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Der schnelle Weg ins EhelebenVon Stefan Schmöe / Fotos von Hans-Jörg Michel
Am Ende seines Komponistenlebens wagte sich Hector Berlioz, der sich sonst eher zum großen pathetischen Ausdruck hingezogen fühlte wie in den Trojanern oder auch der symphonie fantastique, an eine Musikkomödie - eine hübsche Parallele zu Giuseppe Verdi und dessen Falstaff, zumal beide auf Shakespeare zurückgriffen. Im Fall von Béatrice es Bénédict ist das Much ado about nothing, eine Komödie, die vom - teils recht derben - Wortwitz lebt: Shakespeares Zeitgenossen konnten aus dem Wort "nothing" leicht das schlüpfrige "no-thing", das im Slang für "Vagina" stand, heraushören und damit die erotische Einfärbung erfassen. Dem Titel der deutsche Übersetzung "Viel Lärm um nichts" ist das nicht anzuhören, und das führt auf das Hauptproblem von Berlioz' (französischer) Opernfassung - aus Wortspielen entsteht nicht so leicht ein bühnentaugliches Musiktheater. Die gegenüber Shakespeare notwendigerweise vereinfachte Opernhandlung ist dann auch eher schlicht. Béatrice und Bénédict sind sich in herzliche Abneigung verbunden und zudem rhetorisch versierte Spötter, die sich heftige verbale Scharmützel liefern - aber mit leichter Unterstützung ihrer Umwelt alsbald doch heiraten. Shakespeares zweiten wichtigen Handlungsstrang lässt Berlioz dagegen fallen: Die Intrige gegen das zweite, schnell heiratswillige Paar, Héro und Claudio, die im Schauspiel beinahe die Ehe verhindert - in der Oper sind Héro und Claudio das durch keinen Bösewicht bedrohte romantische Gegenstück zum zänkischen Hauptpaar, aber auch nicht mehr. Die Pose täuscht, eigentlich finden sich in dieser Inszenierung Béatrice und Bénédict von Beginn an ziemlich nett
Ziemlich dünne Handlung mit absehbarem Ende also. Wenn Regisseurin Jean Renshaw dann auch noch von Beginn an andeutet (und das eher mit dem Zaunpfahl als zart), dass Béatrice und Bénédict längst ineinander verliebt sind und lediglich nach den richtigen Worten suchen, um ihre Rollen als notorische Ehefeinde abzustreifen, dann fehlt dem Stück auch noch der allerletzte Rest an Konflikt, und jede noch so kleine denkbare Fallhöhe wird eingeebnet. Mit Ausstatter Christof Cremer verpflanzt sie die Handlung in die Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg (der Ort - Sizilien oder zumindest Italien - bleibt dagegen erhalten). Die Mädchen sind, wie man aus der Zahl der Kinderwagen schließen kann, gebärfreudig und auf ihre Rolle als Mutter und Hausfrau festgelegt. Das soll, so kann man dem Programmheft entnehmen, den Protest von Béatrice und Bénédict gegen die Ehe legitimieren - auf der Bühne ist das allerdings viel zu ungenau inszeniert. Auch die Dialoge werden in französischer Sprache gesprochen, weshalb jeder Witz für alle, die dieser Sprache nicht mächtig sind, nochmal durch die Übertitelungsanlage geschickt wird. Gesprochen und gespielt wird ganz hübsch, wobei die Aufführung gerade in den langen gesprochenen Passagen ruhig ab und zu das Tempo wechseln dürfte. Es geht schon sehr gepflegt zu auf der Bühne. Die in dezenten Farben gestalteten Kostüme legen noch dazu einen Nostalgieschleier über die brav nacherzählte Geschichte. Harmloser geht es dann wirklich kaum noch. Sizilianische Abendstimmung
Wenn man es von der positiven Seite sehen will: So rückt die Musik ins Zentrum, und das ist insbesondere der delikate Orchesterklang des ausgezeichneten Gürzenich-Orchesters. Für dessen französischen Chefdirigenten François-Xavier Roth ist Berlioz wohl eine Herzensangelegenheit (in der nächsten Saison stehen auch die monumentalen Trojaner auf dem Spielplan), und er dirigiert ausgesprochen delikat mit meist zurückgenommenen Lautstärken. Es unterstreicht die konfliktscheue Regie, dass er kaum dramatische Akzente setzt, sondern zwischen charmantem Parlando und delikater Romantik changiert. Ganz hervorragend mit nuanciertem Klang singt der Chor (Einstudierung: Rustam Samedov). Kriegsheimkehrer: Claudio(links; hier: Miljenko Turk), Bénédic#t und Don Pedro
Die Gesangspartien sind mit leichten, hellen Stimmen besetzt. Isabelle Druet ist eine klangschöne, auch im musikalischen Gestus elegante (und nicht allzu zickige) Béatrice, Jenny Davier eine soubrettenhaft leichte Héro. Die interessanteste Klangfarbe unter den Frauen steuert Altistin Lotte Verstaen als Héros Gesellschaftsdame Ursule bei. Betörend schön verbinden sich die Stimmen in den Ensembles. Eher blass bleiben die Herren: Paul Appleby mit sehr hellem Tenor als Bénédict, Amerie Levèvre (kurzfristig für den erkrankten Miljenko Turk eingesprungen) mit recht neutralem Bariton als Claudio. Mit den Insignien des Eheglücks: Héro und Claudio (hier: Miljenko Turk)
Eingefügt hat Berlioz die (dramaturgisch überflüssige) Figur des Kapellmeisters Somarone, der mit seinen eigenen Kompositionen die Welt besser machen möchte und allerlei Chorsätze dirigiert (indirekt geistert da sicher Berlioz höchstpersönlich und mit gehöriger Selbstironie über die Bühne, was nicht ohne Charme ist) - Ivan Thirion singt und spielt das schön komödiantisch aus. Sébastian Dutrieux als Gouverneur Leonato und Luke Stoker als General Don Pedro (das Stück spielt - auch bei Shakespeare - kurz nach einem Feldzug) vervollständigen ein solides und spielfreudiges Ensemble, bei dem man sich freilich ein bisschen mehr vokalen Zauber wünschte.
Ganz nett, ganz unterhaltsam, schöne Musik - die Begegnung mit Béatrice und Bénédict ist nicht ohne Reiz, allerdings entschärft die Regie auch noch die letzten Stolperstellen, die das Werk spannend machen könnten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Don Pedro
Leonato, Gouverneur
Héro
Béatrice
Claudio
Bénédict
Somarone, Kapellmeister
Ursule, Gesellschaftsdame
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