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Musiktheater
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Otello ossia Il moro di Venezia

Oper in drei Akten
Text von Francesco Maria Berio di Salsa nach der Tragödie von William Shakespeare
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen, deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 19. Dezember 2021

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Kampf der Tenöre

Von Thomas Molke / Fotos: © Opéra Royale de Wallonie-Liège / Jonathan Berger

Lange Zeit hat man im Bereich des Musiktheaters Otello eigentlich nur mit Giuseppe Verdis 1887 an der Mailänder Scala uraufgeführten Oper assoziiert. Dass sich rund 70 Jahre zuvor auch Gioachino Rossini mit diesem Stoff beschäftigt und am 4. Dezember 1816 in Neapel eine Vertonung zur Uraufführung gebracht hat, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als musikalische Sensation galt und sich großer Beliebtheit erfreute, ist mit Verdis Erfolg ziemlich in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren rückte aber auch Rossinis Meisterwerk wieder mehr ins Interesse der Opernhäuser. So folgten unter anderem nach einer Inszenierung an der Vlaamse Opera Antwerpen in der Spielzeit 2013/2014, die mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2014 übernommen wurde, auch noch das Theater an der Wien 2016 und jüngst das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen mit neuen Produktionen. Dabei ist diese Oper alles andere als leicht zu besetzen. Immerhin benötigt man insgesamt sechs Tenöre, von denen drei Partien - Otello, Rodrigo und Iago - äußerst anspruchsvoll sind. In Liège hat man, wie in Gelsenkirchen auch, die Anzahl der Tenöre auf fünf reduziert und lässt den Gondoliere im dritten Akt und Otellos Freund Lucio von einem Solisten singen.

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Iago (Giulio Pelligra, links) und Rodrigo (Maxim Mironov, rechts) verbünden sich gegen Otello.

Kritisiert wird auch häufig, dass die Oper mit Shakespeares Drama nicht mehr als die grobe Figurenkonstellation gemein hat. Rossinis Librettist Francesco Maria Berio di Salsa orientiert sich nämlich eher an zwei zeitgenössischen Schauspielbearbeitungen des Stoffes, der ursprünglich als Novelle aus Giraldo Cinthios Sammlung Hecatommithi stammt und Desdemonas Vater Elmiro Barbarigo eine zentrale Rolle einräumt. Dieser setzt alles daran, seine Tochter mit Rodrigo, dem Sohn des Dogen, zu vermählen, ohne zu wissen, dass sie bereits heimlich mit Otello verheiratet ist. Als er einen Brief seiner Tochter an ihren Gatten abfängt, der neben zärtlichen Worten auch noch eine Locke enthält, behauptet Desdemona, dass dieser Brief an Rodrigo gerichtet sei. Hinzu kommt, dass Desdemona bei Otellos siegreicher Rückkehr aus der Schlacht gerade mit Rodrigo zusammengeführt werden soll. So kommt es zum Eklat, da Desdemona sich weigert, Rodrigo zu heiraten, Otello sie jedoch für untreu hält. Otello und Rodrigo fühlen sich so beide von Desdemona betrogen und wollen sich duellieren. Iago schürt Otellos Eifersucht, indem er ihm Desdemonas Brief in die Hände spielt, bleibt ansonsten als intriganter Bösewicht aber anders als bei Shakespeare oder Verdi eher blass.

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Eklat beim Fest: Rodrigo (Maxim Mironov, links), Emilia (Julie Bailly, auf der Treppe), Elmiro (Luca Dall'Amico, Mitte links), Desdemona (Salome Jicia, Mitte), Iago (Giulio Pelligra, Mitte rechts) und Otello (Sergey Romanovsky, rechts) mit dem Chor

Emilio Sagi, dessen Inszenierung von Rossinis Il viaggio a Reims beim Rossini Opera Festival in Pesaro seit mittlerweile 20 Jahren ein fester Bestandteil ist und jedes Jahr von den Absolvent*innen der Accademia Rossiniana einstudiert wird, will in seiner Inszenierung vor allem eine patriarchalische Gesellschaft kritisieren, in der die Frauen kein Mitspracherecht haben, und siedelt die Handlung im beginnenden 20. Jahrhundert an. Das hochherrschaftliche Haus, das Daniel Bianco mit großer Detailverliebtheit entworfen hat, scheint aber nicht in der Lagunenstadt sondern vielmehr in schneebedeckten Bergen zu stehen und erinnert in der vom Lichtdesign von Eduardo Bravo unterstützten Schwarz-Weiß-Optik eher an das Ambiente aus Thomas Manns Zauberberg. Das ist wie die Kostüme von Gabriela Salaverri optisch zwar hübsch anzusehen, trägt zur Handlung allerdings keineswegs bei. Auch bleibt unklar, wieso im zweiten Akt das Mobiliar mit weißen Tüchern bedeckt ist und zahlreiche Koffer eine bevorstehende Abreise andeuten. Das Unwetter im dritten Akt erinnert eher an Kanonen. Die riesige Treppe, die aus dem Obergeschoss herabführt, erweist sich für die Personenregie bisweilen ein wenig problematisch, da der Weg einfach wahnsinnig lang ist. Wenn Emilia besorgt zu Desdemona eilt, wirkt das schon beinahe unfreiwillig komisch. Auch dass Otello Desdemona auf der riesigen Treppe erwürgt und sich anschließend dort die Kugel gibt, ist ein wenig sperrig in Szene gesetzt.

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Otello (Sergey Romanovsky, Mitte) misstraut Desdemona (Salome Jicia) (hinten links: Iago (Giulio Pelligra)).

Den größten Schockmoment erlebt das Publikum beim ersten Auftritt Otellos. Schon beim ersten Ton ist nicht zu überhören, dass Sergey Romanovsky stark indisponiert ist und die anspruchsvolle Partie an diesem Abend nicht durchstehen kann. Mit viel Disziplin und Geschick manövriert er sich zwar durch die erste Szene, aber man fragt sich, wie der Abend wohl weitergehen wird. Kurz vor seinem zweiten Auftritt wird dann ein Notenständer auf der Seitenbühne aufgestellt, und Anton Rositskiy übernimmt den weiteren Gesangspart, während Romanovsky die Rolle spielt. Zunächst tritt er ein wenig zu spät auf, und man ist irritiert, dass man Otello bereits hören aber nicht sehen kann. Im weiteren Verlauf des Abends spielt es sich aber ein, und Romanovsky wird in der Darstellung zunehmend sicherer, auch wenn ihm anzumerken ist, wie unglücklich er über die ganze Situation ist. Stimmlich hat man mit Rositskiy einen regelrechten Trumpf in der Hand, der mehr als ein adäquater Ersatz ist und in Otellos Arien durch strahlende Höhen und große Durchschlagskraft zu glänzen vermag. So liefert er sich mit Rodrigo im zweiten Akt ein regelrechtes Tenor-Duell, in dem sich beide an hohen Tönen zu übertreffen versuchen. Maxim Mironov verfügt als Rodrigo über einen sehr hellen Tenor, der in den Höhen teilweise ein bisschen stark forciert, im Großen und Ganzen den großen Anforderungen der Partie aber gerecht wird. Der tenorale Schlagabtausch mit Rositskiy kann als ein musikalischer Höhepunkt des Abends bezeichnet werden. Giulio Pelligra verfügt als intriganter Iago über einen recht metallenen Tenor, der in den Höhen keine Wünsche offen lässt, so dass auch die dritte große Tenorpartie in dieser Aufführung hochkarätig besetzt ist.

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Tödliche Auseinandersetzung auf der Treppe: Desdemona (Salome Jicia) und Otello (Sergey Romanovsky)

Salome Jicia glänzt als Desdemona mit rundem Sopran und strahlenden Höhen. Einen Höhepunkt stellt ihr gefühlvolles Lied von der Weide im dritten Akt dar, das mit dem betörenden Klang der Harfe unter die Haut geht und musikalisch auch diejenigen begeistern dürfte, die Verdis Fassung den Vorzug geben. Im Zusammenspiel mit Otello brilliert sie durch große stimmliche Dramatik. Eindrucksvoll gestaltet sie das Duett mit Mironov im zweiten Akt, das in Rodrigos Rachearie mündet. Julie Bailly verfügt als Emilia über einen warmen Mezzosopran und begeistert auch szenisch im Zusammenspiel mit Jicia. Luca Dall'Amico stattet Desdemonas Vater Elmiro mit einem profunden Bass aus. Pierre Derhet, der die beiden kleineren Partien des Gondoliere und Lucio übernimmt, und Xavier Petithan als Doge runden das Solisten-Ensemble überzeugend ab. Der von Denis Segond einstudierte Chor klingt auch mit Gesichtsmasken stimmgewaltig. Bemerkenswert ist, dass wirklich alle Chorist*innen eine Maske tragen. Bei anderen Aufführungen hat man das bisher nur vereinzelt gesehen. Das Orchester der Opéra Royal de Wallonie überzeugt unter der Leitung von Maurizio Benini durch einen lebhaften und dramatischen Klang, so dass es für alle Beteiligten großen und verdienten Beifall gibt.

FAZIT

Über drei erstklassige Tenöre für Rossinis Otello zu verfügen, ist schon eine Besonderheit, dann aber auch noch am Premierenabend in der Lage zu sein, einen gleichwertigen Ersatz für die Titelpartie zu präsentieren, ist wirklich beachtlich.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Maurizio Benini

Inszenierung
Emilio Sagi

Bühnenbild
Daniel Bianco

Kostüme
Gabriela Salaverri

Licht
Eduardo Bravo

Chorleitung
Denis Segond

 

Orchester und Chor
der Opéra Royal de Wallonie-Liège


Solisten

*Premierenbesetzung

Otello
Sergey Romanovsky (Spiel)
Anton Rositskiy (Gesang)

Desdemona
Salome Jicia

Rodrigo
Maxim Mironov

Iago
Giulio Pelligra

Lucio / Gondoliere
Pierre Derhet

Emilia
Julie Bailly

Elmiro
Luca Dall'Amico

Il doge
Xavier Petithan

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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