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Das Wesentliche erzählt das OrchesterVon Stefan Schmöe / Fotos von Claudia Heysel
Was bleibt am Ende von der großen Utopie von einer radikalen Liebe, die alle gesellschaftlichen Grenzen und Konventionen sprengt, die in dieser Welt keine Erfüllung finden kann, sondern nur im Liebestod ihre Verwirklichung findet? Da sitzen Tristan und Isolde, Händchen haltend, an einem banalen Küchentisch. Und doch hat dieser Moment behutsamer Zärtlichkeit etwas Tröstendes. Regisseur Michael Schachermaier holt das Liebespaar zu den letzten Takten der Oper aus dem Reich der ewigen Nacht zurück in die Realität, nachdem drei Aufzüge lang Zeit und Raum aufgehoben waren. Tristan und Isolde
Das Bühnenbild (Paul Lerchbaumer) besteht aus einem doppelstöckigen Arkadengang, der nach vorne und hinten verschoben und durch bewegliche Wände abgedeckt und somit verkleinert werden kann. Mit nostalgischen elektrischen Deckenlampen deutet er im ersten Aufzug die Kabinen der Schiffspassage wie das Oberdeck an, fungiert im zweiten Akt als Gartenarchitektur und im dritten (etwas weniger sinnfällig) als Burg. Gleichwohl entstehen daraus keine konkreten Räume. Die Geschichte behält etwas zeitlos Märchenhaftes, in der Tristan ganz selbstverständlich ein Schwert umhängen hat (und von Melot, nachdem dieser eigentlich schon besiegt ist, ziemlich fies mit der Lanze erstochen wird). Es gibt einen Liebestrank (der von vielen Regisseurinnen und Regisseuren als wirkmittelfreies Placebo gedeutet oder gleich ganz weggelassen wird), den beide zu sich nehmen, und sie lassen sich damit bewusst ein auf das Unbekannte, das vor ihnen liegt. Ankunft bei König Marke
Sicher könnte die Personenregie präziser sein. Einem stoisch unbewegten Tristan steht hier eine gestenreiche, jede Wendung der Musik mit ausladenden Armbewegungen unterstreichende Isolde gegenüber, was ein bisschen komisch wirkt, während die übrigen Figuren das tun, was das Libretto von ihnen verlangt. Alles in allem gelingt es Schachermaier aber recht gut, unverfälscht die Geschichte zu erzählen. Im dritten Aufzug erscheinen zu Tristans Fieberträumen mehrere Frauen im gleichen strahlend blauen Kleid, wie es Isolde trägt (Kostüme: Alexander Djurkov Hotter), auf der Bühne - keine Doppelgängerinnen, dazu sind sie vom Typ zu unterschiedlich, und später auch Männer im gleichen Gewand wie Tristan. Es bilden sich Paare, die verschiedene Momente einer Liebesbeziehung andeuten. Das wirkt eine Spur zu bemüht, weist aber auf den erwähnten Schluss hin. Unabhängig davon schafft die über weite Strecken unaufgeregt konventionelle Erzählweise mit atmosphärisch passenden Bildern Raum für die Musik. "Habet Acht", singt Brangäne von oben, während Tristan und Isolde vor überdimensionalem Vollmond in die Nacht der Liebe versinken
Dass die hier besprochene letzte Aufführung dieser Produktion ein großer Wagner-Abend wird, liegt aber in erster Linie an der musikalischen Interpretation. Mit der ganz ausgezeichneten Anhaltischen Philharmonie spannt Dirigent Markus L. Frank vom ersten Ton an den ganz großen Bogen. Er lässt den musikalischen Faden nie abreißen und trägt mit dem warmen Klang des Orchesters die Sängerinnen und Sänger. Gleichzeitig behält der Orchesterpart die Autonomie gegenüber der Szene, das mit Worten nicht Sagbare zu erzählen. Orchestrale Explosionen, die es auch gibt, sind genau disponiert. Das alles trägt dazu bei, dass durchweg sehr kultiviert gesungen wird. Iordanka Derilova als Isolde fehlt es in der Mittellage ein wenig an klanglicher Fülle (was die Sängerin manchmal mit überdeutlichen Konsonanten zu kompensieren versucht), verfügt aber über eine strahlende, nicht scharfe, mühelos durchsetzungsfähige Höhe. Trotz eines mitunter ausladenden Vibratos gestaltet sie die Partie sehr differenziert, vor allem aber mit großer Intensität. Tilman Unger hat für den Tristan einen leicht eingedunkelten, höhensicheren, nie grellen Tenor - keine Riesenstimme, aber er forciert nicht und bewältigt die Partie souverän und ohne Verschleißerscheinungen. Und auch er gestaltet die musikalischen Linien schön aus und bringt den Tristan singend, nicht schreiend ins Ziel wie sonst oft gehört. Isolde an der Leiche Tristans
Anne Schuldt singt mit schönem, apart timbriertem Mezzosopran eine jugendlich-überschwängliche Brangäne (die Regie zeichnet sie szenisch älter), in den "Habet Acht"-Rufen noch etwas unausgeglichen, aber insgesamt mit einem höchst eindrucksvollen Rollenportrait. Kay Stiefermann gibt einen prägnanten, draufgängerischen Kurwenal, Michael Tews einen klangvollen, sehr menschlichen König Marke. David Ameln steuert einen schön gesungenen Hirten und jungen Seemann bei.
Dem Anhaltischen Theater gelingt ein musikalisch fesselnder, szenisch mehr als akzeptabler Tristan. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Isolde
Brangäne
Tristan
Melot
Kurwenal
König Marke
Ein Hirte
Ein Steuermann
Stimme eines jungen Seemanns
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- Fine -