Die Suche nach der ewigen Jugend
Von Thomas Molke /
Fotos: © Pádraig Grant
Frederick Delius' Opernschaffen ist heute größtenteils in Vergessenheit geraten.
Als das Wexford Festival Opera 2012 anlässlich des 150. Geburtstags des
Komponisten dessen vierte Oper, A Village Romeo and Juliet, auf den
Spielplan setzte, zeigte sich die Gesellschaft "The Delius Trust" so begeistert,
dass sie ihre Bereitschaft signalisierte, ein weiteres Werk von ihm finanziell
zu unterstützen. So gelangte drei Jahre später Delius' dritte Oper Koanga
beim Festival zur Aufführung. Und auch mit seiner zweiten Oper, The Magic Fountain,
ist man auf ein Werk
gestoßen, das wunderbar in das diesjährige Festival-Konzept "Myths & Legends" passt und wiederum
von "The Delius Trust" großzügig finanziell unterstützt worden ist. Wie
Koanga entstand The Magic Fountain in den Jahren 1893 - 1895, als
Delius sich auf Wunsch seines Vaters als Farmer auf einer Orangenplantage
in Florida niedergelassen hatte, was aufgrund seines größeren musikalischen Interesses
nicht von Erfolg gekrönt war. Anders als bei Koanga konnte er The
Magic Fountain zu seinen Lebzeiten allerdings nicht zur Uraufführung
bringen. Eine konzertante Uraufführung erfolgte erst posthum am 20. November
1977 in London, die im BBC Radio übertragen wurde. Die szenische Uraufführung
ließ dann knapp weitere 20 Jahre auf sich warten und erschien unter dem
deutschen Titel Der Wunderborn am 22. Juni 1997 im Opernhaus Kiel.

Solano (Dominick Valdés Chenes) ist mit seiner
Mannschaft auf der Suche nach der magischen Quelle.
Das Libretto stammt von Delius selbst und dürfte von seinen Erfahrungen und
Erlebnissen in Florida auf der Plantage inspiriert sein,
eventuell auch von einer Liebesbeziehung zu einer Einheimischen dort. Der
spanische Eroberer Solano, wahrscheinlich benannt nach der Plantage Solano Grove,
auf der Delius weilte, ist mit seiner Mannschaft in die Neue Welt aufgebrochen,
um eine magische Quelle zu suchen, die ewige Jugend verspricht. Auf der Fahrt
erleidet er Schiffbruch, landet als einziger Überlebender an einem Strand und
wird von der Einheimischen Watawa gefunden, die einen grundsätzlichen Hass gegen
die Eroberer hegt, weil sie ihren gesamten Stamm ausgerottet haben. Dennoch
bringt sie ihn zu dem Anführer ihres Dorfes, Wapanacki. Da Solano unbewaffnet
ist, lehnt Wapanacki es ab, dem Fremden irgendeinen Schaden zuzufügen.
Stattdessen will er ihn auf der Suche nach der magischen Quelle unterstützen und
bestimmt ihm Watawa als Begleiterin, die ihn zu dem weisen Talum Hadjo bringt.
Dieser weist den beiden den Weg, warnt Watawa allerdings davor, dass das Wasser
für denjenigen tödlich sei, der sich nicht genug darauf vorbereitet habe. Auf
dem weiteren Weg verwandelt sich Watawas Hass auf Solano immer mehr in Zuneigung
zu ihm. Auch Solano
gesteht ihr seine Liebe und fordert sie auf, gemeinsam mit ihm von der Quelle zu
trinken. Watawa, die den tödlichen Ausgang kennt, kommt ihn zuvor, um ihn vor
dem Genuss zu warnen. Doch als sie in seinen Armen stirbt, beschließt Solano, ihr mit dem Wasser der Quelle in den Tod zu folgen.

Wapanacki (Kamohelo Tsotetsi) befiehlt Watawa (Axelle
Saint-Cirel), den Fremden auf der Suche zu begleiten.
Das Regie-Team um Christopher Luscombe verzichtet auf eine Modernisierung der
Geschichte. Während das Schiff im ersten Akt in der Ausstattung von Simon Higlett noch relativ realistisch gezeichnet
wird, sind die Bilder aus der Neuen Welt eher mystisch und abstrakt gehalten.
Lange grüne Fadenvorhänge entführen in eine fremde Welt, die anderen Gesetzen
gehorcht. Die Kostümierung der Einheimischen greift indigene Elemente wieder
auf. Im Hintergrund sieht man auf der linken Seite eine riesige leuchtende
Scheibe, bei der es sich wahrscheinlich um den Mond handelt. Wenn Solano und
Watawa im letzten Akt
die magische Quelle erreichen, dominiert die Scheibe in vergrößerte Form den
mittleren Hintergrund der Bühne. Talum Hadjo, der den beiden den Weg zur
magischen Quelle weist, wird aus dem Bühnenboden emporgefahren und wirkt in
seinem Kreis wie ein Voodoo-Zauberer. An der gleichen Stelle befindet sich dann
im letzten Akt auch die magische Quelle, die in einem leuchtenden Kreis aus dem
Bühnenboden auftaucht. Aus dem Schnürboden hängen die Fäden über dem Kreisrand
herab, die auch das Bühnenbild der Neuen Welt dominiert haben. Mit einer
eindrucksvollen Projektion werden sie in unterschiedlichen Farben angestrahlt
und unterstreichen den Zauber des Ortes.

Tanz um die magische Quelle
Delius' Musik ist sehr impressionistisch gehalten und fängt den
Zauber der beschriebenen Natur ebenfalls wunderbar ein. Allerdings hat sie auch einige
Längen und bewegt sich bisweilen auf der Stelle. Im ersten Akt ist das noch
inhaltlich motiviert, weil die Seeleute auf Wind warten und seit Tagen nicht
weiterkommen. Ab dem zweiten Akt hat man allerdings das
Gefühl, dass Delius die Geschichte etwas kürzer hätte fassen können.
Unendlich ausgedehnt wirken die Passagen auf dem Weg zur Quelle, und wenn sich Solano und Watawa endlich ihre Liebe gestanden haben, folgt noch ein langer
Orchesterteil, bei dem die beiden vor Erreichen der Quelle einschlafen. Luscombe
lässt den Chor und die Tänzerinnen und Tänzer hier wie weiße Gespenster
auftreten, was der ganzen Geschichte eine unfreiwillige Komik gibt. Auch fragt
man sich, ob die Pause nach einer guten Stunde überhaupt nötig ist, weil nach
der Pause nur noch knappe 30 Minuten folgen. Da hätte man das Stück auch
eigentlich durchspielen können.

Watawa (Axelle Saint-Cirel) stirbt in Solanos
(Dominick Valdés Chenes) Armen.
Francesco Cilluffo lotet mit dem Wexford Festival Orchestra die
Klangvielfalt, aus der man an einigen Stellen Anleihen von Richard Wagner und Claude Debussy zu erkennen glaubt, mit sicherer Hand aus, so dass man sich
wunderbar in diesen Klangteppich fallen lassen kann, wenn man bereit ist, sich
darauf einzulassen. Das Bühnengeschehen hilft dabei, da es zu keiner Zeit
ablenkend gestaltet ist. Dominick Valdés-Chenes stattet die Partie des Solano
mit kraftvollem Tenor aus, der in den Höhen große Strahlkraft besitzt, auch wenn
man sich bis zum Schluss nicht ganz einig ist, ob er nun eigentlich einen
positiven oder negativen Charakter darstellen soll. Axelle Saint-Cirel gestaltet
den inneren Kampf ihrer Gefühle mit großartiger Mimik und setzt ihre
Zerrissenheit mit großem Mezzosopran und dramatischen Ausbrüchen um. In der
Schlusssequenz findet sie dann sehr weiche Töne, wenn sie bereit ist, sich für
den Geliebten zu opfern und zunächst selbst von der Quelle trinkt. Kamohelo
Tsotetsi punktet als Wapanacki mit solidem Bariton, und Meilir Jones verleiht
dem Talum Hadjo mit schwarzem Bassbariton enorme Autorität. Seamus Brady aus der
"Wexford Factory" lässt in der kleineren Partie des spanischen Seemanns mit
kraftvollem Bariton aufhorchen. Auch der von Andrew Synnott einstudierte Chor
überzeugt als Seefahrer und Einheimische stimmlich auf ganzer Linie.
FAZIT
Die Inszenierung von Christopher Luscombe wird einer Wiederentdeckung des Werkes
voll gerecht. Einen Sprung ins Repertoire wird diese Oper allerdings sicherlich
nicht schaffen.
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