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Horror-Parodie mit Stepp-EinlagenVon Thomas Molke / Fotos: © Emma SzabóMary Shelleys Roman Frankenstein hat nicht nur das Horror-Genre beflügelt, sondern gilt auch als Meilenstein der Science-Fiction-Literatur. Mit der Erschaffung eines künstlichen Menschen gewinnt der Stoff vor allem im Zeitalter der künstlichen Intelligenz eine ganz große Brisanz. Von den zahlreichen Verfilmungen dürfte die Fassung von 1931 in der Regie von James Whale mit Boris Karloff als Monster am legendärsten sein, auch wenn sie sich recht weit von der Romanvorlage entfernt. Mel Brooks, der heute für äußerst schräge Genre-Parodien wie Spaceballs und Robin Hood: Men in Tights bekannt ist, interessierte sich ebenfalls für den Stoff und schuf 1974 den Film Frankenstein Junior, in der der Enkel des Victor Frankenstein die Experimente seines Großvaters in Transsylvanien fortsetzt. Nachdem Brooks den Film The Producers, der in Deutschland unter dem Namen Frühling für Hitler in den Kinos lief, 2001 zu einem Musical überarbeitet hatte, das mit insgesamt 12 Tony Awards ausgezeichnet wurde, entschied er sich, auch zu Frankenstein Junior eine Musical-Version zu kreieren. Wie schon bei The Producers stand ihm Thomas Meehan für das Buch zur Seite. Die Musik komponierte er selbst. Eine Ausnahme bildet lediglich Irving Berlins "Puttin' on the Ritz", das für eine Show-Nummer im zweiten Akt verwendet wird. Die Oper Bonn eröffnet nun mit diesem in Deutschland noch recht unbekannten Werk die neue Spielzeit. Der verstorbene Victor Frankenstein (Nico Hartwig, Mitte links) erscheint mit seinen Kreaturen seinem Enkel Frederick (Mathias Schlung, Mitte rechts) im Traum und ermuntert ihn, seine Experimente fortzuführen. Brooks persifliert in seiner Fassung nicht nur den Roman, sondern baut auch zahlreiche Anspielungen auf den Film von 1931 ein. Frankensteins Enkel Frederick Frankenstein ist zu Beginn ein erfolgreicher Neurochirurg in New York, der sich ausdrücklich von seinem berühmt-berüchtigten Großvater Victor Frankenstein distanziert und sogar darauf besteht, dass sein Name "Fronkensteen" ausgesprochen wird. Als er vom Tod seines Großvaters erfährt, will er allerdings doch nicht, dass dessen Schloss in die Hände des Staates fällt, und reist nach Transsylvanien. Dort trifft er auf den buckligen Igor, die attraktive blonde Laborassistentin Inga und die Haushälterin seines Großvaters, Frau Blücher, die ihn überreden können, die Arbeit seines Großvaters fortzusetzen. Die versehentliche Erschaffung eines Monsters bringt die Dorfgemeinschaft gegen Frankenstein auf, die gehofft hatten, dass mit dem Tod von Victor Frankenstein endlich wieder Ruhe in Transsylvanien eingekehrt sei. Doch Frankenstein gelingt es zunächst, das Monster zu "zähmen" und die Dorfgemeinschaft mit einer Präsentation von "Puttin' on the Ritz" zu unterhalten. Als jedoch durch einen geplatzten Scheinwerfer das Monster aggressiv wird, beschließt Inspektor Kemp, der im Kampf mit den Kreaturen Victor Frankensteins einen Arm und ein Bein eingebüßt hat, sowohl das Monster als auch seinen Schöpfer hinzurichten. Durch eine weitere Operation gelingt es Frankenstein jedoch, mit dem Monster seine eigene Intelligenz zu teilen, und so kommt doch noch alles zu einem guten Ende. Das Monster heiratet Fredericks ehemalige Verlobte Elizabeth, und Frederick und Inga werden ebenfalls ein Paar. Frederick (Mathias Schlung, Mitte) hat mit der Hilfe von Frau Blücher (Angelika Ziegler, 2. von rechts), Inga (Kara Kemeny, rechts) und Igor (Michael Heller, rechts) ein Monster (Ethan Freeman, links) geschaffen. Das Regie-Team um Jens Kerbel hält die zahlreichen Anspielungen an den berühmten Film von 1931 bei. Während der Ouvertüre wird mit durchscheinenden Gaze-Vorhängen und einer geschickten Licht-Regie der Eindruck eines Schwarz-Weiß-Films erweckt. Schemenhaft wird eine unheimliche Natur angedeutet, wie sie für einen Horrorfilm prädestiniert ist. Der Schriftzug "Transsylvanien 1934" erinnert ebenfalls an eine längst vergangene Zeit. In dieser gruselige Atmosphäre tritt dann die Dorfgemeinschaft mit einer revue-artigen Show-Nummer auf, die die vorher aufgebauten Gruseleffekte karikiert. Momme Hinrichs hat bewegliche Bühnenelemente kreiert, mit denen schnelle Szenenwechsel möglich sind. So geht es von Transsylvanien direkt in einen Hörsaal nach New York, in dem Frederick "Fronkensteen" wissenschaftliche Vorträge über das Gehirn hält. Da auf Deutsch gesungen und gesprochen wird, ist der Text in den Übertiteln auf Englisch zu lesen. Die Kostüme von Verena Polkowski sind der Zeit angepasst, in der die Geschichte spielt, und wirken nur bei dem buckeligen Igor anachronistisch, was wahrscheinlich aber von Mel Brooks schon so angelegt worden ist. Bei Igor handelt es sich nämlich um einen absolut schrägen Charakter, dessen Buckel von rechts nach links und schließlich auch in die Mitte wandert. Frederick Frankenstein (Mathias Schlung, rechts) tanzt mit dem Monster (Ethan Freeman, links) zu "Puttin' on the Ritz". Wie schon bei The Producers wirken die Tanzeinlagen recht untypisch für ein in diesem Jahrtausend entstandenes Musical und erinnern eher an eine Hommage an die berühmten US-amerikanischen Revue-Musicals der 1930er bis 1960er Jahre. Sabine Arthold setzt das neunköpfige Ensemble und die Solistinnen und Solisten in mehreren Stepp-Nummern dabei gekonnt in Szene und zeigt, dass Brooks musikalisch ein Kind dieser Zeit geblieben ist. Besonders großen Spaß macht das nach der Pause, wenn Frankenstein in einer Art Manege das unförmige Monster in einem feinen Anzug präsentiert und eine atemberaubende Stepp-Einlage zu "Puttin' on the Ritz" aufs Parkett legt, in die das ganze Ensemble mit großer Begeisterung einsteigt. Besondere Komik entfaltet dabei Musical-Legende Ethan Freeman als Monster, wenn er zunächst noch etwas behäbig mit seinen hohen Plateau-Schuhen unartikuliert den Refrain brüllt. Mit wunderbar komödiantischem Spiel changiert er als Monster zwischen bedrohlicher Kreatur und hilflosem Wesen, dass beim blinden Eremiten auftaucht und vergeblich auf Speise und Trank hofft. Herrlich ist auch die Szene, in der er Frankensteins exaltierte Verlobte Elizabeth entführt und mit seinen "animalischen" Fähigkeiten für sich gewinnt. Das Monster (Ethan Freeman) hat Frankensteins Verlobte Elizabeth (Carina Sandhaus) entführt. Auch die übrigen Solistinnen und Solisten begeistern durch große Spielfreude. Mathias Schlung überzeugt in der Rolle des leicht abgehobenen Wissenschaftlers Frederick Frankenstein, der immer mehr in die Forschungen seines Großvaters hineingezogen wird. Mit beinahe kindlicher Naivität lässt er sich von seiner egozentrischen Verlobten Elizabeth hinhalten, die er nicht einmal berühren darf, um nicht ihre Frisur, ihr Make-Up oder ihre feine Garderobe durcheinander zu bringen. Carina Sandhaus setzt sich als Elizabeth Benning dabei grandios divenhaft in Szene. Wie Frankensteins Braut Elizabeth in der Romanvorlage entführt auch die Kreatur Fredericks Elizabeth, wird mit ihr allerdings ein Paar, weil sie seinen "besonderen" Reizen nicht widerstehen kann. Kara Kemeny legt die Rolle der Laborassistentin Inga sehr verführerisch an. Die Liebesszene auf dem Labortisch hat dann schon eine wirklich absurde Komik. Michael Heller kommt als Igor der skurrilen Darstellung durch Marty Feldman in der Brooks-Verfilmung von 1974 recht nahe und begeistert mit überbordender Komik und leicht verrücktem Spiel. Daniela Ziegler gibt eine herrlich abgeklärte Haushälterin Frau Blücher mit osteuropäischem Akzent. Ein Höhepunkt ist ihr Song, in dem sie sich als heimliche Geliebte des verstorbenen Victor Frankenstein offenbart. Hier punktet Ziegler mit laszivem Spiel. Große Komik strahlt auch Hans-Jürgen Schatz als Inspektor Kemp und Eremit aus. Während er als Inspektor fast wie ein nicht ganz ernstzunehmender Diktator wirkt und mit seiner Arm- und Bein-Prothese für skurrile Momente sorgt, gibt er den Eremiten, der sich nach irgendeinem Wesen sehnt, sanft trottelig, überschüttet das hungrige Monster versehentlich mit der Suppe, die er ihm auftischt und zerschlägt sein Weinglas beim Zuprosten. Nico Hartwig schlüpft in die Rolle des verstorbenen Victor Frankenstein, der in einer großartigen Traumsequenz mit dem von ihm geschaffenen Kreaturen seinem Enkel erscheint und ihn ermutigt, die Studien fortzusetzen. Am Ende des Stückes taucht er mit einem kleinen Sarg in der Hand in einem Umhang auf, der an Graf Dracula erinnert, und will das Schloss wieder in Besitz nehmen. Doch Frederick ist nicht bereit, seine Rechte als Hausherr wieder abzugeben, und plant stattdessen, seine Studien fortsetzen. Die Band unter der Leitung von Jürgen Grimm versprüht eine Leichtigkeit, die an die Musicals der 1930er bis 1960er Jahre erinnert. So gibt es großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.
Mel Brooks' Musical enthält großes Komik-Potenzial und könnte ruhig häufiger auf
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Regiemitarbeit Bühnenbild Kostüme Choreographie
Licht Video Sounddesign
Young-Frankenstein-Band Statisterie des Theater Bonn Solistinnen und Solistenrezensierte Aufführung Frederick Frankenstein Elizabeth Benning Inga Das Monster Frau Blücher Igor Inspektor Kemp / Der Eremit Victor Frankenstein Ziggy Ensemble
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