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L'italiana in Londra

Intermezzo in musica in zwei Akten
Text von Giuseppe Petrosellini
Musik von Domenico Cimarosa

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere in der Oper Frankfurt am 26. September 2021



Oper Frankfurt
(Homepage)
Skurrile Geschichte in abstrakter Optik

Von Thomas Molke / Fotos von Monika Rittershaus

Obwohl Domenico Cimarosa Ende des 18. Jahrhunderts zu den am meisten aufgeführten Komponisten in ganz Europa zählte - Joseph Haydn dirigierte beispielsweise in Esterháza zwischen 1783 und 1790 dreizehn seiner Opern -, stehen seine Werke heute fast gar nicht mehr auf den Spielplänen der Opernbühnen. So kennt man von dem letzten Vertreter der "neapolitanischen Schule", der als wichtiges Bindeglied zwischen Mozart und Rossini gilt und von dem Schwan von Pesaro außerordentlich geschätzt wurde, eigentlich nur noch das Dramma giocoso Il matrimonio segreto, das ab und zu noch im Repertoire zu erleben ist und zu seinen größten Erfolgen zählt. Den internationalen Durchbruch erlangte Cimarosa allerdings schon einige Jahre früher mit seiner zwölften Oper, dem Intermezzo in musica L'italiana in Londra. Nach der erfolgreichen Uraufführung 1778 am Teatro Valle in Rom war das Werk bald in vielen Städten Europas zu erleben, auch in Frankfurt in einer deutschen Bearbeitung. Nun hat man sich in Frankfurt entschieden, im Rahmen des ersten Premierenwochenendes auch Cimarosas L'italiana eine neue Chance zu geben und dem Vergessen zu entreißen. Und so viel lässt sich direkt zu Beginn sagen: Musikalisch ist es wirklich traurig, dass diese Oper nur in den Archiven schlummert.

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Die Italienerin Livia (Angela Vallone, auf dem Tresen) zwischen Sumers (Theo Lebow, links), Arespingh (Iurii Samoilov, rechts auf dem Boden) und Polidoro (Gordon Bintner, rechts) (rechts hinter dem Tresen: Madama Brillante (Bianca Tognocchi))

Erzählt wird die Geschichte der jungen italienischen Adeligen Livia aus Genua, die sich einst in den englischen Milord Arespingh verliebt hatte. Doch der Vater des Lords durchkreuzte die Pläne der beiden Liebenden und holte seinen Sohn zurück nach England, um ihn dann nach Jamaica zu schicken. Livia folgte dem Geliebten nach London und konnte ihn natürlich nicht finden. So landete sie schließlich im Hotel von Madama Brillante und entwickelte sich zu ihrer Vertrauten. Zu Beginn der Oper kehrt nun Arespingh aus Jamaica zurück, da sein Vater ihn mit einer englischen Lady verheiraten will. Arespingh ist verzweifelt, da er Livia immer noch liebt, allerdings nicht weiß, dass sie mittlerweile in London ist. Im Hotel hat Livia auch noch die Aufmerksamkeit zweier anderer Herren auf sich gezogen. Da ist zunächst der Neapolitaner Don Polidoro, der der englischen Lebensart gar nichts abgewinnen kann und sich nach dem "Dolce vita" in Italien sehnt. Auch der niederländische Kaufmann Sumers, der beklagt, dass die Zeitungen nur von Kriegen berichten, ist an der schönen Italienerin interessiert. Als dann Arespingh im Hotel auftaucht, kommt es zu einigen Verwicklungen und Rivalitäten zwischen den Männern. Madama Brillante, die selbst ein Auge auf Don Polidoro geworfen hat, bringt auch noch einen vermeintlichen magischen Stein, einen Heliotrop, ins Spiel, der seinen Besitzer angeblich unsichtbar macht. Damit versucht Don Polidoro, sich Livia zu nähern. Doch schlussendlich kann Arespingh Livia überzeugen, dass er sie immer geliebt hat und die Trennung nur durch eine Intrige seines Vaters verschuldet wurde. Don Polidoro muss erkennen, dass der Heliotrop nicht unsichtbar macht und er das Herz der schönen Livia nicht gewinnen kann, und tröstet sich mit Madama Brillante. Sumers geht zwar leer aus, freut sich aber mit den beiden anderen Paaren.

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Arespingh (Iurii Samoilov, links), Polidoro (Gordon Bintner, Mitte) und Sumers (Theo Lebow, rechts) buhlen um Livias Gunst.

Das Regie-Team um R. B. Schlather setzt die verrückte Geschichte temporeich und mit viel Slapstick-Komik um. Bühnenbildner Paul Steinberg gestaltet das Hotel als einen abstrakten kreisrunden Raum, der durch den Einsatz der Drehbühne zwischen einer weißen Seite mit schwarzen geometrischen Formen und einer schwarzen Seite mit weißen geometrischen Formen wechselt. Die Figuren kreisen um diesen Raum, aus dem es wohl kein Entkommen gibt. Türen entpuppen sich als Täuschungen und führen weder hinein noch hinaus. Die einzige Verbindung zur Außenwelt scheint eine Telefonzelle auf der rechten Bühnenseite darzustellen. Hier kommuniziert Arespingh mit seinem Vater, um sich dessen Plänen zu widersetzen. Die Kostüme von Doey Lüthi spielen mit Stereotypen. So tritt der englische Lord mit schwarzer Melone auf, und der italienische Lebemann protzt mit zahlreichen Goldkettchen und einer stark behaarten Brust, die er stolz zur Schau trägt. Der Kaufmann kommt recht bieder in einem farblich unattraktiven Anzug daher. Der durch das Bühnenbild staksende Ritter in seiner silbernen Rüstung ist ebenso absurd wie die ganze Handlung. Madama Brillante setzt farbliche Akzente und macht durch ihre optisch auffallenden Kostüme deutlich, dass sie eigentlich hier die Szene beherrscht. Livia schwebt zunächst von diversen Flaggen eingehüllt an der Wand. Im Anschluss wirkt sie in ihrem schwarzen Kostüm eher unscheinbar, bevor sie sich schließlich in einem pinkfarbenen ausladenden Kleid mit ihrem Geliebten in der Telefonzelle aussöhnt. Dass Arespingh dabei seine Hose verliert und sich schließlich Sumers' Hose borgt, stellt einen weiteren pikanten Regie-Einfall dar.

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Heftiger Streit vor leidenschaftlicher Versöhnung: Livia (Angela Vallone) und Arespingh (Iurii Samoilov)

Das Ensemble glänzt auch in der Personenregie mit überbordender Komik. Da ist zunächst Bianca Tognocchi als Madama Brillante zu nennen, der es wunderbar gelingt, Polidoros Interesse an der schönen Livia auf sie umzulenken. Mit Kostümen, die ihre Rundungen betonen, macht sie sehr deutlich, dass sie alles daran setzen wird, den heißblütigen Italiener für sich zu gewinnen. Hinzu kommt Tognocchis wunderbar komödiantische Mimik. Schon während der Ouvertüre spielt sie wunderbar mit der Musik, wenn sie beispielsweise im Takt den Tresen reinigt oder mit den Fingern in der Luft tanzt, während sie in einem Buch blättert, das offensichtlich aus ihrer italienischen Heimat stammt. Die Geschichte mit dem Stein, der angeblich unsichtbar macht, spielt sie glaubhaft aus. Stimmlich begeistert Tognocchi durch einen vollen Sopran. Angela Vallone legt die Titelpartie zunächst sehr leidend und mit weichem Sopran an. Erst als sie erfährt, dass Arespingh zurückgekehrt ist, zeigt sie sich kampfbereiter, zumal sie merkt, dass sie theoretisch ja auch bei anderen Männern gute Chancen hätte. Besondere Komik entfaltet sie im Streit mit Arespingh, wenn sie abwechselnd einander Vorwürfe machen und immer wieder dann den Streit beginnen, wenn der andere gerade einlenkt. Dabei punktet Vallone mit beweglichen Koloraturen.

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Madama Brillante (Bianca Tognocchi) schwärmt für Don Polidoro (Gordon Bintner).

Iurii Samoilov punktet als verliebter Milord Arespingh mit kräftigem Bariton und legt die Figur zunächst recht verzweifelt an. Mit großer Komik buhlt er mit den anderen Männern um Livia und benötigt einige Anläufe, bis er sie endlich von seiner Treue überzeugen kann. Auch Theo Lebow verfügt als Sumers über großes komisches Talent. Dabei legt er den Kaufmann recht skurril an und macht deutlich, wieso er als einziger am Ende leer ausgehen muss. Wenn er zum Duellieren einen Kamm hervorholt, mit dem er sich anschließend die Haare frisiert, wird deutlich, dass er um die Gunst Livias keine große Gefahr für Arespingh darstellen wird. Die größte Komik kann Gordon Bintner als Don Polidoro entfalten. Die Buffo-Partie bietet aber auch Vergnügen pur. Wenn er vermeintlich unsichtbar zunächst um Livia und Madama Brillante und später um alle vier herumschleicht, dabei auch noch einen Purzelbaum schlägt, führt das im Publikum zu großer Erheiterung. Wunderbar steht ihm auch der selbstgefällige Macho, mit dem er bei den Frauen landen will. Sein Bariton ist dabei markant viril und unterstreicht, wie sehr er von sich selbst überzeugt ist. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zaubert unter der Leitung von Leo Hussain aus dem Graben einen frischen Klang, der in den Läufen stark an Mozart erinnert, und macht deutlich, wieso Cimarosa eigentlich zu Unrecht auf den Bühnen derart vernachlässigt wird. So gibt es für alle Beteiligten am Ende begeisterten Beifall, in den sich auch das Regie-Team zu Recht einreiht.

FAZIT

Die Oper Frankfurt hat mit L'italiana in Londra eine Rarität ausgegraben, die musikalisch und inhaltlich einen Platz im Repertoire verdienen würde.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Leo Hussain

Inszenierung
R. B. Schlather

Bühnenbild
Paul Steinberg

Kostüme
Doey Lüthi

Licht
Joachim Klein

Dramaturgie
Mareike Wink

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Statisterie der Oper Frankfurt


Solisten

Livia
Angela Vallone

Madama Brillante
Bianca Tognocchi

Sumers
Theo Lebow

Milord Arespingh
Iurii Samoilov

Don Polidoro
Gordon Bintner

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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