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Die schöne Helena

Opéra-bouffe in drei Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Musik von Jacques Offenbach

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)


Premiere im Theater Hagen am 29. Oktober 2022
(rezensierte Aufführung: 7. Dezember 2022)

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
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Operette mit Geist gesucht

Von Stefan Schmöe / Fotos von Björn Hickmann (© Theater Hagen)

Was für Helden! Wenn sie so aufmarschieren, Achilles und Agamemnon, Orest und Menelaos, Ajax 1 und Ajax 2 (den Ajax gibt es gleich doppelt), muss Troja wohl kaum Angst und Bange werden: Eine debile Schar tumber Kraftprotze, denen es entschieden an einem fehlt, nämlich an Geist. Da hat der attraktive und auch kognitiv ein wenig besser ausgestattete Paris leichtes Spiel, die schönste Frau der Welt, Helena, kurzerhand zu entführen. Was folgen wird, ist der zehnjährige Krieg um Troja, der sich in das Bewusstsein der europäischen Kulturen eingraben wird. Aber das heroische Pathos, von dem das Second Empire, das zweite französischen Kaiserreich (das ein paar Jahre später im Deutsch-Französischen Krieg untergehen wird) flankiert wird, karikiert Jacques Offenbach ebenso wie die bourgoise-kapitalistische Pariser Gesellschaft, die sich nicht nur beim Badeurlaub ihren frivolen Vergnügungen hingibt, nach Kräften. Im Seebad Nauplia erkannte das Uraufführungspublikum unschwer das gerade am Reißbrett entworfene Seebad Trouville.

Vergrößerung in neuem Fenster Kalchas, Großaugur des Jupiter-Kults, sorgt sich um das schlecht laufende Geschäft - der Venus-Kult ist gerade sehr viel populärer. Eris, Göttin der Zwietracht (und bei Offenbach nicht vorgesehen, da sind die Menschen schon selbst für ihren Streit zuständig) ist's nicht unrecht.

Was davon bringt man heute bei einer Aufführung der schönen Helena auf die Bühne? In Hagen verzichtet Regisseur Johannes Pölzgutter auf parodistische Aktualisierungen ebenso wie auf Verweise auf den historischen Kontext. Sein Personal ist modern gekleidet, aber wohl eher einer Bonboniere entsprungen als dem realen Leben (Kostüme: Susana Mendoza), und die Handlung ist an keinem konkreten Ort angesiedelt, sondern quasi in Botticellis Gemälde Die Geburt der Venus von 1486 (Bühne: Theresa Steiner). Irgendwie passt das natürlich, denn Venus tritt zwar nicht auf, ist als Liebesgöttin aber allgegenwärtig (und für die Handlung nicht unwesentlich mitverantwortlich). Pölzgutter verzichtet aber auch auf fast jegliche Frivolität: Die Kleider sind weitgehend hochgeschlossen. Vom Geist des Revuetheaters ist das ziemlich weit entfernt. Was nach derart viel Verzicht noch übrig bleibt, ist mäßig prickelndes Unterhaltungstheater, das aber auch keinen Hauch mehr sein möchte. Vom Anspruch (und vom Mut) eines Barrie Kosky etwa, der an der Berliner Komischen Oper der Gattung Operette neues Leben eingehaucht hat und dessen grandioser Orpheus in der Unterwelt auch an der Rheinoper zu sehen war, ist das sehr, sehr weit entfernt.

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Huldigungen für Helena, die schönste Frau der Welt

Als zusätzliche Sprechrolle hat Pölzgutter Eris, die Göttin der Zwietracht, eingeführt. Sandra Maria Gehrmann nimmt mit einer Körpergröße von 1,30 Metern eine Ausnahmestellung ein und leitet als Conférencière durch die Aufführung, teilweise mit elektronisch verdoppelter Stimme (Zwietracht!). Das wäre in einem stärker revuehaft ausgelegten Konzept womöglich eine zündende Idee gewesen; hier verschiebt die Figur die Akzente zur völligen Harmlosigkeit: Nicht einmal für den Streit sind die Menschen verantwortlich, denn der wird ihnen ja von Eris eingeflüstert. Freispruch für das handelnde Personal also auf allen Ebenen, und damit macht sich das Stück mit seinen satirischen Spitzen selbst überflüssig. Nebenbei: In der gesamten ersten Hälfte des Abends werden bei allen Darstellerinnen und Darstellern die gesprochenen Passagen ziemlich einförmig abgespult, da dürften es doch ein paar mehr Tempo- und Betonungswechsel sein. Im zweiten Teil zieht die Aufführung ein wenig an und kommt immerhin unterhaltungstechnisch ganz gut ins Ziel, was aber sehr viel mehr der Musik als der Szene zu verdanken ist.

Vergrößerung in neuem Fenster Badefreuden in Nauplia

Mit Schwung und Esprit, aber auch kammermusikalischer Klarheit spielt das Philharmonische Orchester Hagen auf. Handelte es sich um ein reines Orchesterstück, es wäre ein großer Abend für den jungen Dirigenten Taepyeong Kwak, in erster Linie Solokorrepetitor, geworden - alles klingt leicht und luftig. Problematisch bleibt die Koordination mit der Bühne. Sobald ein Sänger ein wenig mit dem Tempo variiert (was natürlich fast ständig passiert), droht die Musik auseinanderzulaufen, und der an sich klangschöne, aber ziemlich schwerfällig agierende Chor hängt fast immer leicht hinterher. Vielleicht liegt das auch an der holprigen deutschen Übersetzung, bei der eben doch viele Buchstaben unterzubringen sind.

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Als Augur verkleidet entführt Paris die schöne Helena

Sängerisch ragt die präsente und klangschöne Angela Davis in der Titelpartie heraus, der die Regie ein sehr biederes Schönheitsideal verpasst - die Sängerin singt und spielt das lustvoll aus. Als Paris bleibt Anton Kuzenok mit engem, aber höhensicherem Tenor im Vergleich zu ihr eher blass. Richard van Gemert spielt den Menelaos, den nicht mehr ganz jungen und ziemlich vertrottelten Gatten der Helena, mit komödiantischem Charme, läuft aber vor der Pause jedem Gesangseinsatz hinterher - auch das wird im zweiten Teil deutlich besser. Igor Storozheko ist ein ganz ordentlicher, sonorer Kalchas, Clara Fréjacques ein stimmlich leichtgewichtiger, aber wendiger Orest, Kenneth Mattice ein ziemlich farbloser Agamemnon.


FAZIT

Ganz nett, und höhere Ansprüche hat die Regie wohl auch nicht. Musikalisch durchwachsen.





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Taepyeong Kwak
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Johannes Pölzgutter

Bühne
Theresa Steiner

Kostüme
Susana Mendoza

Licht und Video
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Rebecca Graitl


Chor des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Helena
Angela Davis

Paris
Anton Kuzenok

Menelaus
Richard van Gemert

Kalchas
Igor Storozhenko

Orest
Clara Fréjacques

Agamemnon
Kenneth Mattice

Achill
Matthew Overmeyer

Ajax Eins
*Götz Vogelgesang /
Raphael Pauß

Ajax Zwei
Insu Hwang

Eris
Sandra Maria Germann

Parthœnis
Elizabeth Pilon

Leœna
Alina Grzeschik


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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