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Der Vampyr

Große romantische Oper in zwei Akten
Libretto von Wilhelm August Wohlbrück, Dialogfassung von Till Briegleb
Musik von Heinrich Marschner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere in der Staatsoper am 25. März 2022
(rezensierte Aufführung: 09.05.2022)




Staatsoper Hannover
 (Homepage)
Fröhliche Grufties

Von Christoph Wurzel / Fotos: © Sandra Then

Heinrich Marschner gehört zu den heute Vergessenen, die zu Lebzeiten einmal Erfolgreiche waren. In einigen Städten sind noch Straßen nach ihm benannt, wie im Lausitzstädchen Zittau, wo er 1795 geboren wurde. In Hannover wurde ihm ein steinernes Denkmal gesetzt, denn hier war er bis 1860 drei Jahrzehnte Kapellmeister am Königlichen Opernhaus. Aufgeführt werden seine Werke aber kaum noch, trotz nicht unbeträchtlichen Ruhms, den er sich in der Mitte des 19.Jahrhunderts vor allem mit seinen Opern erarbeitete. Sein erster Erfolg wurde Der Vampyr, dessen erfolgreiche Uraufführung 1828 in Leipzig Marschners Durchbruch als Opernkomponist brachte und der im 19. Jahrhundert häufig gespielt wurde. Dann erlosch das Interesse an dieser Oper und sie lebte lediglich als Titel in namhaften Opernführern weiter. Nun hat sich die Oper Hannover um eine Wiederbelebung bemüht.

Angeregt wurden Marschner und sein Librettist Wilhelm August Wohlbrück vom ersten einschlägigen Roman des Horrorgenres The Vampire von John William Polidori, das 1819 erschien, also noch längst vor dem bis heute bekannteren Dracula von Bram Stoker. Musikalisch steht die Oper irgendwo zwischen der leichten deutschen Spieloper mit umfangreichen Chorszenen, der französischen Grand Opera und der dämonischen Romantik eines Freischütz. Richard Wagner wiederum scheint sich später bei Marschner bedient zu haben. Frappierende Ähnlichkeit in Text und Musik gibt es zwischen Sentas Ballade vom Fliegenden Holländer  und einer Romanze im Vampyr. Während dort Senta sich aber vom "bleichen Mann" angezogen fühlt, fürchtet sich hier Emmy vor einem ebenso bezeichneten Mann - und zwar zurecht, denn sie wird eines seiner Opfer werden.

Mit schwerer Schuld beladen ist Lord Ruthven zur Existenz eines Vampyrs verdammt. Um als Untoter  gleichsam überleben zu können und nicht ewiger Verdammnis anheim zu fallen, muss er innerhalb 24 Stunden drei junge Frauen aussaugen und töten. Ruthvens Mittel ist aber nicht rohe Gewalt, sondern erotische Anziehung, denn mit einem Kuss tötet er seine Opfer, die interessanterweise alle Bräute ("zart und rein") sind. Die leichtgläubige Janthe geht seinen Schmeicheleien rasch auf den Leim, schwieriger ist Emmy zu gewinnen. Mit etwas Schmuck kann er auch sie überwinden und töten. Das dritte Opfer, Malwina, die Tochter des Großgrundbesitzers Humphry Devenaut, scheint uneinnehmbar, denn sie ist unsterblich in Lord Aubry verliebt. Ihr Vater präsentiert ihr aber einen anderen, unbekannten Bräutigam, in dem Aubry schnell den Vampyr erkennt;  denn im früheren Leben hat jener ihm das Leben gerettet. Durch einen Schwur gebunden darf Aubry dessen Identität aber nicht preisgeben, ohne selbst das Schicksal eines Vampyrs zu erleiden, wie er glaubt.

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Wie tötet man einen Vampyr?: Michael Kupfer-Radecky als Vampyr und Norman Reinhardt als Lord Aubry

Im packenden Finale kommt es fast zur unheilvollen Hochzeit des Vampyrs mit Malwina, doch Aubry kann die Zeremonie so lange hinauszögern, bis die Glocke den neuen Tag verkündet und der Vampyr zu Boden sinkt. Mit einem feierlichen Schlussgesang endet die Oper: "Wer Gottesfurcht im frommen Herzen trägt, dem muss der Hölle dunkle Macht entweichen." Diese hymnische Melodie durchzieht als Leitgedanke die Oper von der Ouvertüre an, während sich die musikalische Sphäre des Vampyrs im schmerzendem Pfeifen der Piccoloflöten, kreischenden Frauenstimmen im Chor und in düsteren Mollakkorden bemerkbar macht.

Das Eindringen des Bösen in die heile Bürgerlichkeit, nicht zuletzt die Furcht vor unbezwingbarer erotischer Anziehung bildet den durchaus spannenden Nährboden dieser Oper. Doch die Regie richtet keinen psychologischen Blick auf die Handlung, sondern hat ihr ein Konzept übergestülpt, das nur wenig aufgeht. Einerseits sind störende Längen des Librettos gekürzt, andererseits wird eine Nebenhandlung hinzugefügt, die der Handlung wiederum Spannung und Stringenz entzieht. Anstelle der meisten Originaldialoge hat sich Dramaturg Till Briegleb als Librettist versucht und drei Figuren hinzu erfunden, die mal mehr, meistens aber weniger schlüssig mit der Handlung verbunden sind. Da werden zwischen Astarte (in unterschiedlichen Mythen mal Liebes-, mal Todesgöttin) und Ahasver (dem "ewigen Juden" der christlichen Mythologie) metaphernreich und bedeutungsschwer Diskussionen über den Lauf der Welt geführt und Lord Byron (angeblicher Ideengeber für Polidoris Roman), darf als kostümierter Elton-John-Verschnitt wortreich mit seiner Amoralität prahlen und sogar noch einen Popsong zu Besten geben.

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Gemütlicher Plausch: Lord Byron alias Elton John, Emmy (Nikki Treurniet), Ahasver (Jonas Grundner-Culemann) und Astarte (oben: Oana Solomon) mit Ensemble

Wenn zwischendurch noch Oper zu erleben ist, sieht man sie entweder als Gruselszene (1. Szene: "Chor der Geister, Hexen, Todesfratzen"), als Operetten-Parodie (Liebesduett Malvina und Aubry) oder Klamotte (Bauernhochzeit). Das Volk, d.h. der Chor, steckt stets im schwarzen Gruftielook, mal grotesk und mal elegant gestylt und meistens fröhlich. Das Bühnenbild des ersten Akts stellt als Assoziation zu den NS-Judenpogromen die zerstörte Synagoge von Hannover dar und im zweiten Akt die Shopping-Mall in Braunschweig. Wie vielfach in dieser Inszenierung werden Zusammenhänge behauptet, darüber hinaus aber szenisch nicht weiter eingelöst. Denn angesichts derartiger optischer Sinnüberfrachtung bleibt für subtile Personenführung wenig Raum, sie ist pauschal und uninspiriert.

Wenigstens die musikalische Seite vermag einen guten Eindruck von der Qualität dieser Oper zu vermitteln. Der Hannoveraner GMD Stephan Zilias legt sich für Marschners Musik gewaltig ins Zeug. Schon in der Ouvertüre lässt das Orchester die reiche Farbigkeit der Partitur erkennen, spielt zupackend und spannungsreich. Die formale Unentschiedenheit der Partitur zwischen den Stilen erscheint in Zilias' Interpretation nicht als Mangel, sondern durchaus als interessanter Kontrast. Wäre die Oper ohne die überflüssigen Zutaten durchgängig gespielt worden, hätte sich ein noch stärkerer Eindruck ergeben.

Sängerisch ist die Produktion unausgewogen. Michael Kupfer-Radecky zeigt den Vampyr im silbernen Fledermauskostüm ebenso überzeugend als hinterhältigen Verführer wie als kaltblütigen Mörder. Seine Auftrittsarie singt er facettenreich und stimmlich eindrucksvoll. Der Sopranistin Mercedes Arcuri als Malwina wird darstellerisch von der Regie etwas zu viel Parodie abverlangt. Vokal ist die Sängerin allerdings ganz auf der Höhe dieser anspruchsvollen Partie. Als Emmy beeindruckt Nikki Treurniet mit der ausdrucksstark gesungenen Ballade vom bleichen Mann. Als Janthe gibt Petra Radulovic ein schönes Rollenportrait.

Malwinas Vater, der Herr des schottischen Gutes Davenaut, stellt sich in dieser Inszenierung als Ölscheich vor, weswegen das Kleid seiner Tochter mit Shell-Muscheln besät ist. Shavleg Armasi singt diese Figur mit kräftigem Bass. Als stimmliches Leichtgewicht dagegen kommt Malwinas Verehrer Lord Aubry in einem VW-Käfer auf die Bühne gerollt. Norman Reinhardt singt diese Partie eher wie ein schlechter Operettentenor mit Schmalz und Schluchzern und in der Höhe unsauber intoniert. Die kleineren Rollen sind tadellos besetzt. Auch der Chor bewältigt seine umfangreiche Partie solide, wenngleich nicht immer homogen.

FAZIT

Die Oper Hannover wollte mit dieser Produktion ihrem Urahn Heinrich Marschner offenbar ein lebendiges Denkmal setzen. Gelungen ist dies lediglich auf musikalischer Seite. Szenisch hätte die Oper eine tiefere Auseinandersetzung verdient, ohne aufgesetztes Konzept und vor allem ohne Elton John.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stephan Zilias

Inszenierung, Bühne
Ersan Mondtag

Künstlerische Mitarbeit
Simon Lesemann

Kostüme
Josa Marx

Licht
Sascha Zauner

Ton
Christoph Schütz

Chor
Lorenzo da Rio

Dramaturgie
Till Brigleb
Julia Huebner

 

Niedersächsisches Staatsorchester
Hannover

Chor der Staatsoper Hannover

Statisterie der Staatsoper Hannover

 

Solistinnen und Solisten

Sir Humphry, Laird von Davenaut
Shavleg Armasi

Malwina, seine Tochter
Mercedes Arcuri

Edgar Aubrey
Norman Reinhardt

Lord Ruthven
Michael Kupfer-Radecky

Sir Berkley
Daniel Eggert

Janthe, seine Tochter
Petra Radulovic*

George Dibdin
Philipp Kapeller

Emmy
Nikki Treurniet

James Gadshill
Pawel Brozek

Richard Scrop
Peter O'Reilly*

Robert Green
Darwin Prakash*

Thomas Blunt
Markus Suihkonen

Suse
Weronika Rabek*

Astarte, die Vampirmeisterin**

Oana Solomon

Ahasver**
Jonas Grundner-Culemann

Lord Byron**
Thomas Hauser


* Mitglied des Internationalen
Opernstudios Hannover

** hinzugefügte Sprechrolle

 



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
 (Homepage)




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