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Wexford Festival Opera
17.10.2025 - 01.11.2025


Deidamia

Oper in drei Akten
Libretto von Paolo Antonio Rolli
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 20' (eine Pause)

Koproduktion mit den Internationalen Händel-Festspielen in Göttingen

Premiere im National Opera House in Wexford am 18. Oktober 2025
(rezensierte Aufführung: 22. Oktober 2025)



 

 

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Grüße aus der Vergangenheit

Von Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant

Georg Friedrich Händels am 10. Januar 1741 uraufgeführte Deidamia ist seine letzte Oper, bevor er sich vollständig dem zur damaligen Zeit in London wesentlich beliebteren Genre des Oratoriums zuwandte. Dass dem Werk kein großer Erfolg beschieden war und es nach bloß drei Vorstellungen vom Spielplan genommen wurde, mag zwar aus heutiger Sicht mit Blick auf die großartige musikalische Gestaltung verwundern. Im damaligen London hatte allerdings schon seit einiger Zeit das Interesse an der italienischen Oper nachgelassen, und satirische Werke wie The Beggar's Opera von John Gay und Johann Christoph Pepusch liefen der Opera seria den Rang ab. Auch die Besetzung der Partie des Achilles mit der jungen Sopranistin Mary Edwards stieß bereits im Vorfeld auf heftige Kritik. Für über 200 Jahre verschwand das Werk von den Spielplänen und wurde erst bei den Händel-Festspielen in Händels Geburtsstadt Halle 1953 wieder ausgegraben. Es folgten einige wenige weitere Produktionen und Aufnahmen. Nun hat das Wexford Festival Opera in Kooperation mit den Internationalen Händel-Festspielen in Göttingen das Werk erneut auf den Spielplan gestellt, wobei der künstlerische Leiter der Händel-Festspiele, George Petrou, nicht nur die musikalische Leitung übernimmt, sondern auch für die Inszenierung verantwortlich zeichnet.

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Odysseus (Nicolò Balducci, Mitte) und Phönix (Rory Musgrave, rechts) wollen beim König Lycomedes (Petros Magoulas, links) auf Skyros Achilles aus seinem Versteck locken.

Das Libretto von Paolo Antonio Rolli erzählt eine Geschichte um den Trojanischen Krieg, die sich im 17. und frühen 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Da Achilles' Eltern geweissagt worden ist, dass ihr Sohn sterben werde, wenn er mit den Griechen in den Krieg um Troja ziehe, haben sie ihn auf der Insel Skyros beim König Lycomedes versteckt. Dort lebt er als Mädchen verkleidet unter den Töchtern des Königs. Seine Tarnung gerät aber mehr schlecht als recht, da er nicht nur größeres Interesse am Jagen als am Sticken und Nähen hat, sondern sich auch noch in Lycomedes' älteste Tochter Deidamia verliebt, die mit ihrer Vertrauten Nerea als einzige neben dem König seine wahre Identität kennt. Da den Griechen prophezeit worden ist, dass der Trojanische Krieg ohne Achilles nicht gewonnen werden könne, werden der listenreiche Odysseus und Phönix nach Skyros geschickt, um den versteckten Helden ausfindig zu machen. Bei einer vom König organisierten Jagd erkennen sie zunächst, dass sich hinter der als Pyrrha ausgegebenen Königstochter kein Mädchen verbirgt. Schließlich gelingt es Odysseus, Achilles zu enttarnen, indem er einen Überfall auf den Palast simuliert und Achilles sofort zu den Waffen greift, um die Frauen im Palast zu schützen. Folglich zieht er mit den Griechen in den Trojanischen Krieg, nachdem er zuvor Deidamia geheiratet und diese Odysseus verflucht hat, was als weitere Ursache für dessen späteren Irrfahrten gelesen werden kann.

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Achilles (Bruno de Sá, links) und Deidamia (Sophie Junker, Mitte) haben Streit miteinander (auf der rechten Seite: Statisterie).

Das Regie-Team um George Petrou lässt sich von einer Werbeanzeige inspirieren, die dazu einlädt, auf den Spuren des Mythos in Griechenland zu wandeln, und legt über die eigentliche Geschichte der Oper eine Parallelhandlung, die in der Gegenwart spielt. Darin sieht man insgesamt acht Statistinnen und Statisten, die als Touristen auf den Spuren des antiken Griechenland wandeln. Während diese weitere Ebene zunächst ein wenig ablenkend wirkt, verschmelzen die Opernhandlung und die Gegenwart im weiteren Lauf der Aufführung immer mehr und deuten interessante Parallelen an. Unterstützt wird dieser Ansatz durch projizierte Postkarten, auf die wie bei Handys kurze Textnachrichten geschrieben werden, die erzählen, was die Touristen als nächstes vorhaben. Die Kostüme von Giorgina Germanou zeichnen diese beiden Ebenen differenziert nach, indem die Figuren des Stückes in antik anmutenden Kostümen gekleidet sind und die Touristen moderne Alltagskleidung tragen. Auch die pittoresken Bühnenbilder, die mal ein gestrandetes Boot zeigen, mit dem Odysseus und Phönix in Griechenland ankommen, später die Überreste von antiken Säulen, vor denen Deidamia und Achilles posieren, werden in den projizierten Postkartenmotiven aufgegriffen.

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Achilles (Bruno de Sá, Mitte, mit Phönix (Rory Musgrave, links), Odysseus (Nicolò Balducci, rechts) und der Statisterie) will den Palast vor dem vermeintlichen Angriff schützen.

Dabei verlaufen die beiden Handlungsstränge zunächst parallel und überschneiden sich nicht. Wenn Achilles die vor den Säulen aufgebauten Staffeleien, an denen die Touristen sitzen und malen, umwirft, weil er auf Odysseus' Werben um Deidamia eifersüchtig ist, halten die Touristen es zunächst nur für den Wind, der über den Strand hinweggefegt ist. Überraschter wirken sie dann schon bei der Jagdszene. Im Hintergrund ist hier eine Bude aufgebaut, wie man sie von Jahrmärkten kennt, bei der man auf sich bewegende Gegenstände, in diesem Fall wilde Tiere, mit einem Bogen schießen kann. Nachdem alle zunächst daneben geschossen haben, erfolgt eine gewisse Irritation, wenn Achilles mit drei gezielten Schüssen die Tiere allesamt umlegt. Noch intensiver wird das Zusammenspiel in Deidamias großer Arie im zweiten Akt, in der sie fürchtet, Achilles könne auf der Jagd seine Identität verraten. Mit einer Statistin, die in einen langen Glitzeranzug gekleidet ist, tritt sie in zwei separate Lichtkegel vor dem Vorhang. Während Deidamias Gesang legt die Statistin zunächst ihre lange Perücke ab und zieht dann ihr Kleid aus, um die Vergänglichkeit der Schönheit und des Glücks zu demonstrieren.

Deidamia (Sophie Junker, Mitte rechts) nimmt Abschied von Achilles (Bruno de Sá, rechts daneben) (auf der linken Seite: Phönix (Rory Musgrave) und Nerea (Sarah Gilford), in der Mitte links neben Deidamia: Odysseus (Nicolò Balducci) und rechts: Lycomedes (Petros Magoulos) mit der Statisterie als Soldaten).

Wie KI passend in eine derartige Geschichte eingebaut werden kann, zeigt dann eine Projektion während Deidamias großer Flucharie im dritten Akt. Hier wird ein Film mit den Sängerinnen und Sängern der Figuren als Darstellerinnen und Darsteller vor pittoresken antiken Kulissen angepriesen, der über die Irrfahrten des Odysseus unter der Regie von George Petrou demnächst in den Kinos zu erleben sei. Bei aller Tragik gibt es der Szene doch eine humorvolle Note. Odysseus' List wird dann in einem Museum angewendet, in dem die Geschenke, die er zur Enttarnung des Achilles aufgebaut hat, in Vitrinen ausgestellt sind. Gemeinsam mit den Touristen schlendern die Figuren des Stückes durch diesen Saal, wobei das Kampfsignal eine moderne Sirene ist, die auch die Touristen in Angst und Schrecken versetzt. Deidamia wird anschließend selbst zu einem Ausstellungsstück und schlüpft in eine der Vitrinen. Besonders bewegend gelingt die Umsetzung des "lieto fine", das auch in der Vorlage eigentlich nicht als glücklich bezeichnet werden kann, da Achilles mit seinem Fortgang von der Insel schließlich seinem sicheren Tod entgegengeht. So lässt ihn Petrou auch nicht in den allgemeinen Jubel des Schlusschors einstimmen, sondern separiert ihn von den übrigen Sängerinnen und Sängern vor einem Gaze-Vorhang, auf den erschütternde Bilder von Krieg und Zerstörung projiziert werden. Achilles nimmt diese Eindrücke erschrocken zur Kenntnis, bis er an der berüchtigten Achilles-Ferse getroffen wird und tot zusammenbricht. Hier schließt sich ein Kreis, weil die Oper mit diesem Bild in der Ouvertüre begonnen hat. Da sah man bereits einen Toten in der Projektion auf der Bühne liegen, hinter dem sich schließlich Achilles erhob, der dann von drei vermummten Gestalten in ein Mädchen verwandelt wurde.

Nicht nur die szenische Umsetzung wird der Vorlage absolut gerecht und stellt unter Beweis, dass das Werk es durchaus verdient hätte, öfters auf den Spielplänen zu stehen. Auch die musikalische Seite bietet barocken Glanz vom Feinsten. George Petrou beweist am Pult des Wexford Festival Orchestra, dass er auch mit einem Klangkörper, der nicht auf historische Aufführungspraxis spezialisiert ist, einen barocken Zauber im Saal entfachen kann. Das beginnt übrigens in Wexford bereits mit der irischen Hymne, die zu Beginn jeder Vorstellung im Opernhaus gespielt wird. Selbst hier baut er einen neuen musikalischen Klang ein, so dass man beim ersten Ton fast nicht erkennt, dass erst die obligatorische Hymne auf dem Programm steht und man sich beinahe schon in der Barockoper wähnt. Auch in der eigentlichen Oper lotet er die dramatischen Höhen und Tiefen der Handlung mit viel Fingerspitzengefühl aus und entfacht einen regelrechten Klangzauber, der deutlich macht, dass Händels letzte Oper musikalisch keineswegs schlechter ist als seine auch heutzutage noch berühmteren früheren Werke. Im Gegenteil lässt sich hier eine interessante musikalische Entwicklung entdecken, die die Experimentierfreudigkeit des Komponisten hervorhebt.

Auch das Ensemble besteht aus ausgewählten Spitzenstars der momentanen Barockszene. Da ist zunächst die großartige Sophie Junker in der Titelpartie zu nennen. Mit glockenklarem Sopran lässt sie die Koloraturen scheinbar federleicht und ohne Anstrengung nur so perlen. Dass sie auch zu einer Furie mutieren kann, beweist sie in ihrer großen Flucharie im dritten Akt und, wenn sie Achilles heftige Vorwürfe für sein unvorsichtiges Verhalten macht. Bruno de Sá darf ebenfalls als Idealbesetzung für die Partie des Achilles bezeichnet werden. Mit seinem strahlenden Sopran lässt sich in den Höhen wirklich nicht erkennen, dass es sich bei dem Gesang um eine Männerstimme handelt, so dass seine Verkleidung als Pyrrha auf den ersten Blick glaubhaft wirkt. Dabei verleiht er der Figur aber mit teils machohafter Mimik und Gestik an anderen Stellen eine gewisse Komik, die deutlich macht, wieso die Verkleidung am Ende doch auffallen muss, auch wenn in der Inszenierung Phönix unter Achilles' Gewand schlüpfen muss, um zu erkennen, dass Achilles kein Mädchen ist. Nicolò Balducci legt die Partie des Odysseus mit beweglichem Countertenor an, der in den Höhen über eine große Strahlkraft verfügt, dabei aber dennoch virilere Züge hat, als das bei de Sás Stimme der Fall ist. So bildet er stimmlich einen wunderbaren Kontrast zu Achilles. Sarah Richford verfügt als Deidamias Vertraute Nerea über einen weichen Sopran, der im Zusammenspiel mit Rory Musgrave als Phönix aber auch durchaus härtere Töne anschlagen kann. Mit großer Komik gestaltet sie die Arie im dritten Akt, wenn sie einen Koffer einer Touristin inspiziert und dabei auf für sie völlig unbekannte Utensilien trifft.

Rory Musgrave und Petros Magoulas runden als Phönix und Lycomedes mit profundem Bariton bzw. Bass die Vorstellung ab, so dass es für alle Beteiligten großen Applaus gibt und man hofft, diese Koproduktion in Göttingen möglichst in der gleichen Besetzung im nächsten Jahr wieder erleben zu dürfen.

FAZIT

George Petrou arbeitet mit einer cleveren Inszenierung und einem großartigen Ensemble heraus, welche musikalischen Perlen in Händels letzter Oper schlummern.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Inszenierung
George Petrou

Ausstattung
Giorgina Germanou

Projektions-Design
Arnim Friess

Co-Licht-Design
Daniele Naldi
Paolo Bonapace

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Statisterie

 

Solistinnen und Solisten

Deidamia
Sophie Junker

Nerea
Sarah Gilford

Achilles
Bruno de Sá

Odysseus (Ulysses)
Nicolò Balducci

Phönix
Rory Musgrave

Lycomedes
Petros Magoulas

 


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