leuchtenden Gral, der der Ritterschaft neues Leben spendet. Auch die Projektion im Hintergrund lässt eine Quelle erkennen, in der in nahezu pittoresken Bildern das Wasser fließt. Umso erschütternder ist es für Gurnemanz und die Gralsgesellschaft, dass Parsifal nicht versteht, welchem Wunder er hier gerade beiwohnt. Bevor Parsifal allerdings fortgejagt wird, kommt es noch zu einem sehr intensiven Blickkontakt zwischen Amfortas und Parsifal, in dem man Amfortas' Hilferuf nach Erlösung erkennen kann. Mit diesen Bildern endet der erste Aufzug.

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Klingsor (Georg Nigl) setzt Kundry (Irene Roberts) auf Parsifal an.

Die Welt des Klingsor im zweiten Aufzug ist optisch eine Parallelwelt, die sich nur minimal von der Gralswelt unterscheidet. Die Bühnenelemente aus dem ersten Akt sind nun mit bunten Farbspritzern versehen, die fast an eine Art Sündenfall erinnern. Die Farbkleckse befinden sich auch auf den Kostümen von Klingsor und den Blumenmädchen, die die Blumen wie eine Waffe tragen. Nur der Speer, den Klingsor Amfortas entwendet hat, ist von reinem Weiß. Klingsor selbst trägt ein Kleid, um zu betonen, dass er sich entmannt hat. Im Zentrum der Projektionen steht in diesem Aufzug Kundry, die suchend durch die Räume des Festspielhauses irrt. Wenn der Vorhang sich öffnet, liegt sie erneut im Bassin und wird von Klingsor gegen ihren Willen auf den Neuankömmling angesetzt. Nachdem dieser sich intensiv mit den Blumenmädchen auseinandergesetzt hat, erscheint ihm Kundry auf dem gleichen Podest, auf dem im ersten Aufzug der Gral gestanden hat. Auch sie trägt nun ein weißes Kleid mit einigen Farbspritzern. Es kommt zu einer absolut intensiven Szene zwischen den beiden, die in einem leidenschaftlichen Kuss endet, durch den sich Parsifal von dem falschen Zauber befreit, und wieder ist es der tiefe Blickkontakt, der Parsifal die Erkenntnis bringt. Interessant gelöst ist hier die Speerszene. Klingsor erscheint auf dem hochgefahrenen Podest und schiebt den Speer durch eine Öffnung auf den darunter stehenden Parsifal, der den Speer so problemlos greifen und Klingsors Zauberreich zerstören kann.

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Intensiver Blickkontakt: Kundry (Irene Roberts) und Parsifal (Jonas Kaufmann)

Der dritte Aufzug beginnt dann wieder mit einer Wanderung in der Projektion. Jetzt trägt Parsifal die Kapuze auf dem Kopf, so dass er für Gurnemanz bei der anschließenden Ankunft in der Gralsgesellschaft zunächst nicht erkannt wird. Die Bühnenelemente weisen noch die Farbspritzer von Klingsors Zaubergarten auf, sind allerdings gekippt. Ein Element liegt quer auf der Bühne und überdeckt auch teilweise das Bassin, in dem die arme Kundry zu Beginn liegt. Ihr Seufzen und Stöhnen vernimmt man im Publikum anders als Gurnemanz allerdings nicht. Stattdessen hört man höchstens das Rauschen des Wassers. Wenn sie dann völlig durchnässt dem Bassin entsteigt, wickelt Gurnemanz sie in einen weißen Vorhang ein, den er kurzerhand von der Seite herabreißt, so wie Parsifal im ersten Aufzug einen Vorhang heruntergerissen hat, als er in die Gralswelt eingedrungen ist. Wenn Parsifal ankommt, balanciert er mit dem Speer auf dem liegenden Bühnenelement und hat erneut intensiven Blickkontakt mit Kundry. Es ist schon erstaunlich, wie es der Personenregie gelingt, bei der ganzen folgenden Gurnemanz-Erzählung das Augenmerk nur auf Parsifal und Kundry zu lenken, die in innigem Spiel zueinander finden. So hat es schon fast eine unfreiwillig komische Note, dass Gurnemanz' Worte "Nicht so" fallen, wenn die beiden gerade zu einem Kuss ansetzen.

Parsifal steigt im Folgenden zwar nicht ganz ins Bassin, legt aber zumindest seine Kleidung bis auf eine weiße Unterhose ab und lässt sich von Kundry noch mehr als bloß die Füße waschen, bevor er sie mit einer Taufe erlöst. Dabei muss sie erneut ins Bassin eintauchen und verschwindet dann unter dem darüberliegenden Bühnenelement. Parsifal zieht nun eine weiße Hose und einen weißen Kapuzenpullover an, um den Gral zu enthüllen. Mit Hilfe der Gralsritter, die sich zunächst geschwächt auf die Bühne geschleppt haben und regelrecht aggressiv bei Amfortas die Enthüllung des Grals einfordern, die dieser ihnen standhaft verweigert, werden die Bühnenelemente beiseite geschoben, so dass Parsifal Platz hat, zum einen mit dem Speer die Wunde des Amfortas zu schließen und zum andern den Gral zu enthüllen. Dieses Mal wird allerdings kein Teil der Bühne hochgefahren. Stattdessen hebt sich ein Vorhang im Hintergrund der Bühne und gibt den Blick auf einen Raum frei, durch den Parsifal zuvor in den Projektionen geirrt ist. Dort steht der Chor der Tiroler Festspiele in moderner farbiger Kleidung und schreitet bei der Enthüllung des Grals nach vorne bis in den Zuschauersaal. Der nahezu himmlische Gesang erfüllt so den ganzen Raum, während der Chor durch die Gänge im Saal emporschreitet. Außerdem wird das Orchester hochgefahren, so dass alles beim letzten Ton eine Einheit bildet. Da ist man im Publikum derart ergriffen, dass man wirklich einen Moment benötigt, bis man dieses großartige Bild mit Applaus goutieren kann.

Neben der großartigen szenischen Umsetzung lässt auch die musikalische Darbietung keine Wünsche offen. Jonas Kaufmann glänzt in der Titelpartie als strahlender Held mit sauber angesetzten Höhen und intensivem Spiel. Irene Roberts begeistert mit dramatischem Mezzosopran und großartiger Textverständlichkeit und beweist auch in den Momenten, in denen sie musikalisch nicht im Mittelpunkt steht, eine enorme Bühnenpräsenz. Brindley Sherratt meistert die wortreiche Partie des Gurnemanz mit klarem Bass und einer hervorragenden Diktion, auch wenn seine Erzählungen bisweilen sehr langatmig sind. Aber da schafft ja die Personenregie Abhilfe, so dass in keinem Moment Langeweile aufkommt. Michael Nagy punktet als Amfortas mit kraftvollem Bariton und macht mit intensivem Spiel dessen Leiden deutlich. Clive Bayley gibt mit autoritärem Bass einen unnachgiebigen Titurel. Georg Nigl legt den Klingsor mit hartem Bariton sehr diabolisch an. Auch die kleineren Partien der Gralsritter, Knappen und Blumenmädchen sind hervorragend besetzt. Der von Olga Yanum einstudierte Chor der Tiroler Festspiele überzeugt mit homogenem Klang. Asher Fisch lotet mit dem herrlich aufgelegten Orchester der Tiroler Festspiele die Feinheiten der Partitur bis in die kleinste Nuance differenziert aus, so dass es einhelligen Jubel für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Dieser Parsifal ist absolut festspielwürdig und gibt einen hervorragenden Einstand für die ab Mai beginnenden Passionsspiele in Erl.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Asher Fisch

Regie
Philipp M. Krenn

Bühnenbild
Heike Vollmer

Kostüme
Regine Standfuss

Licht
Stefan Schlagbauer

Video
Thomas Achitz

Chorleitung
Olga Yanum

Dramaturgie
Werner Hintze

 

Orchester der Tiroler Festspiele Erl

Chor der Tiroler Festspiele Erl


Solistinnen und Solisten

Amfortas
Michael Nagy

Titurel
Clive Bayley

Gurnemanz
Brindley Sherratt

Parsifal
Jonas Kaufmann

Klingsor
Georg Nigl

Kundry
Irene Roberts

1. Gralsritter
Marius Pallesen

2. Gralsritter
Lukas Enoch Lemcke

1. Knappe
Annina Wachter

2. Knappe
Maya Gour

3. Knappe
Hyunduk Kim

4. Knappe
Lukas Siebert

1. Blumenmädchen I
Annina Wachter

2. Blumenmädchen I
Stefani Krasteva

3. Blumenmädchen I
Zoe Hippius

1. Blumenmädchen II
Evelina Liubonko

2. Blumenmädchen II
Maya Gour

3. Blumenmädchen II
Karis Tucker

Stimme von Oben
Karis Tucker

Statist
Wolfgang Pöschl

 


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