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Rossinis Meisterwerk als knallbuntes Spektakel Von Thomas Molke / Fotos: © Jochen Quast Es weihnachtet sehr, könnte man meinen, wenn man den Saal im Theater Duisburg betritt. Zahlreiche riesige Geschenkverpackungen liegen auf der Bühne. Aber gespielt wird kein Weihnachtsmärchen sondern Rossinis Il barbiere di Siviglia in der Inszenierung von Maurice Lenhard, die nach der Premiere vor zwei Jahren im Opernhaus Düsseldorf, damals noch unter strengen Corona-Bedingungen (siehe auch unsere Rezension), nun im Theater Duisburg in fast komplett neuer Besetzung auf dem Spielplan steht. Figaro (Jake Muffett) als Geschenk verpackt Das Werk gilt laut Philip Gossett als die älteste italienische Oper, die seit ihrer Premiere nie aus dem Opernrepertoire verschwunden ist. Zwar wurde die Uraufführung am 20. Februar 1816 im Teatro Torre Argentina im Rom noch mit Pfiffen bedacht. Doch ab der zweiten Vorstellung konnte das Werk das Publikum für sich gewinnen und verbreitete sich sehr schnell innerhalb und außerhalb Italiens. Die unzähligen Produktionen im In- und Ausland führten jedoch auch zu zahlreichen Bearbeitungen, die die ursprüngliche Form bisweilen stark entstellten. Am bekanntesten ist wohl die Transponierung der Partie der Rosina von einer Mezzo- in eine Sopranstimme, so dass die berühmte Kavatine "Una voce poco fa" heute bei zahlreichen namhaften Koloratursopranistinnen zum Standardrepertoire gehört. Erst Alberto Zeddas 1969 erschienene kritische Edition des Meisterwerkes führte dazu, dass der ursprünglichen Fassung wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch an der Deutschen Oper am Rhein spielt man das Stück mit einer Mezzosopranistin. Die große Schluss-Arie im zweiten Akt, "Cessa di più resistere", die Rossini für den spanischen Star-Tenor Manuel García komponiert hatte und die er später für das bekannte Schluss-Rondo der Cenerentola "Non più mesta" verwendete, ist allerdings gestrichen. Dabei hat der Interpret des Almaviva, César Cortés, noch im Sommer beim Festival Rossini in Wildbad, übrigens auch unter der musikalischen Leitung von Antonino Fogliani, bewiesen, dass auch er sie bravourös meistern kann. Bartolo (Giulio Mastrototaro) will sein Mündel Rosina (Kimberley Boettger-Soller) heiraten (im Hintergrund rechts: Anke Krabbe als Berta). Ansonsten kann man sich in Duisburg musikalisch und szenisch nicht beklagen. Das Regie-Team um Lenhard bietet ein knallbuntes Spektakel in einem opulenten Bühnenbild von Malina Raßfeld, das die Geschichte herrlich überzeichnet. Eine besondere Rolle bekommt hier auch die relativ kleine Partie des Fiorillo, dessen Aufgabe eigentlich nur darin besteht, Musiker zu organisieren, damit Almaviva als verkleideter Lindoro der Angebeteten Rosina unter ihrem Fenster ein Ständchen bringen kann. Matteo Guerzé tritt in der Rolle als Amor mit weißen Flügeln auf und richtet seinen Liebespfeil auf die Personen des Stückes. So verwundert es nicht, dass es von Anfang an sowohl für Rosina als auch für Bartolo und Almaviva nur ums Heiraten geht. Und auch die Dienerin Berta scheint an dem grantelnden Doktor nicht ganz uninteressiert zu sein. Figaro wirkt in seinem Patchwork-Kostüm wie eine Art Pierrot, der zwar vorgibt, alles zu meistern, dabei jedoch alles andere als erfolgreich mit seinen Plänen ist. Rosina tritt in jeder Szene mit einem anderen weißen Kleid auf, in dem sie eigentlich direkt zum Traualtar geführt werden könnte. Als Liebesbriefe fungieren weiße Tauben, was auf den ersten Blick zuckersüß romantisch wirkt. Doch dieser Kitsch wird dadurch gebrochen, dass Rosina die Taube aufschneidet, um eine Liebesbotschaft darin zu verstecken. Falsches Stück? Almaviva (César Cortés) als verkleideter Soldat Auch bei den Verkleidungen des Grafen schöpfen die Kostümbildnerin Christina Geiger und die Requisite aus dem Vollen. So tritt Almaviva zunächst als Schwanenritter mit zwei riesigen Schwänen und einem großen silbernen Schwert auf. So würde man sich den Lohengrin vielleicht in einer konventionellen Inszenierung wünschen, sieht man mal von der pinken Farbe ab. Als vermeintlicher Musiklehrer Don Alonso tritt er dann als Orpheus auf und spielt die Szene mit großartiger Komik aus. Dass Rosina ihn erkennt, liegt wahrscheinlich an dem pinkfarbenen Kostüm, das er unter dem weißen Umhang trägt. Sie selbst besticht durch einen herzförmigen Haarschmuck, der die ganze Szene mit der vorgetragenen Arie aus der unnützen Vorsicht wunderbar karikiert. Nach der Pause hat sich die ganze Bühne in einen riesigen Geschenkkarton verwandelt, der oben mit einer pinkfarbenen Schleife zusammengehalten wird. Unten sind die Tische bereits für die Hochzeitsfeierlichkeiten vorbereitet. Zur Sturmmusik gibt es dann Tischfeuerwerk, und die Leiter, über die Almaviva und Figaro Rosina zur Flucht verhelfen wollen, kommt aus dem Bühnenboden unter dem Tisch hervor. Don Basilio (Bogdan Taloş, rechts) schmiedet mit Bartolo (Giulio Mastrototaro, links) einen Plan. Auch wenn man bei Cortés leider auf die große Schluss-Arie des Almaviva verzichten muss, setzt er mit tenoralem Glanz und herrlich komödiantischem Spiel Akzente. Schon bei seiner Auftrittskavatine "Ecco, ridente in cielo" stellt er mit sauberer und beweglicher Stimmführung seine stimmlichen Qualitäten unter Beweis und präsentiert sich als überzeugender Verführer. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist das Duett mit Figaro im ersten Akt, "All'idea di quel metallo", in dem sich Figaro gegen reiche Belohnung überreden lässt, dem Grafen Zugang zu Bartolos Haus zu verschaffen. Cortés Tenor und Jake Muffetts beweglicher Bariton harmonieren wunderbar zusammen. Schon davor kann Muffett mit der berühmten Auftritts-Arie des Figaro, "Largo al factotum", mit kraftvollem Bariton und spielerischen Läufen begeistern. Auch darstellerisch merkt man Muffett an, dass er den Schalk im Nacken sitzen hat. Ein weiterer großartiger Buffo-Darsteller ist Giulio Mastrototaro als Bartolo. Mit flexiblem Bassbariton punktet er bei seiner großen Arie "A un dottor della mia sorte" und versprüht eine irrwitzige Komik. Wenn er zum Schluss schon nicht sein Mündel zur Gattin erhält, darf er auf der Hochzeit wenigstens die ihm zugeneigte Berta küssen. Bogdan Taloş gibt den windigen Musiklehrer Don Basilio herrlich intrigant und lässt bei seiner berühmten Arie "La calunnia è un venticello" aus dem lauen Lüftchen der Verleumdung einen großen Orkan entstehen. Rosina (Kimberley Boettger-Soller) "musiziert" mit dem vermeintlichen Musiklehrer Don Alonso (César Cortés). Kimberley Boettger-Soller glänzt in der Partie der Rosina mit samtweichem Mezzosopran, der sich in den Koloraturen durch große Flexibilität auszeichnet und in den Höhen große Durchschlagskraft besitzt. Dabei verfügt sie auch über eine herrliche Komik, die sie vor allem zu Beginn des zweiten Aktes ausspielen kann, wenn sie unter Anleitung des vermeintlichen Musiklehrers Don Alonso das Lied aus der unnützen Vorsicht singt und dabei Almaviva näher kommt, als es ihrem Vormund lieb ist. Anke Grabbe gibt die an sich kleine Partie der Berta herrlich schroff mit dicken Lockenwicklern in den Haaren und punktet in ihrer Sorbetto-Arie mit strahlendem Sopran. Auch der von Patrick Francis Chestnut einstudierte Herrenchor der Deutschen Oper am Rhein überzeugt durch homogenen Klang und große Spielfreude. Die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Antonino Fogliani beherrschen die Tempi in der Abstimmung mit den Solistinnen und Solisten wunderbar. Alles klingt sehr sauber. Man hätte sich an einigen Stellen aber etwas mehr Biss und Pfiffigkeit gewünscht. Das Publikum bedankt sich für die kurzweilige Aufführung bei allen Beteiligten mit großem und verdientem Applaus.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Mitarbeit an Bühnen- und Kostümbild Licht Video Chorleitung Dramaturgie Spielleitung
Duisburger Philharmoniker Hammerklavier Herrenchor der Statisterie der
Solistinnen und Solisten*Premierenbesetzung Rosina
Berta
Almaviva
Figaro
Bartolo
Basilio
Fiorillo
Offizier
Gitarrist
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