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Eine Komödie der Aufklärung
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Thilo Beu
Hier sind sie also, die Engel. In der parallel entstandenen Produktion von >Hänsel und Gretel, wo beim Abendsegen 14 von ihnen besungen werden, hatte Regisseur Momme Hinrichs auf sie verzichtet. Zumindest fünf davon sind in dieser Oper hier untergekommen, richtige Vorzeigeengel in langen weißen Gewändern, die der Cenerentola, diesem Rossini'schen Aschenputtel, zur Seite stehen und manchmal kräftig pusten, um die Handlung im Sinne der Titelheldin voranzutreiben. Ach, wie niedlich, natürlich viel zu niedlich und mit enormem Kitschfaktor, ein bittersüßer Kommentar zur Märchenwelt, in der man aus der Asche in den Glanz des Palastes aufsteigen kann. Und ein Irritationsmoment haben diese Engel doch, denn wie unentwegt die Umgebung musternde Vögel bewegen sie ruckartig ihre Köpfchen. Dem Idyll ist nicht zu trauen.
Regisseur Leo Muscato inszeniert La Cenerentola als üppig ausgestattetes Märchen (Bühne: Andrea Belli) mit tollen Kostümen (Margherita Baldoni) und ihm gelingt das Kunststück, diese Märchenwelt mit oft feiner, manchmal etwas gröberer Ironie zu brechen, aber nicht zu karikieren. Eine elegant geschwungene Treppe windet sich auf der Drehbühne zum Bühnenhimmel, darunter befindet sich Cenerentolas Kamin - unten und oben sind immer präsent. An den die Bühne begrenzenden Wänden mit leicht verblassten Zeichnungen exotischer Landschaften, Traumwelten des in die Jahre gekommenen Rokoko, führt eine Galerie herum, zunächst unerreichbar, später wird sie für die Szenen im Schloss ein Stück herabgelassen und schließt sich an die Treppe an - das ist theaterpraktisch ziemlich raffiniert gelöst (und erlaubt schöne Auftritte), schafft ein stimmungsvolles Ambiente und ist doch sichtbar Theater. Der Hofstaat des Prinzen bewegt sich galoppierend wie eine etwas tumbe Kavallerie, das ist ein running gag der Inszenierung und bedient die Mechanismen der Komödie (der Herrenchor der Oper Bonn singt dazu kraftvoll, vielleicht eine Spur zu laut, und aufmerksam; Einstudierung: Marco Medved). Die Genauigkeit der Choreographie besteht darin, immer ganz bewusst ein wenig ungenau zu sein: Auch hier unterläuft Muscato geschickt die Erwartungen.
Cenerentola mit rettenden Enhgelchen
Aber das Stück, so naiv-verspielt es sich stellenweise präsentiert, will gar nicht einfach nur Märchen sein, sondern ein musikdramatischer Bildungsroman. Alidoro, der Lehrer des Prinzen (stimmlich unauffällig solide: Lisandro Abadie), fungiert als Spielmeister mit dem Ziel, den Beteiligten die wahre Tugend vor Augen zu führen. Zunächst als Bettler von den bösen Steifschwestern gedemütigt und vom braven Cenerentola aufgenommen, ersetzt er im Libretto die obligate gute Fee (in den romanischen Varianten des Märchens) oder den zaubermächtigen Vogel (bei den Gebrüdern Grimm), lenkt also Geschicke. Aber im golddurchwirkten Mantel ist er in dieser Inszenierung der omnipräsente und sehr elegante Prinzen- und Menschheitserzieher. Auch das eine Spur zu schön gezeichnet, als dass man darin nicht auch eine Doppelbödigkeit sehen mag. Vielleicht sind die aufklärerischen Ideale eben auch so eine Märchenwelt für sich.
Und wer soll da was lernen? Natürlich das Publikum gemeinsam mit den bösen Stiefschwestern Tisbe (Charlotte Quadt mit betörendem Mezzosopran) und Clorinda (Marie Heeschen mit klangschöner Leichtigkeit), die keineswegs abgrundtief böse auftreten, sondern sich als komödiantisch überzeichnete verwöhnte Gören präsentieren. Cenerentolas Vater Don Magnifico (überaus präsent: Martin Tzonev) wird ziemlich konventionell gezeichnet, immerhin mit ein paar Selbstzweifeln. Angelina, wie die Cenerentola mit richtigem Namen heißt (in der hier besprochenen Aufführung singt Luciana Mancini mit interessantem Timbre und großer Beweglichkeit in den Koloraturen, im Forte manchmal ein wenig ungenau fokussiert), hat dagegen wenig mit der üblichen unterwürfig-demütigen Magd zu tun: Hier agiert eine von Beginn an ziemlich selbstbewusste junge Frau, bei der zwar der dunkle Saum des keineswegs lumpenhaften Kleides auf die Asche hindeutet, die Aschenbrödel-Sphäre aber mehr Zitat als Realität ist. Auch sie eine (sehr schnell) Lernende, wenn es darum geht, auf Rachegedanken zu verzichten, wenn sich das Schicksal gerade einmal günstig zeigt. Und der Prinz Don Ramiro (mit beweglichem, leichtem Tenor: Francisco Brito) und sein Diener Dandini (sehr agil und anpassungsfähig an seine sich ständig ändernde Situation: Carl Rumstedt), die in vertauschten Rollen auftreten? Die lernen, dass die soziale Hierarchie prinzipiell auch umkehrbar sein könnte, dass der Diener sehr gut den Herren geben kann, und dass der gute Herrscher natürlich der ist, dem die Nöte der anderen am Herzen liegen. Große Gedanken, aber mit leichter Hand spritzig inszeniert. Die Komödie wird nie überstrapaziert.
Allgemeine Konfusion: Don ramiro ringt mit Cenerentolas Vater Don Magnifico, Cenerentola (rechts) will weiteres Unheil abwenden. Stiefschwestern Tisbe und Clorinde sowie Diener Dandini schauen betroffen zu.
Diese Souveränität in der szenischen Umsetzung erreicht die instrumentale Seite nicht ganz. Unter der Leitung von Rubén Dubrovsky spielt das Beethoven Orchester ganz ordentlich, und vor allem die Ensembles sind sehr genau ausgestaltet, auch im vokalen Bereich. Sehr schön gelingt auch Rossinis Dramaturgie der Steigerungen. Nicht ganz so geglückt sind manche der langsameren Passagen, bei denen die Musik mitunter allzu statisch bleibt. Und insgesamt wäre eine Spur mehr Esprit und Leichtigkeit wünschenswert, um mit dem Witz der Regie mithalten zu können. Aber insgesamt gelingt hier eine recht gute musikalische Umsetzung.
Eine ebenso unterhaltsame wie geistreiche Cenerentola, nicht zu leicht und nicht zu schwer.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Don Ramiro
Dandini
Don Magnifico
Tisbe
Clorinda
Angelina
Alidoro
Hammerflügel
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