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Ein etwas anderer Julius Cäsar Von Thomas Molke / Fotos von Anna Kolata und Falk Wenzel (© Theater, Oper und Orchester GmbH Halle) Im "Jahr 1", nachdem mit Berenice, Regina d'Egitto die letzte Lücke im Händel-Repertoire geschlossen worden ist und nun alle Händel-Opern in der Geburtsstadt des Komponisten szenisch zur Aufführung gelangt sind, muss die Wahl für die Opernproduktion schon etwas Besonderes sein. Das "Besondere" dürfte aber weniger die Entscheidung für Giulio Cesare in Egitto darstellen, Händels wahrscheinlich am häufigsten gespielte Oper auf internationalen Bühnen, die schon zu Händels Lebzeiten zu den erfolgreichsten Produktionen des Hallenser Komponisten zählte und ihn weit über das übrige Opernschaffen der Zeit hob. Vielmehr kehrt mit dem Regie-Team Peter Konwitschny und Helmut Brade ein Duo nach Halle zurück, das in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mit Floridante, Rinaldo und Tamerlan bei den Händel-Festspielen Kultstatus erlangte und auch international viel Lob erhielt. Konwitschny war damals Hausregisseur am Landestheater Halle und startete von dort aus nach der Wende seine internationale Karriere. Natürlich darf man von Konwitschny keine klassische bzw. konventionelle Inszenierung erwarten. So wird Giulio Cesare folglich nicht auf Italienisch, sondern, wie seine damaligen Händel-Inszenierungen auch, in deutscher Sprache gespielt. Werner Hintze hat dafür eine neue deutsche Textfassung erstellt, die zumindest in den Arien sehr ungewöhnlich klingt. Man mag darüber streiten, ob der deutsche Text genauso gut auf die Musik der Arien passt wie das italienische Original. Aber das sind nicht die einzigen Eingriffe, die das Regie-Team vornimmt. Kleopatra (Vanessa Waldhart) verzaubert Cäsar (Grga Peroš) mit ihren Reizen. (© Falk Wenzel) Die Oper handelt von der berühmten Liebesgeschichte zwischen Gaius Julius Cäsar und der ägyptischen Königin Kleopatra im römischen Bürgerkrieg und spielt im Jahr 48 v. Chr. Cäsar hat seinen Gegner Pompejus besiegt und ist ihm nach Ägypten gefolgt. Ptolemäus, der dort mit seiner Schwester Kleopatra um die Königskrone streitet, such in Cäsar einen Verbündeten gegen seine Schwester und überreicht ihm zu diesem Zweck das abgeschlagene Haupt Pompejus' als Geschenk. Doch diese Sympathiebekundung zeigt nicht die erhoffte Wirkung, da Cäsar sich eigentlich mit seinem Widersacher in Ägypten versöhnen wollte. Außerdem ist Cäsar den Reizen Kleopatras sehr zugetan, so dass Ptolemäus erkennen muss, dass er Cäsar nicht auf seine Seite ziehen kann. Folglich verübt er einen Anschlag auf den römischen Feldherrn, dem dieser mit einem Sprung ins Meer entgeht. Kleopatra, die anschließend Cäsars Truppen gegen ihren Bruder zu mobilisieren versucht, unterliegt Ptolemäus und wird von diesem eingesperrt. Doch der tot geglaubte Cäsar ist den Fluten des Meeres entkommen und fügt Ptolemäus' Truppen eine entscheidende Niederlage zu. Ptolemäus selbst wird von Pompejus' Sohn Sextus aus Rache für den Vatermord getötet. Cornelia, Pompejus' Witwe, und Kleopatra werden aus der Gefangenschaft befreit. Kleopatra und Cäsar schwören sich ewige Liebe. Dafür darf sie als tributpflichtige Königin von Roms Gnaden den ägyptischen Thron besteigen. Cäsar zieht weiter, um die restlichen Gegner im Bürgerkrieg zu besiegen. Der tote Pompejus (Jake Arditti) fordert von seinem Sohn Sextus (hier Benjamin Schrade) Rache für den Vatermord. (© Anna Kolata) Das Regie-Team um Konwitschny und Brade fügt als zusätzliche Rolle den toten Pompejus ein, der als mahnender Geist die Gesangspartie des Sextus übernimmt. Dafür wird Sextus von einem Jungen gespielt, der die Rezitative spricht. Da Ptolemäus Cäsars Gegner hat köpfen lassen, tritt Jake Arditti als Pompejus folglich auch nur als Kopf auf. Der erste Auftritt entbehrt dabei nicht einer gewissen Komik. Der Kopf befindet sich auf einer goldenen Schale, die auf dem Bühnenboden steht, und Arditti befindet sich unter der Bühne, so dass nur sein Kopf auf der Schale zu sehen ist. Bei dem errichteten Grabmal befindet sich der Kopf in einer Öffnung hinter der Urne, die dort aufgestellt ist. Ob man die Urne herunterschmeißen, die Asche auf der Bühne verstreuen und Kleopatra die Asche mit einem Handfeger und einer Schaufel wieder in die Urne füllen lassen muss, ist sicherlich Geschmacksache. Eindrucksvoll gelingt auch Pompejus' letzter Auftritt in Ptolemäus' Harem, wenn sein Kopf plötzlich aus dem Bett herausschaut und die Haremsdamen entsetzt die Flucht ergreifen lässt. Inhaltlich geht dieser Regie-Einfall auf, da Sextus in seinen Arien nur von der Rache für den Vatermord singt. Die Worte können mit kleinen textlichen Änderungen auch seinem Vater in den Mund gelegt werden, der somit als Geist den Sohn zum Werkzeug seiner Rache instrumentalisiert. Jake Ardittis Countertenor ist für die Partie ein bisschen schrill und scharf. Fabian Waczlawcyk zeigt als junger Sextus große Spielfreude, und man nimmt ihm die Rufe nach seiner Mama und seinem Vater jederzeit ab. Die Ermordung des Ptolemäus gerät am Ende allerdings zu einer Slapstick-Nummer. Waczlawcyk springt auf Tomasz Wijas Rücken, und dieser dreht sich ein paar Mal, bis der Dolch schließlich in seiner Brust landet und er mit einem etwas albernen "Hoppla" tot zu Boden sinkt. Ptolemäus (Tomasz Wija, rechts) und Achillas (David Pichlmaier) planen, Cäsar zu töten. (© Anna Kolata) Diskutabel ist sicherlich die Entscheidung die Partien des Julius Cäsar und des Ptolemäus nicht mit Countertenören, sondern mit tiefen Männerstimmen zu besetzen. Zwar verfügen Grga Peroš als Cäsar und Tomasz Wija, der für den erkrankten Michael Zehe die Partie des Ptolemäus innerhalb kürzester Zeit in der neuen Textfassung einstudiert hat, jeweils über einen kräftigen Bariton, der einem Machtmensch der heutigen Zeit sicherlich näher kommt als eine ungewöhnlich klingende hohe Stimme dies vermag. Dennoch leben die Arien des Cäsar und des Ptolemäus besonders in den Koloraturen von den stupenden Höhen, die ein Bariton in der tiefen Lage nicht einfangen kann. Auch in den Läufen zeigen sich Peroš und Wija nicht so beweglich, wie es einem Countertenor möglich wäre. So bleibt Cäsars erste große Arie, wenn er Ptolemäus seine ganze Verachtung entgegenschleudert, als dieser ihm den abgeschlagenen Kopf des Pompejus präsentiert, etwas blass. Die Gleichnis-Arie, in der Cäsar seinen Plan, gegen Ptolemäus vorzugehen, mit einem Jäger vergleicht, der die Beute geschickt in die Falle lockt, nutzt Konwitschny für einen weiteren Regie-Coup. Ptolemäus hat Cäsar zum gemeinsamen Essen eingeladen, und die beiden versuchen, sich gegenseitig zu vergiften, was für ihre beiden Vorkoster tödlich endet. Die berühmte Horn-Arie wird beim ersten Todesfall auch unterbrochen und erst später fortgesetzt. Wieso Cäsar in Frauenkleider schlüpfen muss, um in die Fluten zu springen, erschließt sich nicht wirklich, führt aber ebenfalls zu Amüsement im Publikum. Cornelia (Svitlana Slyvia, hinten rechts) landet in Ptolemäus' (Tomasz Wija) Harem (Statisterie). (© Anna Kolata) Vanessa Waldhart begeistert als Kleopatra nicht nur optisch. Auch stimmlich glänzt sie mit einem glockenklaren Sopran, der die Vielschichtigkeit dieser Figur in den einzelnen Arien differenziert herausarbeitet. So zeigt sie sich zu Beginn absolut selbstbewusst und siegesgewiss, wenn sie glaubt, ihren Bruder vom Thron stürzen und Cäsar durch ihre weiblichen Reize für sich einnehmen zu können. In knappem Bikini begeistert sie auch noch sportlich durch einen Spagat. Im zweiten Akt wird sie Opfer ihrer Gefühle und muss erkennen, dass sie sich wirklich in Cäsar verliebt hat. Umso tiefer gestaltet sie folglich den Fall, wenn sie glaubt, dass ihr Geliebter gestorben ist und sie von ihrem Bruder inhaftiert wird. Bei der berühmten Arie "Piangerò la sorte mia" funktioniert dann auch die deutsche Variante "Ohne Trost" relativ gut. Svitlana Slyvia gestaltet die Partie der Cornelia mit einem satten, dunklen Mezzosopran. Natürlich kann sie das berühmte Duett "Son nata a lagrimar" nicht mit ihrem Sohn Sextus singen, da seine Rolle ja als Sprechrolle konzipiert ist und dieser Text dramaturgisch nicht zum toten Pompejus passt. Aber dennoch muss das Publikum auf dieses Glanzstück der Oper nicht verzichten. Konwitschny stellt das Duett, das in der Oper eigentlich am Ende des ersten Aktes steht, wenn Sextus vor den Augen der Mutter in den Kerker zur Hinrichtung geführt und Cornelia in Ptolemäus' Harem gebracht wird, an das Ende der Oper und lässt es von Kleopatra und Cornelia singen, nachdem Cäsar mit den römischen und ägyptischen Truppen die Frauen allein am Strand zurückgelassen hat. Das erschließt sich inhaltlich zwar nicht wirklich, schmälert den musikalischen Genuss aber keineswegs, da Slyvias Mezzo und Waldharts Sopran hier zu einer bewegenden Innigkeit finden. Robert Sellier, David Pichlmaier und Maik Gruchenberg runden das Ensemble als Curio, Achillas und Nirenus überzeugend ab. Michael Hofstetter führt das Händelfestspielorchester Halle mit sicherer Hand durch die vielschichtige Partitur, so dass es großen Beifall für die musikalische Gestaltung des Abends gibt. FAZIT Dieser Julius Cäsar ist in vielerlei Hinsicht anders als man die Oper gewohnt ist. Konwitschnys Lesart der Oper ist in mancher Hinsicht diskutabel, genauso wie einige musikalische Entscheidungen bezüglich der Besetzung und der Anordnung einzelner Nummern im Stück. Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2019 in Halle Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Ausstattung
Licht
Chor
Dramaturgie
Händelfestspielorchester Halle Statisterie der Oper Halle
Chor der Oper Halle
*rezensierte Aufführung
Die Römer
Curio
Cornelia
Der tote Pompejus
Sextus (Sprechrolle)
Die Ägypter
Ptolemäus Michael Zehe
Achillas
Nirenus
Solovioline auf der Bühne
Solohorn auf der Bühne
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