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Musiktheater
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Der Meister und Margarita

Musiktheater in zwei Akten
Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Roman von Michail Bulgakow
Musik von York Höller (* 1944)


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 1) am 3. April 2022


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Teufel alaaf

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bernd Uhlig

Irgendwann ist auch der Meister ratlos: "Mir ist unbegreiflich, wie es weitergehen soll! Teufel nochmal." Da dürfte er Teilen des verwirrten Publikums aus der Seele sprechen, denn es geht nicht eben übersichtlich zu in dieser Oper. Vorsichtshalber ist im Programmheft eine kurze und eine ausführliche Inhaltsangabe abgedruckt, beide nicht einfach, denn ständig überlagern und durchkreuzen sich die verschiedenen Erzählebenen. Da gibt es die satirisch erzählte Geschichte eines namenlosen Schriftstellers, nur "der Meister" genannt, im stalinistischen Moskau, der seinen Roman nicht veröffentlichen darf, von der Kulturbürokratie attackiert wird und abgeschottet im Irrenhaus des Dr. Strawinsky vor sich hin vegetiert. Zu seiner Rettung geht seine Geliebte, Margarita, einen Pakt mit dem Teufel ein, der hier Voland heißt; mit vielen Bezügen zum Faust erwirkt sie nebenbei die Begnadigung einer Kindsmörderin. Und dann gibt es noch die Handlung des Romans des Meisters: Darin geht es um die Verurteilung von Jeshua/Jesus durch Pilatus, wobei dieser Jeshua weniger Heiland als Freidenker und Idealist ist. Dazu treten etliche Nebenfiguren auf, es gibt Sprünge und Seitenhandlungen. Es werden große Themen verhandelt von der Freiheit der Kunst bis zur Frage, was Realität, Religion und Magie sein mögen. Rund vier Stunden (die Pause eingeschlossen) nimmt sich die 1989 uraufgeführte Oper hier Zeit, um diesen Kosmos auf die Bühne zu bringen. Leicht macht sie es dem Zuschauer trotzdem nicht.

Szenenfoto

Der Meister, in der Pilatus-Handlung gleichzeitig Jeschua/Jesus, debattiert mit Pilatus (vorne); der schwarze Klumpen im Turm ist der Teufel Voland.

Was am wenigsten an der faszinierenden Musik liegt. Komponist York Höller, 1944 im benachbarten Leverkusen geboren, war Schüler von Bernd Alois Zimmermann, und nicht nur in der riesigen Besetzung (großes Orchester, Rockband, Elektronik) schimmern dessen Soldaten auf, sondern auch in der komplexen Dramaturgie mit einer anderen Zeitvorstellung als der traditionellen linearen, auch mit der Überlagerung verschiedener musikalischer Sphären und manchen Stilzitaten, ja auch im Witz. Höllers Musik hat nicht die Unerbittlichkeit der Soldaten, bildet fein strukturierte, aber großformatige Klangflächen von großer Suggestivkraft aus. Das famose Gürzenich-Orchester spielt unter der souveränen Leitung von André de Ridder mit großer Selbstverständlichkeit. Neben der Bühne im Saal 1 des Staatenhauses platziert, funktioniert die Klangbalance mit den Sängerinnen und Sängern ganz hervorragend (so jedenfalls der Eindruck an meinem Platz), die Textverständlichkeit ist exzellent - nicht unwichtig, denn oft passiert so viel, dass man nicht auch noch nach den Übertiteln schauen kann.

Szenenfoto

Margarita; in schwarz: Voland und Gehilfen

Dabei ist dem Regieteam um Valentin Schwarz (Bühne: Andrea Cozzi, Kostüme: Andy Besuch) allerdings kaum daran gelegen, für Klarheit zu sorgen. Wobei zunächst durchaus aufgeräumt wird mit den vielen Figuren: Für den Teufel Voland und seine drei Gehilfen, darunter ein Kater, hat Kostümbildner Andy Besuch mehr oder weniger einheitliche Kostüme kreiert, die alle menschlichen oder tierischen Formen verdecken und die vier Gestalten wie schwarze Gesteinsbrocken erscheinen lassen: Da bricht die Macht des Bösen (das, wie wir seit dem Faust wissen, durchaus das Gute schaffen kann) wie ein Lavastrom in die Welt hinein. Es gibt etliche Fantasiewesen mit weniger oder mehr als zwei Augen, bei denen eigentlich egal ist, wen oder was sie gerade verkörpern. Der größte Blickfang sind sicher sechs Mitglieder des Schriftstellerverbands, korrupte Gesellen allesamt: Für die hat Besuch farbenfrohe Ganzkörperanzüge (mit imposanten Geschlechtsteilen) und riesigen Pappmaché-Köpfen entworfen, die locker auf dem Kölner Rosenmontagszug reüssieren könnten, und sie stellen berühmte Maler und bildende Künstler dar: Dürer, Dalí, van Gogh, Beuys, Warhol und, der bereitete in der Pause noch manches Kopfzerbrechen, Jonathan Meese (ein wenig erinnert der Kopf auch an Regisseur Valentin Schwarz). Und das zeigt vielleicht am besten die Probleme der Regie: Diese Figuren sind echte Hingucker mit witzigen Details (Dürer etwa trägt einen Stoffhasen mit sich herum) und sorgen für viel Action. Ebenso leicht zu erkennende Schriftsteller gibt es wohl nicht; daher das Ausweichen in die bildende Kunst. Aber wo Höller und Bulgakow sich über die um ihre Privilegien kämpfenden Möchtegern-Künstler lustig machen, geht dieser Spott bei den berühmten Malern ins Leere, ist doch der soziale Kontext hier allzu unterschiedlich und taugt so gar nicht zum Diskurs. So stehen viele an sich hübsche Ideen für sich, ergeben aber keinen nachvollziehbaren Sinnzusammenhang.

Szenenfoto

Sechs Mitglieder des sowjetischen Schriftstellerverbandes, hier dargestellt als sechs bedeutende bildende Künstler

Das Aufeinandertreffen zwischen Pilatus und Jeschua findet zwischen zwei gotisch-spitz zulaufenden Türmen statt, in Köln natürlich eine Anspielung auf den Dom (auch wenn die Betonoptik eher auf den Kölner Architekten Gottfried Böhm verweist). Als Kostüm mit wechselnden Besitzern - zunächst für Pilatus - wird ein mehrflügliges Kirchenfenster (offenbar aufblasbar) herumgetragen, in dem man Gerhard Richters Südquerhausfenster aus dem Dom erkennt. Viel Lokalkolorit also, wobei auch hier reichlich unklar bleibt, worin die Verbindung zwischen Pilatus und der katholischen Kirche (die er letztendlich ja mit dem Todesurteil für Jesus bekämpft) besteht. Es gibt viele Brüche in der Erzählweise; die Margarita ist eine ziemlich heutige Frau, den Meister gibt es gleich doppelt - auch er ein Mensch von heute, wenn er von einem Schauspieler (Oscar Musinowski) dargestellt wird, leicht entfremdet als Sänger, der über der gleichen Alltagskleidung eine zerschlissene Strickjacke trägt. Das alles passt nicht zusammen und soll es wohl auch nicht. Aber in der verspielten Regie sorgen zwar viele Überraschungsmomente und unerwartete Wendungen für Abwechslung, nicht aber für tiefere Bedeutung, und am Ende geht Schwarz dann merklich die Luft aus und die Aufführung bekommt deutliche Längen. Den Unmut des Publikums konnte der Regisseur quarantänebedingt nur per Video-Zuschaltung entgegennehmen. Wobei nennenswerte Teile des Premierenpublikums am Ende fluchtartig den Saal verließen und sich die wenigen, aber lautstark- demonstrativen Proteste gegen den anwesenden Komponisten entluden. Wobei da vielleicht gar nicht so sehr der Komponist wie der Librettist Höller (der das Textbuch selbst verfasst hat) gemeint war.

Szenenfoto

von links: Chefredakteur Berlioz, Varietédirektor Stjopa und Voland, der schwarze Magier

An den sehr guten Sängern hat es jedenfalls nicht gelegen. Nikolay Borchev ist ein prägnanter Meister und Jeschua, Bjarni Thor Kristinsson ein fulminanter Teufel Voland, Adriana Bastidas-Gamboa eine scharf akzentuierte Margarita. Dazu kommen Oliver Zwarg als zupackender Pilatus und Martin Koch als nicht minder präsenter Lyriker Besdomny und, in der Pilatus-Handlung, Chronist Levi Matthäus. Viele andere Sänger*innen gehen in den Kindergeburtstagskostümen schlichtweg verloren wie letztendlich auch die weitgehend entpolitisierte Handlung. So bleiben die Eindrücke ambivalent: Zwar hat Höller eine packende Oper geschrieben; man versteht aber schnell, warum es nach der Pariser Uraufführung 1989 bei allen Qualitäten des Werks nur noch zwei weitere Produktionen gegeben hat (Köln 1991 und Hamburg 2013). Man müsste das ausufernde Werk eben szenisch irgendwie einfangen. Das gelingt in Köln nicht.


FAZIT

Musikalisch großartig; szenisch bietet Valentin Schwarz ziemlich viel Karneval und großen Niedlichkeitsfaktor, aber ziemlich wenig Fallhöhe und noch weniger tiefere Bedeutung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
André de Ridder

Inszenierung
Valentin Schwarz

Bühne
Andrea Cozzi

Kostüme
Andy Besuch

Licht
Andreas Grüter

Dramaturgie
Georg Kehren


Statisterie der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Der Meister / Jeschua
Nikolay Borchev

Margarita
Adriana Bastidas-Gamboa

Voland, der "schwarze Magier"
Bjarni Thor Kristinsson

Korowjew, sein Gehilfe
Matthias Hoffmann

Asasello
John Heuzenroeder

Behemoth, der Kater
Dalia Schaechter

Gella, die Hexe
Statisterie der Oper Köln

Pontius Pilatus / Dr. Strawinsky, Arzt
Oliver Zwarg

Levi Matthäus / Besdomny, Lyriker
Martin Koch

Berlioz, Chefredakteur /
Archibald Archibaldowitsch, Restaurantbesitzer
Lucas Singer

Stjopa, Varietédirektor
Dustin Drosdziok

Frau Stjopa / Sofja Pawlowa
Judith Thielsen

Conférencier
Oscar Musinowski

Nastassja, Schriftstellerin
Mine Yücel

Paprichin, Schriftsteller
Artjom Korotkov

Dubratsky, Schriftsteller
Michael Terada

Deninskin, Schriftsteller
David Howes

Abakow, Schriftsteller
Julian Schulzki

Beskudnikow, Schriftsteller
Sung Jun Cho

Sagriwow, Schriftsteller
Guido Sterzl



Weitere
Informationen

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