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Eden

Joyce DiDonato, Mezzosopran
Il Pomo d'Oro
Maxim Emelyanychev, Dirigent und Cembalo

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Donnerstag, 15. Juni 2023, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Paradiesische Reise durch die Jahrhunderte

Von Thomas Molke / © Sven Lorenz / TUP

Joyce DiDonato ist ein immer wieder gern gesehener Gast in der Philharmonie Essen. So gehörte die Ausnahmekünstlerin, die mehrfach mit dem Grammy Award ausgezeichnet worden ist und 2018 den Olivier Award für herausragende Leistungen im Opernfach erhalten hat, zu den ersten Künstler*innen, die nach dem Lockdown wieder in der Essener Philharmonie auftraten. Ihr besonderes Markenzeichen dabei ist, dass ihre recht persönlich gehaltenen Programme jeweils von einem Regie-Team in Szene gesetzt werden. Während sie 2017 mit In War and Peace - Harmony through Music einen Weg beschritt, der durch die Kraft der Musik vom vorherrschenden Chaos dieser Welt zu einer inneren Balance und Harmonie führte (siehe auch unsere Rezension) und 2021mit In My Solitude dem Publikum einen Moment der Ruhe und Harmonie in der Musik geschenkt hat (siehe auch unsere Rezension), sucht sie in ihrem neuen Programm Eden auf einem Streifzug durch die Musik vom 17. bis zum 20. Jahrhundert den Frieden eines verloren gegangenen Paradieses und kommt dabei zu der Erkenntnis, dass das Fragen danach wichtiger als eine mögliche Antwort ist. Erneut wird sie dabei von Maxim Emelyanychev und dem seit 2016 von ihm geleiteten Orchester Il Pomo d'Oro begleitet.

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Joyce DiDonato in ihrem neuen Programm Eden

Auf der Bühne befindet sich in der Mitte des Orchesters ein aus zwei Scheiben bestehendes schwarzes Podest, das in seiner Form an einen Baumstumpf erinnert. Darauf sind zwei unterschiedlich große Kreisringe befestigt, die durch Drehung des Podestes und Kippen der Ringe immer wieder neue abstrakte Bühnenräume entstehen lassen. Unterstützt wird der Effekt durch ein fantasievolles Lichtdesign von John Torres, durch das die Bühne mal in unterschiedliche Farben getaucht wird oder die Konzentration mit einem Lichtkegel ganz auf die auf dem Podest in einem langen grau-silbrigen Kleid agierende DiDonato gelenkt wird. Einer der beiden Kreisringe ist zu Beginn unvollständig. Den fehlenden Bogen bringt DiDonato mit auf die Bühne und fügt ihn am Ende des Abends ein, so dass nun beide Ringe komplett sind. Bis es dazu kommt, hat man in knapp 90 Minuten das Gefühl, sich mal dem gesuchten Paradies anzunähern und dann wieder von ihm zu entfernen. Dafür hat DiDonato musikalische Werke aus unterschiedlichen Jahrhunderten ausgewählt, die bei aller Verschiedenheit eine gewisse Sehnsucht vereint.

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Joyce DiDonato sät mit Musik einen Funken Hoffnung.

Den Anfang macht "The Unanswered Question" von Charles Ives. Bei den leisen, sich langsam entwickelnden Tönen, die Emelyanychev mit dem Ensemble Il Pomo d'Oro mit großer Präzision herausarbeitet, hat man das Gefühl, dass eine neue, unberührte Natur im Begriff des Entstehens ist. DiDonato befindet sich dabei irgendwo weiter hinten im Saal und unterbricht den kontemplativen Klang durch sanfte Koloraturen, die mit dem Spiel des Orchesters beim Publikum das Gefühl hervorrufen, von der Natur umschlungen zu sein. Die Naturklänge gehen in Rachel Portmans "The First Morning of the World" über, das als Fantasie das Erleben des ersten Morgens auf einer neuen Welt beschreibt. DiDonato findet hier sehr zarte und weiche Töne, die einerseits die noch vorhandene Unberührtheit der Natur unterstreichen, andererseits aber zeigen, dass diese Natur verletzlich ist. Auch das von Gustav Mahler vertonte Lied "Ich atmet' einen linden Duft" beschreibt im Einklang mit der Natur einen paradiesischen Zustand. Es folgt ein Sprung zurück ins 17. Jahrhundert, bei dem zunächst ebenfalls pittoreske Bilder von Harmonie und Frieden gezeichnet werden. Doch dann folgt die erste Vertreibung aus dem Paradies. Aus dem Oratorium Adamo ed Eva von Mozarts Zeitgenossen Josef Mysliveček erklingt die Arie des Angelo die giustizia, in der Adam und Eva aus dem Paradies verbannt werden. DiDonato begeistert hier mit halsbrecherischen Koloraturen und intensiver Gestaltung, so dass das Publikum seiner Begeisterung in tosendem Applaus freien Lauf lässt.

Nach diesem fulminanten Stück kehrt wieder Ruhe ein, und es muss ein neuer Weg in eine sich regenerierende Natur gesucht werden. Dafür hat DiDonato ein Gedicht von Emily Dickinson ausgewählt, das Aaron Copland vertont hat: "Nature, the gentlest mother". Doch diese Natur ist immer noch sehr zerbrechlich, was in der Arie der Nymphe Calisto aus Francesco Cavallis Oper La Calisto zum Ausdruck kommt. Darin beklagt die Nymphe die von den Göttern zerstörte Natur. Scheinbar als Konsequenz daraus folgt die nächste Vertreibung aus dem Paradies. Dieses Mal erklingt Glucks "Furientanz", den er eigentlich für den Abstieg Don Juans in die Hölle komponiert hatte und in seine spätere Fassung von Orfeo ed Eurydice für Orpheus' Gang in die Unterwelt eingefügt hat. Emelyanychev arbeitet mit dem Orchester die Dramatik mit viel Verve heraus. DiDonato lässt sich von der Wucht der Musik regelrecht vom Podest schleudern und legt sich besiegt auf den Boden. Danach muss sie erst einmal wieder zu sich finden. Das geschieht mit der Arie der Fulvia aus Glucks Oper Ezio, in der sich Fulvia fragt, wohin die Furien sie überhaupt gebracht haben. Auch hier punktet DiDonato mit stupenden Koloraturen und löst beim Publikum den nächsten Begeisterungssturm aus.

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Joyce DiDonato mit der Jugendkantorei der Auferstehungskirche Essen, am Cembalo links: Maxim Emelyanychev

Die folgende Arie ist wieder ein neuer Versuch, Halt in einer von Stürmen erschütterten Welt zu finden. Einigen dürfte das Stück noch von DiDonatos letztem Auftritt in der Philharmonie bekannt sein, als sie als Irene in Händels Oratorium Theodora zu erleben war. In der Arie bittet die junge Frau darum, den Menschen neue Hoffnung mit einem neuen Tag zu geben. Der Schluss wirft dann allerdings die Frage auf, ob diese Hoffnung wirklich zurückkehren wird. "Ich bin der Welt abhanden gekommen" ist ebenfalls ein von Gustav Mahler vertontes Gedicht, das von Friedrich Rückert stammt, und sehr pessimistisch gehalten. DiDonato gestaltet auch dieses Lied sehr eindringlich und setzt immerhin mit dem vervollständigten Kreisring ein Zeichen der Hoffnung. Hoffen lassen auch die im Anschluss folgenden Zugaben, zu denen DiDonato die Jugendkantorei der Auferstehungskirche Essen auf die Bühne holt. Teil ihres neuen Programms ist es nämlich, jeweils in der Stadt, in der sie auftritt, mit Jugendlichen einen Workshop durchzuführen, in denen sie sich auf die musikalische Suche nach Spuren der Natur begibt. Bei der Erstellung dieses Programms hat sie 2022 ein Lied erarbeitet, "Seeds of Hope", das sie im Rahmen dieses Workshops mit den Jugendlichen einstudiert. Diese Keimlinge der Hoffnung stecken in den zarten Stimmen der jungen Menschen, die die Welt zu einer besseren machen sollen. Eindrucksvoll gelingt diese Präsentation, wobei sich DiDonato inmitten des Chors stimmlich sehr zurücknimmt und die Jugendlichen glänzen lässt.

Die Jugendlichen bedanken sich bei DiDonato dafür mit "Look at the World" von John Rutter, dem DiDonato und Emelyanychev sichtlich bewegt von der Seite lauschen. Zum Abschluss kehrt DiDonato dann noch einmal zu Händel zurück und beendet den Abend äußerst passend mit Serses Auftrittsarie "Ombra mai fu". Auch hier bezaubert DiDonato mit zart angesetzten Tönen, die vom Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert werden.

FAZIT

Wieder ist es Joyce DiDonato gelungen, ein Programm zusammenzustellen, dass musikalisch und szenisch unter die Haut geht und die Kraft der Musik für ein harmonisches Miteinander unterstreicht.



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Ausführende

Joyce DiDonato, Mezzosopran

Il Pomo d'Oro

Maxim Emelyanychev, Dirigent und Cembalo

Jugendkantorei der Auferstehungskirche
Essen

Marie Lambert-Le Bihan, Regie

John Torres, Lichtdesign


Werke

Charles Ives
"The Unanswered Question"

Rachel Portman
"The First Morning of the World"

Gustav Mahler
"Ich atmet' einen linden Duft"
aus Fünf Lieder nach Texten
von Friedrich Rückert
Nr. 2

Marco Uccellini
Sinfonie terza (a cinque stromenti), op. 7

Biagio Marini
"Con le stelle in ciel che mai"
aus Scherzi e canzone, op. 5

Josef Mysliveček
"Toglierò le sponde al mare"
Arie des Angelo di giustizia
aus dem Oratorium Adamo ed Eva

Aaron Copland
"Nature, the gentlest mother"
aus Eight Poems of Emily Dickinson
für Stimme und Kammerorchester

Giovanni Valentini
"Sonata enharmonica" g-Moll

Francesco Cavalli
"Piante ombrose"
Arie der Calisto aus La Calisto

Christoph Willibald Gluck
"Danza degli spettri e delle furie"
aus der Oper Orfeo ed Euridice, Wq. 30

"Misera, dove son! - Ah! Non son io che parlo"
Rezitativ und Arie der Fulvia
aus der Oper Ezio, Wq. 15

Georg Friedrich Händel
"As with rosy steps the morn"
Arie der Irene
aus dem Oratorium Theodora, HWV 68

Gustav Mahler
"Ich bin der Welt abhanden gekommen"
aus Fünf Lieder nach Texten von
Friedrich Rückert
Nr. 3


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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