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Von der komischen zur tragischen Diva
Von Thomas Molke /
Fotos: © Björn Hickmann
Gaetano Donizetti gilt mit seinen rund 70 komponierten Opern als "Vielschreiber" des Belcanto, dessen Produktivität von Heinrich Heine einmal süffisant mit der "Fruchtbarkeit von Kaninchen" verglichen wurde. Dabei hat er mit dem von ihm porträtierten Heroinen zahlreiche Werke geschaffen, die vor allem namhaften Sopranistinnen wie beispielsweise Maria Callas und Edita Gruberova die Möglichkeit gegeben haben, mit großartiger Stimm-Akrobatik als Diva des Belcanto zu glänzen. Zum Abschluss der Spielzeit feiert die Oper Dortmund mit Auszügen aus vier Opern in einer festlichen Belcanto-Gala Donizettis "Diven" und kann mit zwei Ensemble-Mitgliedern aufwarten, die diesen Namen auf jeden Fall verdienen: Anna Sohn und Sooyeon Lee. Opern-Intendant Heribert Germeshausen führt dabei fachkundig als Moderator durch das Programm und gibt auch kurze Zusammenfassungen der Opern, aus denen die einzelnen Auszüge präsentiert werden. Die Dortmunder Philharmoniker haben unter der Leitung von Motonori Kobayashi auf der Bühne Platz genommen und werden von Bühnenbild-Elementen eingerahmt, die Erinnerungen an die Revue-Operette Die lustige Witwe wecken, die vor zwei Spielzeiten in Dortmund zu erleben war. Aus dem Schnürboden hängen zahlreiche Lüster herab, die die feierliche Stimmung noch unterstreichen. Anna Sohn als Norina in Don Pasquale mit (von links) Alex Martini (Dottor Malatesta), Ks. Morgan Moody (Don Pasquale) und Sungho Kim (Ernesto), im Hintergrund: Motonori Kobayashi mit den Dortmunder Philharmonikern Vor der Pause gibt es Auszüge, aus zwei komischen Opern von Donizetti, die sich seit ihrer Uraufführung im Repertoire gehalten haben, Don Pasquale und L'elisir d'amore, und die man beide zunächst nicht direkt mit dem Begriff Diva in Verbindung bringt, obwohl die weiblichen Hauptpartien ähnlich kapriziös sind wie in Donizettis tragischen Werken. Den Anfang macht Don Pasquale. Nachdem die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Kobayashi mit der Ouvertüre schwungvoll in den Abend eingeführt haben, folgen drei Szenen aus dem zweiten Akt, in denen Don Pasquale seiner designierten Braut Sofronia begegnet, die sein Freund und Arzt Malatesta als genügsames, schüchternes Mädchen angepriesen hat und die sich kurz nach Unterzeichnung eines fingierten Ehevertrags als regelrechte Furie entpuppt. Eigentlich handelt es sich bei Sofronia nämlich um Norina, die in Don Pasquales Neffen Ernesto verliebt ist, den sie nach diesem Spiel schließlich auch als Gatten von Don Pasquale erhält. Ks. Morgan Moody schlüpft mit großartiger Komik in die Rolle der skurrilen Titelpartie und spielt die Szene mit großem Witz aus, bevor die Musik überhaupt beginnt. Auf der linken Bühnenseite sind ein weißer Sessel und eine Chaiselongue aufgebaut, auf denen Moody als Pasquale bewusst unbeholfen die richtige Sitzposition sucht, um seine zukünftige Braut angemessen zu empfangen. Alex Martini führt dann als Dottor Malatesta Anna Sohn als vermeintliche Sofronia in schwarzem Mantel mit rotem Schleier herein. Sohn gibt sich dabei herrlich schüchtern und lässt den alten Pasquale wirklich glauben, dass sie eine ängstliche fügsame Frau ist. Komik versprüht auch Jean Vendassi, der als Notaro immer wieder zu früh ins Geschehen platzt und von Martini wieder hinausgeworfen wird. Nachdem der Kontrakt dann unterzeichnet ist, zeigt Sofronia / Norina ihr wahres Gesicht und lehrt den armen Pasquale mit spitz angesetzten Koloraturen das Fürchten. Das alles wird von Sohn, Moody und Martini stimmlich überzeugend und mit großem Spaß umgesetzt. Es folgt das Finale aus L'elisir d'amore. Auch die von dem Bauernjunge Nemorino angebetete Gutsherrin Adina ist im Prinzip eine Diva, da sie das Liebeswerben des etwas einfältigen jungen Mannes nicht erhört und größeres Interesse an dem arroganten Sergeanten Belcore hat. Da kommt Nemorino der Quacksalber Dulcamara natürlich recht, der ihm einen Liebestrank anpreist, mit dem er die Herzen der Frauen erobern kann. Zunächst scheint es auch zu funktionieren, da Nemorino durch den Alkohol zum einen etwas lockerer wird und zum anderen die Mädchen erfahren haben, dass er eine Erbschaft gemacht hat, die ihn als gute Partie erscheinen lassen. Das passt Adina natürlich nicht, weil sie erkennt, dass sie doch etwas für Nemorino empfindet. Anders als er fällt sie allerdings nicht auf Dulcamara herein. Denis Velev und Sooyeon Lee präsentieren das Duett, in dem Dulcamara Adina ebenfalls einen Trank andrehen möchte, um Nemorinos Herz zurückzugewinnen. Während Velev mit profundem Bass und herrlicher Komik seinen Trank anpreist, durchschaut Lee mit keckem Sopran sein falsches Spiel und will einen anderen Weg suchen, um Nemorino für sich zu gewinnen. Dafür kauft sie einfach den Schuldschein zurück, mit dem sich Nemorino beim Militär verpflichtet hat, um das Geld für den Liebestrank aufzubringen. Bevor es aber im großen Liebes-Duett zwischen Adina und Nemorino zum glücklichen Ende kommt, präsentiert Sungho Kim als Nemorino die berühmte Tenor-Arie "Una furtiva lagrima". Kim punktet mit lyrisch angesetzten Höhen und bewegt in seiner Interpretation zutiefst. Das gehört zwar eigentlich nicht in einen Abend, in dem die großen Opern-Diven gefeiert werden sollen, hat aber ebenfalls als Glanzpunkt des Abends etwas "Divenhaftes". Sooyeon Lee als Lucia mit dem Opernchor in der großen Wahnsinnsszene aus Lucia di Lammermoor Nach der Pause geht es von den komischen dann zu den tragischen Opern. Natürlich darf an einem solchen Abend Lucia di Lammermoor nicht fehlen, das Paradestück für alle Sopranistinnen mit der großen Wahnsinnsszene der Lucia im dritten Akt. Zunächst kommt hier der von Fabio Mancini einstudierte Opernchor zum Einsatz, der als Volk von Normanno auf die Bühne gerufen wird. Nach dem eindrucksvoll von den Dortmunder Philharmonikern interpretierten Preludio und der ersten Szene mit Kim als Normanno und dem Chor geht es direkt in die Wahnsinnsszene aus dem dritten Akt über. In rotem Abendkleid betritt Sooyeon Lee als Lucia mit einem blutverschmierten Dolch wie in Trance die Bühne und lässt den Chor und Alex Martini als ihren Bruder Enrico zurückschrecken. Mit intensivem Spiel und großartigen Spitzentönen liefert sich Lee ein regelrechtes Duell mit der Querflöte und bricht schließlich entseelt zusammen, während der Chor und die Solisten entsetzt das Geschehen kommentieren. Hier lässt die szenische Umsetzung wirklich gar nichts vermissen, und man wird regelrecht in die Tragik hineingezogen. Eine Königin dankt ab: Anna Sohn als Elisabetta in Roberto Devereux Nach dieser bewegenden Darstellung darf dann auch Sohn noch eine dem Wahnsinn verfallende Heldin verkörpern, die nicht ganz so bekannt wie Lucia ist: Elisabetta aus Roberto Devereux. Die Oper basiert auf der französischen Tragödie Elisabeth d'Angleterre von Jacques-François Ancelot und einer historischen Begebenheit über den Earl of Essex, Robert Devereux, der als Günstling der Königin nach Irland geschickt wurde, um einen Aufstand der Rebellen niederzuschlagen, stattdessen jedoch einen Waffenstillstand aushandelte, was zu einer Anklage wegen Hochverrats führte. Obwohl Elisabeth ihn zunächst im Gerichtsverfahren schützte, unterschrieb sie dennoch sein Todesurteil. In der Oper ist diese Entscheidung nicht politisch motiviert. Elisabetta findet heraus, dass er eine andere Frau liebt, und verlangt zur Rettung seines Lebens den Namen der Geliebten und den Ring, den sie ihm einst gegeben hat. Roberto ist allerdings nicht bereit, den Namen der Geliebten zu verraten, da es sich dabei um Elisabettas Hofdame und Vertraute Sara handelt, die mittlerweile mit dem Herzog von Nottingham verheiratet ist. Als er Sara schließlich doch bittet, den Ring Elisabetta zu bringen, verhindert der Herzog, dass Sara rechtzeitig zur Königin gelangt. Das Todesurteil wird vollstreckt. Elisabetta verfällt dem Wahnsinn und dankt als Königin ab. An diesem Abend wird der dramatische Schluss der Oper präsentiert. Majestätisch schreitet Anna Sohn in schwarzem Kleid auf die Bühne und wartet auf Sara, die ihr den Ring überbringen soll. Mit großartig angesetzten Koloraturen und intensivem Spiel verfällt Sohn nach der Hinrichtung dem Wahnsinn und zeigt beeindruckend den Untergang einer großen Opernheroine. Jean Vendassi stellt als Herzog von Nottingham mit dunklem Bass-Bariton unter Beweis, dass er neben dem komödiantischen Notaro aus Don Pasquale auch einen finsteren Bösewicht verkörpern kann. Natascha Valentin punktet als Sara mit warmem Mezzosopran. Auch der Opernchor kommt in der Schlussszene mit fulminantem Klang zum Einsatz. Das Publikum bedankt sich für diese Auszüge mit frenetischem Applaus, so dass es noch eine Zugabe gibt, die allerdings nicht die Diven hochleben lässt sondern den Quacksalber Dulcamara. Mit Schalk im Nacken setzt Velev zu der berühmten Kavatine "Udite, udite, o rustici" an, in der er seine diversen Elixiere anpreist. Ks. Morgan Moody eilt dazu mit einem großen Korb ins Publikum und verteilt rote Flaschen. FAZIT Die festliche Belcanto-Gala bietet einen großartigen Spielzeitabschluss auf hohem musikalischem Niveau.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Moderation
Szenische Einrichtung
Licht
Choreinstudierung
Dortmunder Philharmoniker Opernchor Theater Dortmund
Solistinnen und Solisten Adina / Lucia Norina / Elisabetta Sara Ernesto / Nemorino / Normanno / Cecil Dottor Malatesta / Enrico Don Pasquale Un Notaro / Nottingham Dulcamara / Raimondo
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