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Ritter in virtuellen Realitäten
Von Stefan Schmöe / Fotos von Jochen Quast
Es ist ein Spiel um Fiktion und Realität: Don Quijote, Miguel de Cervantes` Ritter von der traurigen Gestalt, besucht die Aufführung eines Puppentheaters - um alsbald in die Geschichte um die von den Mauren entführte Prinzessin Melisandra einzugreifen und den Puppen die Köpfe abzuschlagen. Manuel de Falla hat die Geschichte vertont im Auftrag von Winaretta Singer, Tochter des Nähmaschinenfabrikanten Isaac Singer und per Heirat Prinzessin de Polignac, in deren Pariser Palais das knapp halbstündige Werk 1923 uraufgeführt wurde. In diesem kleinen Rahmen noch komplett für Puppen konzipiert, spielten bei den folgenden Aufführungen in größeren Theatern die Sänger ganz real auf der Bühne - so wie jetzt in dieser (bereits für den Herbst 2020 geplanten, wegen der Pandemie dann verschobenen) Produktion der Rheinoper, die dafür mit dem Düsseldorfer Marionettentheater kooperiert. Die Geburt des Ritters aus dem Geiste der Literatur: Don Quijote
Vorgeschaltet sind Strawinskys neoklassizistischen Danses Concertantes, sodass die Aufführung insgesamt etwa 45 Minuten dauert. Zu dieser Musik sieht man, wie Bühnenarbeiter die Puppenbühne und Sitzbänke aufbauen, Don Quijote mit ihnen zu streiten beginnt (es gibt ein hübsches Duell zwischen Schwert und Akkuschrauber), am Ende alles für die Aufführung präpariert ist. Die Marionettenbühne und alles, was dort geschieht, hat Anton Bachleitner, der Leiter des Marionettentheaters, entworfen - ein poetisches Bühnenbild und märchenhafte Marionetten. Die beiden Puppenspieler (Neben Bachleitner noch Anna Zamolska) sind dabei immer zu sehen. Mehr Brechungen gibt es aber nicht, und insgesamt verläuft das Puppenspiel eine Spur zu gefällig, um eigene Akzente zu setzen. Auf Meister Pedros Puppenbühne wird die Geschichte von der entführten Prinzessin Melisendra gezeigt (oben: Puppenspieler Anton Bachleitner und Anna Zamolska)
Für das Gesamtkonzept verantwortlich sind Ilaria Lanzino und Torge Möller. Don Quijote, ein eleganter Bilderbuchritter, sitzt zwischen heutigen Menschen. Richard Šveda singt ihn mit großformatigem Bariton. Meister Pedro, Betreiber des Puppentheaters (solide: Serghej Khomov) und sein Sohn (ein wenig zu sehr das plärrend kindliche hervorhebend: David Fischer), der fortlaufend die Handlung des Puppenspiels erzählt, merkt man noch die Herkunft aus dem Puppentheater an, und beide sind allzu drollig angelegt. Don Quijotes Begleiter Sancho Pansa (Frank Schnitzler in einer stummen Rolle) bleibt ziemlich nebensächlich. Don Quijote und Sancho Pansa
Um das Eindringen des Ritters in die Sphäre des Puppenspiels deutlich zu machen, verwendet Torge Möller die Green-Screen-Technologie - vor einer grünen Wand stehend, wird die Figur in die Videoaufnahmen der Puppenbühne eingeblendet. Das sieht hübsch aus und ist eine plausible Umsetzung der Vermischung von realer und fiktionaler Sphäre, und zu sehen gibt es auch für die jungen Zuschauer (die Rheinoper empfiehlt die Produktion für Menschen ab sechs Jahren) genug, um über die kurze Spieldauer zu tragen. Man hat allerdings permanent drei Ebenen vor Augen: Die Puppenbühne, Don Quijote und die anderen Zuschauer daneben und noch eine Leinwand über allem (und wenn man die Übertitel der - in deutscher Sprache gesungenen - Aufführung mitlesen will, sogar noch eine vierte). Ganz einfach ist es nicht, da allem zu folgen. Puppentheater und Green-Screen-Technologie auf der Opernbühne
Indem Don Quijote per virtual reality die Puppenspieler auf der Leinwand bekämpft, was recht harmlos vonstattengeht, verliert die Geschichte ihre Brechung. Zwar wird das Puppentheater auf der Bühne irgendwie ramponiert, aber die Tragikomik geht verloren. Don Quichote wird zum Phänomen der Technik, auf der Bühne bleibt er im entscheidenden Moment kraftlos, da fehlt es an Zerstörungswut. Das liegt natürlich auch an der Entscheidung für eine kindgerechte Umsetzung, die an Verfremdung wenig Interesse hat (ein bisschen Spiel mit den Zeitebenen von Cervantes über de Falla bis in unsere Zeit hat kaum Gewicht) und letztendlich die Geschichte brav erzählt, aber auch nicht mehr. Ein bisschen mehr Mut - und Vertrauen in die Fantasie des jungen Publikums - hätte der Regie dabei durchaus gutgetan. De Fallas Musik für Kammerorchester mit Cembalo spielt elegant mit alten Formen, könnte aber mehr Leichtigkeit und Esprit vertragen, als die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Ralf Lange aufbieten.
Hübsche und kindgerechte, nicht allzu fordernde Aufführung, ein wenig zu nett geraten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Live-Video
Inszenierung
Regie und Ausstattung
Licht
Dramaturgie
Solisten
Meister Pedro
Sein Junge
Don Quijote
Puppenspieler
Sancho Pansa
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