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Musikalischer Streifzug mit viel Charme
Von Thomas Molke /
Fotos: © Björn Hickmann
Vor der Corona-Pandemie zählten die allseits beliebten Operetten-Galas am Theater Dortmund gewissermaßen schon zum festen Bestandteil des Programms. Nun hat man diese Tradition wieder aufgegriffen, und da man in dieser Spielzeit mit dem Musical Cabaret und der Gräfin Mariza einen Schwerpunkt auf die 1920er Jahre gelegt hat, gibt es dieses Mal einen Streifzug durch die "Roaring Twenties", der Blütezeit der sogenannten "Silbernen Operette". Für die Moderation hat man mit Götz Alsmann ein Zugpferd der gepflegten Unterhaltung nach Dortmund geholt, der mit viel Charme und Witz durch den Abend führt und es sich natürlich auch nicht nehmen lässt, das eine oder andere Lied im Rahmen seiner Ansagen zum Besten zu geben. Nicht alles stammt an diesem Abend aus den 20er Jahren, aber bei Werken, die früher auf die Bühne kamen, hat man zumindest Bearbeitungen aus den 20er Jahren verwendet. Den Anfang macht Kálmáns Gräfin Mariza, die in dieser Spielzeit auch in einer sehr erfolgreichen Inszenierung von Thomas Enzinger in Dortmund zu erleben ist (siehe auch unsere Rezension) und die, so Alsmann in seiner Anmoderation, auch dazu beitrage, dass die häufig totgesagte Operette heute "lebt" und sich riesiger Beliebtheit erfreue. In dem Zusammenhang wird auch direkt noch erwähnt, dass die Oper Dortmund zum "Opernhaus des Jahres" gekürt worden ist. "Komm mit nach Varasdin": Tanja Christine Kuhn und Fritz Steinbacher Wie es bei einem Konzert üblich ist, ist das Orchester auf der Bühne untergebracht. Den Solistinnen und Solisten wird auf dem hochgefahrenen Orchestergraben genügend Platz geboten, auch szenisch zu agieren. Alexander Becker hat dafür einige Requisiten aufgefahren. So überschüttet Fritz Steinbacher als Baron Kolomán Zsupán die Gräfin Mariza bei dem berühmten Lied "Komm mit nach Varasdin", mit dem der Abend nach der durch die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Motonori Kobayashi leidenschaftlich vorgetragenen Ouvertüre beginnt, mit riesigen Rosenblüten, die ihn aber dennoch nicht das Herz der schönen Gräfin gewinnen lassen. Dafür muss schon Mirko Roschkowski als Graf Tassilo kommen, um mit tenoralem Schmelz bei "Sag ja, mein' Lieb', sag ja" das Herz von Tanja Christine Kuhn als Gräfin in mondänem roten Kleid gewinnen zu können. Zum Abschluss wird dann auch noch der ganze Opernchor zu "Geigen schallen, Lichter blitzen" aufgefahren, der mit Morgan Moody als Fürst Dragomir Populescu vor und auf der Bühne in herrlichen Roben für Stimmung sorgt. Wer diese Produktion in dieser Spielzeit noch nicht gesehen hat, dürfte spätestens bei diesen Auszügen große Lust darauf bekommen. Der folgende Opernblock passt eigentlich nicht wirklich zu den "Roaring Twenties", zumal Puccinis Il trittico bereits 1918 zur Uraufführung gelangte. Ob Puccini mit seiner Suor Angelica und seinem Gianni Schicchi der "Silbernen Operette" wirklich so nahe gekommen sei wie in keinem seiner anderen Werke, wie Alsmann die Auswahl dieser Stücke begründet, ist sicherlich Ansichtssache. Musikalisch glänzt Sungho Kim als Rinuccio, der unsterblich in Lauretta, die Tochter Gianni Schicchis verliebt ist, bei "Avete torto!" mit kraftvollem Tenor. Auch Anna Sohn lässt als Schwester Angelica in der bekanntesten Nummer aus dem Operneinakter, "Senza mamma", mit warmem Sopran keine Wünsche offen. Aber "Operetten-Seligkeit" stellt sich bei diesen beiden recht dramatischen Stücken weniger ein. Das gleiche gilt auch für "Glück, das mir verblieb" aus Korngolds 1920 uraufgeführten toten Stadt, das von Roschkowski als Paul und Kuhn als Marietta eindrucksvoll vorgetragen wird. Alsmann begründet die Auswahl Korngolds damit, dass ohne ihn die Filmmusik, wie wir sie aus den frühen Hollywood-Filmen kennen, gar nicht denkbar gewesen sei. Außerdem hat sich Korngold ja in späteren Jahren auch der Operette zugewandt, was man im zweiten Teil des Abends erfährt. Götz Alsmann greift zur Ukulele. Nach diesem eher ernsteren Teil ist erst einmal Zeit für eine kleine Auflockerung durch Alsmann, in der er nicht nur berichtet, wie er schon als Kind zur Operette gekommen sei, sondern auch noch eine herrliche Anekdote aus dem Hause Alsmann berichtet, in der sein Vater beim sonntäglichen Frühstück den "Klassik-DJ" mit eingängigen Nummern aus Oper und Operette gegeben habe. Besonderes Interesse habe bei dem "kleinen Götz" damals der Song "Mausi, süß warst du heute Nacht" aus der Operette Viktoria und ihr Husar von Paul Abraham geweckt, bei dem sein Vater seine Mutter immer sehr verschmitzt angeschaut habe, was er, Götz, als kleiner Junge noch nicht verstanden habe. Mit der Ukulele präsentiert er dann seine ganz eigene Version von "Mausi, süß warst du heute Nacht" und löst beim Publikum große Begeisterung aus. Im Anschluss darf dann noch Buffo-Tenor Fritz Steinbacher mit den "kleinen Mädchen im Trikot" aus Kálmáns Zirkusprinzessin sein komisches Talent beweisen, bevor es dann mit dem romantischen Lied "Zwei Märchenaugen" in der Interpretation von Roschkowski in die Pause geht. Anschließend geht es dann mit Franz Lehár weiter, dem wohl erfolgreichsten Komponisten der "Silbernen Operette", der jedoch von den Österreichern und Ungarn der ehemaligen K.u.K. Monarchie laut Alsmann abfällig immer nur der "Slowake" genannt wurde, auch wenn in seiner Operette Paganini der berühmte Geiger wohl "ungarischer" geklungen habe als Kálmán in seinen Werken. Shinkyung Kim, die 1. Konzertmeisterin der Dortmunder Philharmoniker, begeistert bei der Ouvertüre mit einem eindrucksvollen Solo. Natürlich dürfen auch Auszüge aus dem Land des Lächelns nicht fehlen. Sungho Kim glänzt hier als Prinz Sou-Chong mit tenoralem Schmelz und großer Melancholie bei "Immer nur Lächeln". Gerne hätte man von ihm auch noch "Dein ist mein ganzes Herz" gehört. Doch darauf muss man an diesem Abend leider verzichten. Der nächste Ausflug zu Puccini mit Madama Butterfly wird damit begründet, dass kein anderes Werk so sehr den Einfluss der asiatischen Musik in Europa integriert habe und es ja auch eine 1920er Fassung der 1904 aufgeführten Oper gebe. Anna Sohn begeistert als Cio-Cio-San zunächst im Duett mit Roschkowski als Pinkerton und später auch im berühmten "Un bel di vedremo" mit großen dramatischen Bögen. Der Chor stimmt hinter der Bühne den Summchor an. Zugabe mit Tanja Christine Kuhn, Sungho Kim (links) und Mirko Roschkowski (Mitte) Auch von Lehárs erstem großen Bühnenerfolg, der lustigen Witwe, gibt es eine Version aus den 1920er Jahren. Morgan Moody präsentiert daraus mit viel Charme "Ich hol Dir vom Himmel das Blau" und lädt dazu eine Dame aus der ersten Reihe zum Tanz ein. Im Anschluss erfährt man dann, dass sich Erich Wolfgang Korngold auch der Operette gewidmet hat. 1931 hat er Das Lied der Liebe nach der Musik zu Johann Strauß' Das Spitzentuch der Königin komponiert. Roschkowski präsentiert daraus "Du bist mein Traum". Natürlich darf auch im zweiten Teil eine musikalische Einlage von Alsmann auf der Ukulele nicht fehlen. So gibt es einen amüsanten Song über einen chilenischen Matrosen und ein englisches Mädchen, die sich nur so lange verstehen, bis sie jeweils die Sprache des anderen gelernt haben. Mit dem Ende des Programms ist man dann schon in den 30er Jahren angekommen. Kuhn präsentiert das berühmte Lied der Giuditta aus Lehárs gleichnamiger Operette, "Meine Lippen, sie küssen so heiß", bevor Roschkowski mit Kálmáns relativ unbekannten Kaiserin Josephine aus dem Jahr 1936 und dem passenden Titel "Schön ist der Tag" das offizielle Programm des Abends beendet. Selbstverständlich lässt das Publikum das Ensemble nicht ohne Zugaben gehen. So gibt es zunächst eine sehr amüsante Version von "Lippen schweigen" aus Lehárs lustiger Witwe, bei der Roschkowski schmachtend von Kim angesungen wird, während Kuhn als Hanna Glawari eher unbeteiligt auf dem Sofa sitzt. Als sie dann für einen Moment Roschkowskis Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, wendet er sich zum Walzer doch wieder Kim zu, so dass Kuhn nichts anderes übrig bleibt, als Kobayashi zum Tanz zu bitten, während rote Rosenblätter aus dem Schnürboden auf die beiden Paare herabregnen. Zum Abschluss kommt dann das ganze Ensemble inklusive Chor auf die Bühne und stimmt noch einmal "Geigen schallen, Lichter blitzen" aus Gräfin Mariza an, wobei Steinbacher und Moody die Konfetti-Kanonen knallen lassen. Das Publikum bedankt sich für diesen kurzweiligen Abend mit stehenden Ovationen. FAZIT Die Gala ist auch mit den Operneinlagen ein Beweis dafür, dass die Operette "lebt". Götz Alsmann begeistert mit großem Sprachwitz und komödiantischen Musikeinlagen. Dieser kurzweilige Abend steht noch zwei Mal auf dem Programm, am 29. Januar 2023 um 16.00 Uhr und am 3. Februar 2023 um 19.30 Uhr. Unbedingt Karten sichern! Programm: Emmerich Kálmán: Gräfin Mariza (1924) Giacomo Puccini: Il trittico (1918) Erich Wolfgang Korngold: Die tote Stadt (1920) Emmerich Kálmán: Die Zirkusprinzessin (1926) Franz Lehár: Paganini (1925) Franz Lehár: Das Land des Lächelns (1929) Giacomo Puccini: Madama Butterfly (1904/1920) Franz Lehár: Die lustige Witwe (Version 1928, rek.
Grimminger) Erich Wolfgang Korngold: Das Lied der Liebe (1931) Franz Lehár: Giuditta (1934) Giacomo Puccini: Madama Butterfly (1904/1920) Emmerich Kálmán: Kaiserin Josephine (1936)
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Szenische Einrichtung
Licht
Choreinstudierung
Moderation
Dortmunder Philharmoniker Opernchor Theater Dortmund
Solistinnen und Solisten Tanja Christine Kuhn, Sopran
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