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Zwei Teile
nicht aus einem Guss
Seit Berthold Schneider Intendant der Oper Wuppertal ist, hat er auch immer
wieder experimentelle und ungewöhnliche Formate auf den Spielplan gestellt. So
engagierte er beispielsweise für Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen
in seiner ersten Spielzeit 2016/2017 für jeden Akt ein anderes Regie-Team (siehe
auch unsere
Rezension), verknüpfte zur Spielzeiteröffnung im zweiten Jahr Heiner
Goebbels' Surrogate Cities mit dem 3. Akt aus Richard Wagners
Götterdämmerung zu einer Geschichte (siehe auch
unsere Rezension)
und führte 2019 Igor Strawinskys Tanzkantate Les Noces mit seinem
Opern-Oratorium Oedipus Rex zusammen (siehe auch
unsere Rezension). Wer
jetzt allerdings gehofft hat, dass in der letzten Produktion dieser Spielzeit
auch ein Zusammenhang zwischen dem Vorspiel aus Richard Strauss' Oper Ariadne
auf Naxos und Béla Bartóks zwei Jahre später uraufgeführten Oper Herzog
Blaubarts Burg hergestellt würde, wurde enttäuscht. Die beiden Teile stehen
zusammenhanglos nebeneinander und werden von zwei unterschiedlichen Regie-Teams
in Szene gesetzt. Da fragt man sich sicherlich, wieso es neben der einaktigen
Bartók-Oper ausgerechnet das Vorspiel aus Ariadne sein muss und nicht
irgendein anderer Opern-Einakter gewählt wurde, wenn man Herzog Blaubarts
Burg - anders als in Essen - nicht allein auf die Bühne stellen wollte. Dass
man damit auf die immer noch andauernde Corona-Pandemie anspielen möchte, die
dazu führt, dass häufig Produktionen verschoben, abgesagt und umdisponiert
werden müssen, ist eher unwahrscheinlich, auch wenn der Haushofmeister am Ende
des Vorspiels verkündet, dass die Oper Ariadne auf Naxos nun ausfallen
werde. Dazu passt auch theoretisch, dass es drei krankheitsbedingte
Umbesetzungen gibt.
Das Ensemble ist enttäuscht, weil der
Haushofmeister (Simon Stricker, Mitte) die Aufführung von Ariadne auf Naxos
absagt.
Richard Strauss hatte ursprünglich mit seinem Kollegen Hugo von Hofmannsthal
geplant, den Operneinakter Ariadne auf Naxos in das Schauspiel Le
Bourgeois gentilhomme von Molière zu integrieren. Diesem Projekt, das 1912
zur Uraufführung kam, war allerdings nur ein mäßiger Erfolg beschieden. Hinzu
war der finanzielle Aufwand für diese Produktion, die sowohl ein ganzes
Schauspiel- als auch ein Opernensemble erforderte, zu hoch, so dass Hofmannsthal
und Strauss der Oper ein Vorspiel im Parlandostil voranstellten. Als einzige
Sprechrolle blieb der Haushofmeister übrig, der in Wuppertal von dem Bariton
Simon Stricker gespielt wird. Mit weißer Perücke und weißem Anzug
wirkt er wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. Ansonsten sind in der
Inszenierung von Bernd Mottl die Vorbereitungen für die Oper Ariadne auf
Naxos in einer scheinbar recht modern gehaltenen Inszenierung in vollem Gange. Ein riesiges aus zahlreichen grauen Fässern geformtes N,
ein X, das scheinbar aus zusammengebundenen Wäscheständern besteht und
zahlreiche Fotos zeigt, und ein S aus PET-Flaschen dominieren das Bühnenbild von
Friedrich Eggert. Das A liegt noch in glänzendem Gold auf der Boden, und für das
O kommt ein weißes Schlauchboot zum Einsatz. Bühnenarbeiter arbeiten noch an der
Fertigstellung, und wenn die Buchstaben gerade zum Wort Naxos zusammengesetzt
werden sollen, kommt die Ansage des Haushofmeisters, dass die Oper nun nicht
mehr stattfinden werde. Das Publikum mag dies auch musikalisch bedauern, da das
Ensemble stimmlich im Vorspiel überzeugt, und auch Patrick Hahn mit dem
Sinfonieorchester Wuppertal einen klangvollen Zugang zu Strauss findet.
Die Komponistin (Catriona Morison, links) und
Zerbinetta (Anna Martha Schuitemaker, rechts) finden bei den Proben zueinander.
Die Hosenrolle des Komponisten formt Mottl in seiner Inszenierung zu einer
Komponistin um, die von Catriona Morison mit kraftvollem Mezzosopran und
leuchtenden Höhen interpretiert wird. Darstellerisch nimmt man ihr die
Verzweiflung der Komponistin darüber ab, dass ihre ernste Oper nun mit einer Komödie
kombiniert werden soll. Das Ensemble für die Oper wird dabei optisch wunderbar
karikiert. Elena Fink, die für Mercy Malieloa einspringt, zeichnet die
Primadonna schmuckbehangen in ausladendem Pelzmantel als exaltierte Künstlerin. Sangmin Jeon wirkt mit
seiner Langhaarperücke als Tenor nicht weniger speziell. Auch die drei
Tänzerinnen, die als Echo, Najade und Dryade auf der Bühne trainieren,
unterstreichen den hehren Anspruch, den die Komponistin mit ihrer Oper hat. In
diese Welt fällt dann Zerbinetta mit ihrer Truppe ein, die teilweise in
fantasievollen Tierkostümen auftritt und einen starken Gegensatz zur Opernwelt
bildet. Aber so wie Zerbinetta und die Komponistin schließlich zueinander finden
und eine gemeinsame Aufführung im Bereich des Möglichen zu sein scheint, passt
sich auch Zerbinetta optisch der hehren Opernwelt ein wenig an und tritt am Ende
des Vorspiels in einem langen grünen Kleid auf, das sie beinahe wie eine
Wassernixe erscheinen lässt. Anna Martha Schuitemaker stattet die Partie der
Zerbinetta mit strahlenden Höhen aus und findet stimmlich mit Morison zu einer
bewegenden Innigkeit.
Für den zweiten Teil des Abends, Herzog Blaubarts Burg, findet das
Regieteam um Philipp Grigorian einen Zugang, der eigentlich die Geschichte
ein wenig verfälscht und nicht zum gesungenen Text passen dürfte. Aber da die
Oper auf Ungarisch gesungen wird, so dass ein Großteil des Publikums den
gesungenen Text sicherlich nicht versteht, hat man bei der Übertitelung
natürlich die Möglichkeit, den übersetzten Text dem Geschehen auf der Bühne
anzupassen. Hinzu kommt, dass Bartóks Oper im traditionellen Sinn gar keine
richtige Handlung hat. Sie basiert auf einer alten Legende und einem Märchen von
Charles Perrault, wonach der Herzog Blaubart, ein reicher, mächtiger Mann, der
seine bisherigen Frauen ermordet hat, eine junge Frau heiratet, die die Wahrheit
ans Licht bringen will. Im Märchen gelingt es der namenlosen Frau, mit Hilfe
ihrer Brüder, Blaubart zu töten. In der Dichtung von Béla Balász, der das
Libretto zu Bartóks Oper verfasst hat, bekommt sie den Namen Judith und öffnet
gemeinsam mit Blaubart die einzelnen Türen. Hinter der letzten Tür befinden sich
die drei früheren Frauen Blaubarts als Verkörperung der Tageszeiten Morgen,
Mittag und Abend, und Judith muss ihren Vorgängerinnen hinter die letzte Tür als
Verkörperung der Nacht folgen.
Blaubart (Ralf Lukas) und seine Frauen: von
links: Blaubarts Frau (Philippine Pachl), Judith (Khatuna Mikaberidze),
Blaubarts Mutter (Christine Kättner) und Judiths Mutter (Christine Mühlberger)
In Grigorians Inszenierung handelt es sich bei den drei Frauen, die Judith
normalerweise hinter der siebten Tür vorfindet, um Blaubarts Mutter (Christine
Kättner), Blaubarts derzeitige Frau (Philippine Pachl) und Judiths Mutter
(Christine Mühlberger), die sich wahrscheinlich von Blaubart nach einer kurzen
Beziehung getrennt hat. Judith ist demnach nicht seine nächste Frau, sondern
seine Tochter, die an sein Krankenbett kommt. Blaubart hat nicht mehr lange zu
leben. Seine derzeitige Frau pflegt ihn als
Krankenschwester. Die Bühne, für die ebenfalls Grigorian verantwortlich
zeichnet, zeigt einen hohen Raum, in dem Blaubarts Krankenbett steht. Bevor die
Oper beginnt, teilt Blaubarts Mutter seiner Frau ein wenig verbittert mit, dass
sich jetzt die Presse wahrscheinlich auf Blaubarts angeblich dunkle
Vergangenheit stürzen werde, obwohl er doch stets ein guter Mann gewesen sei,
was man aber bei den folgenden Offenbarungen hinter den sieben Türen bezweifeln
darf. Judith kommt nun zu ihrem Vater, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr
gesehen hat, und erhält sieben schwarze Aktenordner,
die Blaubart aus einem Tresor hinter dem Bett holt und in denen Blaubarts
Vergangenheit ans Tageslicht kommt. Wenn Judith einen Ordner, der für jeweils eine Tür
steht, öffnet, wird eine Rückwand des Bühnenbildes nach oben gezogen und gibt
Einblick in Blaubarts dunkle Machenschaften. Grigorian findet dafür sehr
symbolträchtige Bilder.
Judith (Khatune Mikaberidze) öffnet mit Blaubart
(Ralf Lukas) die erste Tür.
Die ersten beiden Bilder sind von großer Gewalt geprägt, die Blaubart
wahrscheinlich zu Beginn anwenden musste, um sich seine Machtposition zu
erarbeiten. Was allerdings der an Christus erinnernde Mann im ersten Bild soll,
der wie an ein Kreuz geschlagen an einem Pfahl steht, erschließt sich dabei
weniger als die zahlreichen toten Menschen an einem Stacheldrahtzaun. Als
drittes Bild sieht man einen Ölförderturm, mit dem Blaubart wohl einerseits
seine Macht ausgebaut, andererseits aber auch die Umwelt grausam zerstört hat,
wie ein Netz über dem in blutrotes Licht getränkten Förderturm andeutet. Das
vierte Bild wirkt mit einem aus weißen Blumen geformten Hochzeitskleid
regelrecht verlockend und zeigt, wieso Blaubart auf die Frauen eine derartige
Faszination ausüben konnte. Bei der fünften Tür scheint Blaubart dann aus dem
Leben zu scheiden. Er wird nämlich selbst Teil seiner Bilder und durchschreitet
eine Tür in gleißendem Licht. Nun taucht auch Judiths Mutter auf, die scheinbar
zum Leichenschmaus angereist ist. Das Bett wird aus dem Zimmer gefahren, und
die Frauen versammeln sich im Sterbezimmer zum Kaffeetrinken. Die Öffnung der
letzten Tür scheint dann die Testamentsverkündung zu sein. Jede der Frauen
erhält ihren Teil aus dem Vermögen. Dann verschwindet Blaubart hinter der sich
senkenden Rückwand und lässt die Frauen im Dunkel zurück.
Ralf Lukas stattet die Partie des Blaubart mit dunkel gefärbtem Bariton und
großer Autorität aus. Auch als schwerkranker Mann wirkt dieser Blaubart noch
bedrohlich. Khatuna Mikaberidze punktet als Judith mit großem dramatischem
Mezzosopran und intensivem Spiel. Patrick Hahn taucht mit dem Sinfonieorchester
Wuppertal eindrucksvoll in die expressive und psychologische Klangsprache
Bartóks ein. Diese Inszenierung hätte den Opernabend auch allein getragen.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Sinfonieorchester Wuppertal Statisterie der Wuppertaler Bühnen Ariadne auf Naxos (Vorspiel)
Inszenierung
Bühne und Kostüme Choreographie Dramaturgie Besetzung*rezensierte Aufführung Der Haushofmeister Ein Musiklehrer Die Komponistin Der Tenor, ein Offizier Ein Tanzmeister Primadonna Zerbinetta Ein Perückenmacher Ein Lakai Echo Najade Dryade Harlekin Scaramuccio Truffaldino Brighella
Herzog Blaubarts Burg
Inszenierung und Bühne
Kostüme Dramaturgie BesetzungHerzog Blaubart Judith Blaubarts Frau Blaubarts Mutter Judiths Mutter
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- Fine -