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Dido and Aeneas

Konzertante Aufführung
Libretto von Nahum Tate
Musik von Henry Purcell

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Historia di Jephte

Oratorium für Soli und Basso continuo
Musik von Giacomo Carissimi

in lateinischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h (eine Pause)

Freitag, 16. Februar 2024, 19.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 


Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)

Ergreifend und bewegend

Von Thomas Molke / Foto: © Salva López

Joyce DiDonato ist ein immer wieder gern gesehener Gast in der Philharmonie Essen und sorgt mit ihren Programmen stets für einen ausverkauften Saal in der Philharmonie Essen. Die Ausnahmekünstlerin, die mehrfach mit dem Grammy Award ausgezeichnet worden ist und 2018 den Olivier Award für herausragende Leistungen im Opernfach erhalten hat, zählte auch zu den ersten Künstler*innen, die nach dem Lockdown wieder in der Essener Philharmonie aufgetreten sind. Ihr besonderes Markenzeichen dabei ist, dass ihre recht persönlich gehaltenen Programme nicht einfach Konzerte sind, sondern regelrecht in Szene gesetzt werden. Dieses Mal kommt sie im Rahmen der beliebten Reihe "Alte Musik bei Kerzenschein" allerdings nicht mit einem eigens zusammengestellten Programm, sondern mit einer Oper, die zwar als konzertante Aufführung angekündigt wird. Aber wer Joyce DiDonato kennt, weiß, dass "konzertante Aufführung" bei ihr nicht einfaches Rampensingen bedeutet. Davon durfte man sich bereits im November 2021 überzeugen, als sie mit Händels Oratorium Theodora in der Philharmonie zu erleben war (siehe auch unsere Rezension). Nun steht mit dem 2012 gegründeten Ensemble Il Pomo d'Oro unter der musikalischen Leitung von Maxim Emelyanychev und dem gleichnamigen Chor, der bereits bei Theodora  in der Philharmonie zu erleben war, Purcells Dido and Aeneas auf dem Programm, und da dieses Stück für einen kompletten Abend etwas zu kurz erscheint, hat man noch ein relativ unbekanntes Oratorium von Giacomo Carissimi davorgesetzt: Historia di Jephte.

Der 1605 in Marino bei Rom geborene Carissimi gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter für die Gattung des Oratoriums. Selbst Georg Friedrich Händel zitierte später in seinem Oratorium Samson den Schlusschor aus Carissimis Jephte, das zu den populärsten Oratorien des 17. Jahrhunderts zählt. Erzählt wird die im Buch der Richter des Alten Testaments überlieferte Geschichte des Richters Jiftach (oder auch Jephta), der als Heerführer im Kampf gegen die Ammoniter dem Gott Israels gelobt, ihm im Falle eines Sieges den ersten Menschen zu opfern, der ihm bei der Rückkehr nach Hause vor der Haustür begegnet. Dies ist jedoch seine geliebte Tochter. Während der Gott Israels bei Händel in seinem Oratorium Jephta ein Einsehen hat und die Tochter verschont, verzichten der biblische Text und Carissimis Oratorium auf ein glückliches Ende. Mit einer recht ergreifenden Tonsprache gelingt es Carissimi, die innere Zerrissenheit des Jephte herauszuarbeiten und das Leid der Tochter und ihrer Gefährtinnen zu zeichnen. Mit dem Il Pomo d'Oro Choir steht ein Ensemble zur Verfügung, das mit zahlreichen solistischen Einsätzen glänzt. Maxim Emelyanychev arbeitet mit dem seit 2016 von ihm geleiteten Ensemble Il Pomo d'Oro auf historischen Instrumenten die kompositorischen Finessen der Partitur differenziert heraus und lässt das Publikum eine emotionale Achterbahnfahrt erleben, die von hehren Klängen beim Schwur in eine siegreiche kämpferische Auseinandersetzung übergeht und dann mit der Einlösung des Gelübdes eine tragische Wendung nimmt.

Gegliedert ist das gut 35 Minuten lange Werk in fünf Bilder. Das erste Bild gehört dem Heerführer Jephte und seinem Versprechen. Andrew Staples gestaltet die Partie mit kraftvollem Tenor, der in den Höhen große Sicherheit besitzt, und zeigt, dass Jephte für den Sieg gegen die Ammoniter zu allem bereit ist. Es folgt eine instrumental bewegende Darstellung des heftigen Kampfes mit den Ammonitern, aus dem Jephte als Sieger hervorgeht. Hier geht die Klage der geschlagenen Ammoniter in der Interpretation des Chors unter die Haut. In strahlenden Höhen feiert Staples anschließend den ruhmreichen Sieg Jephtes, bis ihm bei der Rückkehr nach Hause als erster Mensch seine geliebte Tochter begegnet. Carlotta Colombo gestaltet die Partie mit einem lieblichen, weichen Sopran, der das Opfer um so tragischer macht. Zunächst begeistert sie mit warmer Stimmführung und großer Beweglichkeit, wenn sie sich über die siegreiche Rückkehr ihres Vaters freut. Umso schockierender ist dann der Moment, wenn Jephte seiner Tochter erklären muss, für welchen Preis er diesen Sieg errungen hat. Doch die Tochter trägt ihr Schicksal mit Fassung. Der Schlussteil gehört dann der gemeinsamen Klage der Tochter und ihrer Gefährtinnen, die sich in die Berge zurückgezogen haben. Hier legt Colombo die Partie recht zerbrechlich an. Wenn dann die Chordamen in einer schmerzvollen Dissonanz ihrer Trauer am Ende freien Lauf lassen, dreht sich Colombo mit dem Rücken zum Publikum, was wohl andeuten mag, dass das grausame Opfer nun vollzogen ist. Das Publikum zeigt sich sehr ergriffen und benötigt einen kleinen Moment, bevor es das Ensemble mit großem Beifall überschüttet.

Nach der Pause geht es dann mit Purcells berühmter Oper Dido and Aeneas weiter, die nicht zuletzt durch das berühmte Lamento der Dido am Ende des dritten Aktes, "When I am laid in earth", die Jahrhunderte überdauert hat und nicht in Vergessenheit geraten ist. Lange Zeit nahm man an, dass Purcell diese Oper 1689 für die Josias Priest's Boarding School for Young Gentlewomen in Chelsea komponiert hatte, wo die erste belegte Aufführung stattfand. Die aufwändige musikalische Gestaltung und neueste Erkenntnisse lassen allerdings vermuten, dass das Werk eine Auftragsarbeit aus den Jahren 1683/1684 war und gemeinsam mit John Blows Venus and Adonis am Hof von Karl II. aufgeführt wurde, der nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil wie sein Cousin Ludwig XIV. die Künste zur Verewigung seiner Macht förderte.

Das Libretto von Nahum Tate bezieht sich zwar auf Vergils Aeneis, weist jedoch einige Unterschiede zur antiken Mythologie auf. Bei Vergil landet der Trojaner Aeneas auf seiner Irrfahrt nach Italien in Karthago bei Königin Dido und vergisst durch seine Liebe zu ihr für eine Weile seine eigentliche Bestimmung, in Italien eine neue Heimat zu suchen. Doch dann erscheint ihm der Götterbote Merkur und ermahnt ihn, Dido wieder zu verlassen. Als er dem göttlichen Befehl Folge leistet, verflucht Dido den Geliebten und schwört ewigen Hass zwischen Karthago und Aeneas' künftiger Heimat Rom. In Purcells Oper wird eine Zauberin eingeführt, die auf Didos Liebesglück eifersüchtig ist und deshalb die Königin vernichten will. Merkur ist nur ein verwandelter Geist, der von der Zauberin zu Aeneas geschickt wird, um ihm den Aufbruch von Karthago zu befehlen. Zwar beschließt Aeneas wie bei Vergil, dieser vermeintlich göttlichen Weisung Folge zu leisten, ändert aber angesichts der leidenden Dido seine Meinung. Nun ist es die Königin selbst, die ihn zur Abreise drängt. Nachdem Aeneas Dido verlassen hat, bricht Dido in ihrem großen Lamento zusammen und nimmt Abschied vom Leben, ohne den Geliebten wie bei Vergil zu verfluchen.

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Joyce DiDonato als Dido

Joyce DiDonato benötigt als Dido weder ein Kostüm noch eine Bühnenkulisse, um sich in die Figur zu versetzen und strahlt die Gefühle dieser unglücklichen Königin mit überwältigender Mimik und kleinen zurückhaltenden Gesten aus. Allein ihre Blicke sprechen dabei Bände. Wunderbar inniglich gestaltet sie die Anfangsszene mit Fatma Said als Didos Vertrauter Belinda, die der Königin rät, eine Verbindung mit Aeneas einzugehen, obwohl sie doch eigentlich ihrem verstorbenen Gatten die ewige Treue geschworen hat. Said überzeugt dabei mit glänzendem Sopran, während DiDonato ihre Bedenken mit großartiger Stimmführung vorträgt, die schon Anklänge an das Lamento am Ende erkennen lassen. Emelyanychev hält dabei das Ensemble Il Pomo d'Oro gefühlvoll zurück und lässt so magische, gefühlvolle und sehr leise Momente entstehen, bei denen man eine Stecknadel im Saal fallen hören könnte. Der Chor präsentiert sich als liebendes und besorgtes Volk, das seine Königin ebenfalls zu einer Liaison zu dem Trojaner drängt. Andrew Staples gibt den Aeneas recht heroisch und punktet mit kraftvollem Tenor. DiDonato lässt mit eindrucksvollen Blicken spüren, wie die Königin allmählich dem Charme des Trojaners erliegt.

Ein weiterer Höhepunkt der Aufführung ist die Gewitterszene. Mit eindrucksvollem Schlagwerk, lässt Koen Plaetink einen Sturm auf der Bühne entstehen, der lautmalerisch kaum zu überbieten ist. Emelyanychev gelingt es hier mit dem Ensemble Il Pomo d'Oro eine regelrecht gespenstische Atmosphäre zu erzeugen, bei der dann auch die im ersten Teil noch fehlenden Kerzen auf der Bühne von Chormitgliedern entzündet werden. Es folgen großartige Echoszenen, die von Mitgliedern des Orchesters und des Chors aus den offenen Türen zur Bühne erklingen. Einen großartigen Auftritt hat anschließend Beth Taylor als Zauberin, die plant, Dido zu vernichten. Taylor begeistert mit einem dunkel gefärbten Mezzosopran und einer unglaublichen Bühnenpräsenz, die die Zauberin absolut furchterregend erscheinen lässt. Mit Alena Dantcheva und Anna Piroli aus dem Chor hat sie zwei Hexen zur Seite, die ihr nicht nur an Diabolik in nichts nachstehen, sondern diese Szene zu einem weiteren Höhepunkt des Abends werden lassen. Daran haben auch die übrigen Chormitglieder einen bedeutenden Anteil, die die Szene mit unheimlichem Gelächter zu einem regelrechten Hexensabbat entwickeln. Zusammen mit der Umsetzung des Orchesters bekommt man eine Gänsehaut. Hugh Cutting tritt als vermeintlicher Merkur auf, der Aeneas zur Abreise gemahnt. Dabei lässt er sich von Taylor fast wie eine Marionette führen. Cutting überzeugt mit hellem Countertenor, der der Figur einen ätherischen Klang verleiht und Aeneas glauben lässt, dass es sich wirklich um eine göttliche Weisung handelt.

Großen spielerische Einsatz zeigt der Chor auch im Anschluss als trojanisches Volk, wenn Laurence Kilsby als Seemann mit zahlreichen Bierflaschen die Bühne betritt, und die Trojaner auffordert, die bevorstehende Abfahrt zu feiern. Umso unglücklicher zeigt sich Staples als Aeneas, weil er Dido eigentlich nicht in Karthago zurücklassen möchte. Es kommt zu einer großartigen Szene zwischen Staples und DiDonato, in der Dido den Geliebten harsch von sich weist. Hier zeigt sich DiDonato absolut kompromisslos und entschlossen, bevor sie dann nach Aeneas' Abreise zum großen Lamento ansetzt. Dabei zieht DiDonato noch einmal alle Register ihrer Kunst und begeistert mit einer Interpretation, die in ihrer Tragik zu Tränen rührt. Said steht als Belinda verzweifelt daneben, weil sie spürt, dass sie Dido keinen Trost spenden kann. Nahezu entrückt lässt der Chor am Ende dann Dido in eine andere Welt entschweben und beendet die Geschichte absolut emotional. Das Publikum bedankt sich zu Recht mit stehenden Ovationen. Zugaben gibt es an diesem Abend verständlicherweise keine.

FAZIT

Joyce DiDonato ist eine Idealbesetzung für die Partie der Dido und lässt mit dem übrigen herausragenden Ensemble bei dieser konzertanten Aufführung die szenische Umsetzung zu keinem Moment vermissen. Auch das relativ unbekannte Oratorium vor der Pause bewegt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Maxim Emelyanychev

Il Pomo d'Oro

Il Pomo d'Oro Choir
(Leitung: Giuseppe Maletto)


Solistinnen und Solisten

Historia di Jepthe

Jephte
Andrew Staples

Filia
Carlotta Colombo

Dido and Aeneas

Dido
Joyce DiDonato

Aeneas
Andrew Staples

Belinda
Fatma Said

Zauberin
Beth Taylor

Geist
Hugh Cutting

Zweite Frau
Carlotta Colombo

Erste Hexe
Alena Dantcheva

Zweite Hexe
An
na Piroli

Ein Seemann
Laurence Kilsby

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)



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