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Wexford Festival Opera
17.10.2025 - 01.11.2025


Il viaggio a Reims ossia
L'albergo del gigli d'oro

Dramma giocoso in einem Akt
Libretto von Luigi Balochi
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 45' (keine Pause)

Premiere im National Opera House in Wexford am 20. Oktober 2025



 

 

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Reise in den Wahnsinn

Von Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant

Mit Beginn ihrer künstlerischen Leitung des Wexford Festival Opera 2020 hat Rosetta Cucchi die "Wexford Factory" gegründet. Über einen Zeitraum von zwei Jahren können hier ausgewählte überwiegend irische Künstlerinnen und Künstler in Workshops vor dem Festival Meisterklassen genießen, zu denen namhafte Lehrerinnen und Lehrer eingeladen werden, die bereits auf eine große internationale Karriere zurückblicken. Daneben sind die jungen Talente in den großen Opernproduktionen, den Pocket Operas, der Community Opera und in den Pop-Up Events zu erleben. Der Höhepunkt ist in jedem Jahr allerdings die Erarbeitung einer eigenen Opernaufführung auf der Hauptbühne im National Opera House. In diesem Jahr ist die Wahl auf ein Werk gefallen, das sich mittlerweile zu einem regelrechten Klassiker für junge Ensembles und Workshops entwickelt hat: Rossinis Il viaggio a Reims. Diese Cantata scenica steht nicht nur seit 2001 jedes Jahr an zwei Vormittagen beim Rossini Opera Festival in Pesaro in einer Inszenierung von Emilio Sagi auf dem Programm und wird alljährlich beim Festival Giovane mit jungen Sängerinnen und Sängern der Accademia Rossiniana neu erarbeitet. Auch an zahlreichen Opernhäusern erfreut sich das Werk seit mehreren Jahren einer wachsenden Beliebtheit. Dass Cucchi in Pesaro beheimatet und dem dortigen Festival eng verbunden ist, dürfte ein weiterer Grund dafür sein, dass sie das Stück nun auch mit der "Wexford Factory" auf den Spielplan gestellt hat, zumal die Uraufführung dieses Werkes in diesem Jahr ihr 200-jähriges Jubiläum gefeiert hat.

Rossini komponierte das Stück als neuer künstlerischer Leiter des Théâtre Italien in Paris anlässlich der Krönung des französischen Königs Karl X. 1825. Erzählt wird die Geschichte einer illustren Reisegruppe, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen. Allerdings kommt man in Reims nicht an, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht. So beschließt die Gruppe, im Hotel zu bleiben und dort ihr eigenes Fest zu veranstalten. Für eine Opernhandlung im eigentlichen Sinne ist das natürlich ziemlich dünn. Aber es ging Rossini bei diesem Werk vielmehr darum, den Gesangs-Stars seiner Zeit ein Podium zu bieten, stimmlich zu glänzen, und dem Publikum "Belcanto at its best" zu präsentieren. Folglich zog er das Werk auch nach nur vier Vorstellungen vom Spielplan zurück und verwendete einen Großteil der Musik in seiner drei Jahre später uraufgeführten komischen Oper Le Comte Ory, wobei der Text dafür nicht nur ins Französische übersetzt, sondern auch kongenial der völlig neuen Handlung angepasst wurde.

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Die Contessa di Folleville (Jane Burnell, Mitte) beklagt den Verlust ihrer Garderobe (von links: Meilir Jones als Antonio, Joshua McCullough als Don Prudenzio, Ihor Mostovoi als Don Profondo, Gabe Clarke als Cavalier Belfiore, Seamus Brady als Barone di Trombonok, Aqshin Khudaverdiyev als Lord Sidney, Se´n Tester als Conte di Libenskof, Tong Guo als Don Alvaro und Forooz Razavi als Nurse).

Cucchi, die für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, verlegt die Geschichte in eine Nervenheilanstalt, in der die Reisenden als Insassen leben. Ob Madama Cortese hier wirklich die Leiterin ist oder mit ihrem nervösen Kopfzucken mittlerweile selbst zu den Insassen gehört, ist fraglich. Jedenfalls unterscheidet sie sich in ihrem schwarzen Kostüm von den übrigen Angestellten, die alle in weißen Pflegeanzügen wie in einer Nervenheilanstalt auftreten. Die Patienten tragen gestreifte Pyjamas, während die Patientinnen entsprechend ihrer Rollen etwas exaltierter in den Kostümen ausgestattet sind, was bei den Damen die Symptome ihrer Krankheiten deutlicher hervorhebt. So läuft die Marchesa Melibea die ganze Zeit mit einem imaginären Hund an der Leine herum, der von ihr und den anderen bisweilen auch zärtlich liebkost wird. Nur Madama Cortese hat eine Abneigung gegen das Tier und möchte ihm nicht zu nahekommen. Die Contessa di Folleville muss gewissermaßen in Watte gepackt werden und bildet sich ein, nicht laufen zu können. So lässt sie sich ständig vom Cavalier Belfiore über die Bühne tragen. Belfiore ist ein selbstverliebter Narzisst, der sich ständig im Spiegel betrachtet, während Conte di Libenskof und der Spanier Don Alvaro Probleme haben, ihre Aggressionen in den Griff zu bekommen. Barone von Trombonok unterliegt einem starken Kontrollzwang und läuft mit einem Dirigierstab über die Bühne, und Don Profondos Vorliebe zu alten Antiquitäten geht ebenfalls stark über das normale Maß hinaus.

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Vergebliches Warten darauf, dass die Reise endlich losgeht: von links: Lord Sidney (Aqshin Khudaverdiyev), Contessa di Folleville (Jane Burnell), Cavalier Belfiore (Gabe Clarke), Don Profondo (Ihor Mostovoi) und Barone di Trombonok (Seamus Brady)

Doch auch die Kompetenzen des Personals dürfen in dieser Anstalt in Zweifel gezogen werden. So möchte man sich dem nahezu blinden Arzt Don Prudenzio nicht wirklich anvertrauen, da er zunächst recht willkürlich die Medikation zusammenstellt und anschließend den Rahmen des Bettes untersucht, in dem die Contessa ohnmächtig geworden ist, um festzustellen, dass ihr Pulsschlag ausgesetzt hat und sie wahrscheinlich tot ist. Außerdem scheint sich das Personal aus den Macken der Insassen einen Spaß zu machen und sie somit weiter zu fördern. Auf diese Weise wird motiviert, dass plötzlich ein riesiger Hut auftaucht, der angeblich aus der verunglückten Kutsche der Contessa als einziges Kleidungsstück ihrer erwarteten Garderobe gerettet worden ist. Bei Corinnas engelgleichem Gesang, der die aufgeheizten Gemüter beruhigen soll, wird die Harfenistin, die mit ihrem Instrument auf die Bühne geschoben wird, Teil der Inszenierung. Don Profondo lässt dazu mit einer riesigen Schlinge große Seifenblasen aufsteigen, die die friedliche Atmosphäre in Kitsch übersteigern. Am skurrilsten gelingt die Versöhnungsszene zwischen der Marchesa Melibea und Conte di Libenskof, wenn das Personal mit einem Ventilator und in die Luft geworfenem Schnee eine Art Sturm über den beiden erzeugt. Am Ende erscheint bei Corinnas Schlussgesang nicht der gepriesene König sondern ein neuer Oberarzt, während beim anschließenden Jubel die Neurosen der Gäste umso heftiger in Erscheinung treten. Vielleicht handelt es sich dabei um die Einstellung, dass sich vieles im Leben nur im Wahnsinn ertragen lässt.

Musikalisch ist als kleines Manko anzumerken, dass man im Gegensatz zu Pesaro nicht über ein komplettes Orchester verfügt, um die Produktion zu begleiten sondern nur ein relativ kleines Ensemble. Manuel Hartinger leitet das Wexford Festival Orchestra Ensemble zwar mit großer Präzision und schafft auch in den schnellen Parlando-Passagen eine großartige Abstimmung mit den Solistinnen und Solisten auf der Bühne, lässt aber mangels Masse den erforderlichen großen Rossini-Klang vermissen. Vielleicht hat man dieses Problem aber auch nur, wenn man die Produktion bereits häufiger mit vollem Orchester genießen durfte. Die Regie-Einfälle, die Cucchi für die einzelnen Musikerinnen und Musiker hat, sprühen jedenfalls vor Komik. So hat nicht nur die Harfenistin zwei große Auftritte auf der Bühne. Auch der Spieler der Querflöte wird in der großen Arie des Lord Sidney zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Inszenierung und bandelt neben hervorragendem Flötenspiel dabei noch mit Madama Cortese an.

Auch die jungen Sängerinnen und Sänger begeistern nicht nur durch große Spielfreude, sondern überzeugen auch stimmlich. Forooz Razavi glänzt als Madama Cortese mit klar ausgesungenen Höhen und meistert auch die Parlando-Stellen in ihrer Auftrittsnummer souverän. Jane Burnell verfügt als Contessa di Folleville über einen strahlenden Koloratursopran und spielt die Exaltiertheit der französischen Adeligen mit großer Komik aus. Valeria Gorbunova stattet die Marchesa Melibea mit einem satten Mezzosopran aus und sorgt mit ihrem imaginären Hund ebenfalls für zahlreiche komische Momente. Dabei steht sie zwischen ihrem eifersüchtigem Liebhaber Conte di Libenskof (Seán Tester mit kraftvollem Tenor) und dem feurigen Spanier Don Alvaro, der von David Kennedy mit virilem Bariton interpretiert wird. Sarah Shine gestaltet die liebliche Partie der Corinna mit weichen Höhen als vermeintliche Esoterikerin, punktet aber auch im großen Duett mit Yu Shao als Cavalier Belfiore (mit höhensicherem Tenor)  zunächst auf einer Schaukel, die aus dem Schnürboden herabgelassen wird, und später auf einer Wippe mit großem Spielwitz. Aqshin Khudaverdiyev legt den Lord Sidney mit profundem Bass an. Ihor Mostovoi präsentiert als Don Profondo die großartige Arie "Io! Medaglie incomparabili" in wunderbarem Parlando-Ton, wobei die jeweils persiflierten Figuren im Hintergrund von den Angestellten auf einem Tisch über die Bühne gefahren werden. So gibt es für alle Beteiligten am Ende verdienten und großen Applaus für einen absolut kurzweiligen und humorvollen Abend.

FAZIT

Cucchis Inszenierung zeigt, dass Rossinis Meisterwerk auch für junge Sängerinnen und Sänger absolut geeignet ist. Mit voll besetztem Orchester würde sich die Produktion auch als Hauptoper des Festivals eignen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Manuel Hartinger

Inszenierung
Rosetta Cucchi

Kostüme
Massimo Carlotto

Licht
Paolo Bonapace

 

The Wexford Festival
Orchestra Ensemble

 

Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Madama Cortese
Maria Matthews /
*Forooz Razavi

Modestina
Cerys MacAllister /
*Maria Matthews

Contessa di Folleville
Jane Burnell

Corinna
*Sarah Shine /
Laura Aherne

Delia
Sarah Shine /
*Laura Aherne

Marchesa Melibea
Helen Stanley /
*Valeria Gorbunova

Maddalena
*Helen Stanley /
Valeria Gorbunova

Cavalier Belfiore
*Yu Shao /
Gabe Clarke

Gelsomino
Yu Shao /
*Gabe Clarke

Conte di Libenskof
Seán Tester

Lord Sydney
Aqshin Khudaverdiyev

Don Profondo
Ihor Mostovoi

Barone di Trombonok
Seamus Brady

Don Alvaro
*David Kennedy /
Tong Guo

Don Prudenzio
Joshua McCullough

Don Luigino
Conor Prendiville

Zefirino
Rory Lynch

Antonio
Meilir Jones

The King
Loughlin Deegan

Weiteres Pflegepersonal
Forooz Razavi /
*Cerys MacAllister
David Kennedy /
*Tong Guo

 


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