|
Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
|
Französischer Verdi mit "Balletteinlage"Von Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant
Giuseppe Verdi
Der Troubadour Manrique (Eduardo Niave) und
Léonore (Lydia Grindatto) lieben einander.
Die Oper spielt im spanischen Bürgerkrieg des frühen 15. Jahrhunderts und
verknüpft Historisches mit Fiktivem in einer reichlich verworrenen Handlung.
Manrique, der Troubadour, und der Comte de Luna sind nicht nur Gegenspieler im
Bürgerkrieg und Rivalen um die Liebe der schönen Léonore, einer Edeldame im
Gefolge der Prinzessin von Aragon. Sie sind auch, ohne es zu wissen, Brüder, da
Manrique als Baby von Azucena aus der Wiege entführt worden ist,
um Rache dafür zu nehmen, dass der alte Comte de Luna ihre Mutter als Hexe auf
dem Scheiterhaufen verbrannt hatte. Nun wollte sie seinen Sohn ebenfalls auf dem
Scheiterhaufen brennen lassen, warf aber aufgrund einer Verwirrung ihr eigenes
Kind in die Flammen und zog Manrique an Stelle ihres eigenen Sohnes auf, um
durch ihn später Rache für den Mord an ihrer Mutter zu nehmen. Nach mehreren
kämpferischen Auseinandersetzungen, in denen Manrique den Comte de Luna zunächst
verschont hat, werden Manrique und Azucena schließlich vom Comte gefangen genommen
und sollen hingerichtet werden. Léonore bietet dem Comte an, ihn zu heiraten,
wenn er Manrique begnadigt, nimmt allerdings heimlich Gift, um dem verhassten
Comte nur als Tote zu gehören. Der Comte ist über diesen Verrat derart erbost,
dass er Manrique sofort töten lässt, um anschließend von Azucena zu erfahren,
dass es sich bei Manrique um seinen damals entführten Bruder handelt, dem er
jetzt selbst den Tod gebracht hat. Damit hat sich für Azucena ihre Rache
erfüllt, und der Comte bleibt gebrochen zurück.
Doch auch der Comte de Luna (Giorgi Lomiseli)
liebt Léonore.
Das Regie-Team um Ben Barnes verlegt die Handlung in die Zeit des Spanischen
Bürgerkriegs von 1936 - 1939. Der Comte de Luna steht an der Spitze der
Faschisten, die durch Unterstützung der deutschen Nationalsozialisten einen Sieg der
rechtsgerichteten Putschisten unter General Franco über die Kämpfer für die
Republik erlangen konnten. Manrique und Léonore stehen auf der Seite der Anhänger der
Republik. Für Barnes dient diese Geschichte aber nur als Folie für die
eigentlichen beiden Konflikte: die rivalisierende Liebe um die schöne Léonore
und Azucenas Wunsch nach Rache. Liam Doona hat ein für die damalige Zeit relativ
passendes Setting entworfen, das durch die Kostüme von Mattie Ullrich
optisch unterstützt wird. In diesem Ambiente wird die abstruse
Geschichte relativ anschaulich und nah am Libretto erzählt, was auch in der
Personenregie und mit zahlreichen Szenenwechseln gut umgesetzt wird. Besonders
beeindruckend gelingt das Ende, wenn die Rückwand emporgezogen wird und der
Hintergrund in Feuerrot schimmert, um den Tod der diversen Figuren auf dem
Scheiterhaufen aufzugreifen.
Azucena (Kseniia Nikolaieva) sinnt auf Rache für
den Mord an ihrer Mutter.
Mit großer Spannung wird in dieser Produktion die Balletteinlage nach der Pause
zum Beginn des dritten Aktes erwartet. Aus dem Programmheft kann man entnehmen,
dass das Ballett aus insgesamt vier Teilen besteht: Pas de Bohémiennes,
Sevillana, La Bohémienne und Galop. Der erste Teil greift die berühmte
Chormelodie aus dem zweiten Akt wieder auf und führt in eine kämpferische
Atmosphäre in den zweiten Teil, in dem ein Soldat ein Pas de deux mit einer Frau
tanzt, die die Truppen mit Nahrung versorgt. Im dritten Teil folgt dann
eigentlich eine Pantomime, in der Bohémiens die Zukunft aus den Karten lesen.
Das alles sucht man in der Inszenierung allerdings vergeblich. Stattdessen
werden auf ein riesiges Zelt, das die Bühne verdeckt, Videoprojektionen aus dem
Spanischen Bürgerkrieg und anderen kriegerischen Auseinandersetzungen des frühen
20. Jahrhundert wie in einer Art Wochenshow projiziert. Diese
Projektionen haben zwar nichts mit dem eigentlichen Ballett zu tun, hätte man
allerdings noch als Ablenkung tolerieren können. Aber dann treten auch noch drei
Tänzerinnen auf und führen die ganze Szene ad absurdum. Mal hantieren sie mit
Maschinengewehren, dann mit riesigen Fahnen. Einen Sinn ergibt das alles nicht.
Auch dass sich Manrique und Léonore in dieser Einlage zunächst vor dem Zelt und
später als Schattenfiguren hinter dem Zelt der Liebe hingeben, wirkt als
hilfloser Versuch, die Zeit der Instrumentalmusik zu überbrücken. Wahrscheinlich
wäre es besser gewesen, einfach den träumenden Comte allein vor dem Zelt sitzen
und den Klängen der Musik lauschen zu lassen. So hätte man die wunderbare Musik
sinnvoller genießen können.
Léonore (Lydia Grindatto, Mitte mit Jade Phoenix
als Inès auf der rechten Seite) sucht im Kloster Zuflucht.
Sieht man von diesem Manko der Produktion ab, lässt die Aufführung szenisch und
musikalisch keine Wünsche offen. Eduardo Niave verfügt in der Titelpartie über
einen strahlenden Tenor, der in den Höhen eine enorme Kraft besitzt. Mit Giorgi
Lomiseli hat er als Comte de Luna einen Rivalen, der ihm mit
profundem Bariton und dunklen Tiefen stimmlich wunderbar Paroli bietet. Die Glanzpartien sind aber
eigentlich den beiden Damen vorbehalten. Lydia Grindatto begeistert mit
leuchtenden Höhen und großer Intensität als Léonore, die für ihren Troubadour
sogar bereit ist, in den Tod zu gehen. Ihre große Auftrittskavatine gestaltet
sie mit sauber angesetzten Spitzentönen. Auch beim "Miserere" im vierten Akt
geht ihre Interpretation unter die Haut. Kseniia Nikolaieva ist eine
großartige Besetzung für die Partie der Azucena. Mit dunkel gefärbtem
Mezzosopran löst sie direkt mit ihrer großen Auftrittsarie Begeisterungsstürme
aus, wenn sie von der fatalen Vorgeschichte erzählt. Die kleineren Partien
sind mit Luca Gallo als Fernand, Conor Prendiville als Ruiz und Jade Phoenix als
Inès ebenfalls gut besetzt. Der Chor präsentiert sich unter der Leitung von Andrew Synnott
stimmgewaltig und punktgenau. Marcus Bosch, der als künstlerischer Leiter der
Opernfestspiele Heidenheim als "Verdi-Fachmann" bezeichnet werden
kann, stellt mit dem gut aufgelegten Orchester unter Beweis, wie viel
Strahlkraft in Verdis Partitur liegt, und fächert die wunderbare Melodiebögen
mit viel Gespür für Details auf. So gibt es für alle Beteiligten großen Beifall.
FAZIT
Für eine Produktion der französischen Fassung von Verdis Oper hätte man sich
eine passendere Umsetzung der Balletteinlage gewünscht. Ansonsten ist es absolut
spannend, die Oper auch in der veränderten Version kennenzulernen.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2025 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungMarcus Bosch Inszenierung Bühne Kostüme Movement Director Projektions-Design Co-Licht-Design Chorleitung
Orchester des Wexford Festival Opera Chor des Wexford Festival Opera
Solistinnen und SolistenManrique
|
- Fine -