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Auf der Suche nach dem Märchen Von Thomas Molke / Fotos: © Jochen Quast Wie wäre wohl die Karriere von Paul Abraham verlaufen, wenn die Nationalsozialisten nicht 1933 die Macht ergriffen hätten? Der ungarisch-jüdische Komponist, den Franz Lehár zu Beginn seiner rasanten Karriere liebevoll als "Kronprinzen der Operette" bezeichnet hatte, stand 1932 auf dem Zenit seiner Karriere und beherrschte mit Kassenschlagern wie Die Blume von Hawaii, Viktoria und ihr Husar und Ball im Savoy die Bühnen der Weimarer Republik. Doch das änderte sich schlagartig. Für die "reichsdeutschen" Theater war eine derart "klanggewordene Entartung", wie Abrahams Werke in Reclams Operettenführer von 1939 bezeichnet wurden, nicht tragbar. So ging Abraham ins Exil, erst nach Wien und nach der Annexion Österreichs an das Deutsche Reich in die USA, wo er nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen konnte. In Folge einer verschleppten Syphilis erkrankte er schließlich an Schizophrenie und wurde in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Als er 1956 von schwerer Krankheit gezeichnet nach Hamburg zurückkehrte, war zwar in Deutschland eine neue Zeit angebrochen, die ihm seinen ehemaligen Ruhm aber auch nicht zurückbringen konnte. Die Deutsche Oper am Rhein hat nun eine Lustspieloperette Abrahams auf den Spielplan gestellt, die am 29. März 1934 ihre Uraufführung im Theater an der Wien zu einem Zeitpunkt erlebte, als Abrahams Werke auf deutschen Bühnen bereits nicht mehr gespielt werden durften: Märchen im Grand-Hotel. Auch wenn die Produktion mit 65 Aufführungen relativ erfolgreich war, gab es in Österreich einfach nicht genügend Theater, die einen lang anhaltenden Ruhm garantiert hätten, zumal ja auch hier vier Jahre später seine Werke nicht mehr gespielt werden durften. Marylou (Valerie Eickhoff, auf dem Tisch stehend) hat eine Idee für einen neuen Film. Die Geschichte klingt auf den ersten Blick etwas seicht, lässt sich jedoch ein bisschen wie ein Märchentraum eines desillusionierten Komponisten lesen. Es beginnt mit einem Vorspiel in Hollywood. Hier ist der Filmproduzent Makintosh auf der Suche nach einem neuen Kassenschlager, weil er von seinem Konkurrenten vom Markt verdrängt wird. Seine Tochter Marylou hat die Idee, eine Geschichte aus dem echten Leben zum Thema zu machen. In Cannes sitzt die Infantin Isabella von Spanien mitsamt ihrer Entourage im Exil und wartet in einem französischen Grand-Hotel darauf, dass sie wieder nach Spanien zurückkehren kann. Marylou reist also nach Cannes, um die Infantin zu überreden, ihre Geschichte verfilmen zu lassen. Doch Isabella zeigt sich diesem Projekt gegenüber nicht aufgeschlossen. Für Verwirrung im Hotel sorgt Albert, der Erbe des Besitzers, der als Zimmerkellner der Infantin den Kopf zu verdrehen versucht. Als Isabella nach zahlreichen Verwicklungen das Geld ausgeht, ist sie schließlich doch bereit, mit Marylou nach Hollywood zu gehen und sich mit ihrem Gefolge auf einen Filmdreh einzulassen. Zum Happy End darf natürlich nicht fehlen, dass sie auf ihren Verlobten Prinz Andreas Stephan verzichtet, der sehr an Marylou interessiert ist, und stattdessen den bürgerlichen - wenn auch nicht standesgemäßen - Albert heiraten will. Albert (Jake Muffett, Mitte) ist begeistert von der Infantin Isabella (Sylvia Hamvasi, Mitte) (auf der linken Seite: Joachim Gabriel Maaß als Matard und Carmen Fuggiss als Inez, auf der rechten Seite: David Jerusalem als Großfürst Paul). Das Regie-Team um Michaela Dicu versucht nicht, die Geschichte auf irgendeine Weise zu karikieren oder zu modernisieren, sondern denkt sie gewissermaßen aus der Perspektive eines im Exil lebenden Komponisten, der seinen gefeierten Jahren als Operettenkönig nachtrauert, dabei in feudalen Hotels über seine Verhältnisse lebt und fest daran glaubt, dass sein Ruf rehabilitiert wird. So ist das modernste Element im Bühnenbild ein leuchtender Schriftzug über der Hotelfassade des Grand-Hotels: "This is not the end of the world". Wenn das Wörtchen "not" im zweiten Teil des Abends zu flackern beginnt und zu verlöschen droht, wird man vielleicht ein wenig nachdenklich. Ansonsten ist die Inszenierung in jeder Hinsicht opulent gestaltet. Ariane Isabell Unfried hat für die Figuren Kostüme entworfen, die die Filmwelt im Hollywood der 1930er Jahre genauso liebevoll herausarbeiten wie die Dienerschaft im luxuriösen Grand-Hotel in Cannes und die leicht exaltierte spanische Gesellschaft. Die Bühne von Rifail Ajdarpasic zeigt unter Einsatz der Drehbühne vier großartige Settings in Cannes. Da ist zunächst die feudale Eingangshalle des Grand-Hotels mit riesiger Treppe, dann eine luxuriöse Suite, in der Isabella logiert, ein Fitness-Raum mit einem runden Holzschwimmbecken und die bereits erwähnte Hotelfassade. Der Eingang ins Hotel durch eine Drehtür wird als weiteres Element genauso aus dem Schnürboden herabgelassen wie das Setting in Hollywood, das im Vorspiel auf großen Leinwänden Filmgrößen der frühen Jahre der Kinogeschichte zeigt. Albert (Jake Muffett) gesteht Isabella (Sylvia Hamvasi) seine Liebe. In diesem Ambiente entspinnt sich in einer ausgeklügelten Personenregie mit eindrucksvollen Tanzeinlagen (Choreographie: Kati Farkas und Steppchoreographie: Emma Kate Nelson) ein wunderbar leichter Abend, der mit eingängigen Melodien in eine entzückende Märchen- bzw. Traumwelt entführt. Den Biss, den Abrahams Melodien in Viktoria und ihr Husar oder Die Blume von Hawaii haben, findet man in Märchen im Grand-Hotel allerdings weniger, was vielleicht der Situation geschuldet ist, in der dieses Werk entstanden ist. Schließlich war Abraham ja bereits wie die Infantin im Stück vom Thron gestoßen worden. Musikalisch interessant ist, dass Abraham in dieser Operette statt eines Chores ein Männerquartett einfügt. Auch wenn es sich dabei "nur" um vier Männer (Florian Wugk, Jakob Kleinschrot, George Clark und Dashuai Jiao) handelt, wird man trotzdem in den Melodien und im Aufbau ein wenig an die Comedian Harmonists erinnert, deren jüdische Mitglieder ja ein vergleichbares Schicksal erlebten wie Abraham. Jedenfalls geben ihre Musiknummern dem Werk eine sehr ungewohnte und dabei absolut frische Note. Die übrigen Melodien des Stückes bewegen sich zwischen rühriger Walzerseligkeit und für die damalige Zeit modernen Jazz- und Foxtrott-Klängen. Entspannung am Pool: Chamoix (Stefan Heidemann, links) und Matard (Joachim Gabriel Maaß, Mitte) (rechts: Tänzerinnen) Das Ensemble verbreitet an diesem Abend große Spielfreude. Da ist zunächst Valerie Eickhoff als Marylou zu nennen, die als selbstbewusste junge Frau gegen viele Widerstände ankämpfen muss, bis sie die Infantin schließlich überreden kann, für das Filmprojekt mit nach Hollywood zu kommen. Eickhoff punktet mit warmem Mezzosopran und intensivem Spiel. Große Komik entfacht sie auch, wenn sie in die Rolle des Kammermädchens Mabel schlüpft und heftig mit dem Schwerenöter Prinz Andreas Stephan (Cornel Frey mit hellem Tenor und herrlich selbstverliebtem Spiel) flirtet. Jake Muffett stattet den verkleideten Hotelerben Albert mit schmachtendem Bariton und großem Spielwitz aus. Da knistert es schon gewaltig zwischen ihm und der Infantin. Sylvia Hamvasi begeistert als Isabella mit strahlendem Sopran und erhabenem Spiel. Dabei hält sie Albert einerseits gekonnt auf Distanz und macht ihm andererseits deutliche Avancen, die den jungen Mann hoffen lassen. Carmen Fuggiss gibt ihre Kammerzofe Inez mit exaltiertem Spiel und punktet stimmlich mit leuchtenden Höhen. Joachim Gabriel Maaß zeichnet den Hotelmanager Matard mit leicht süffisantem Spiel und begeistert stimmlich im Duett mit Stefan Heidemann als Hotelbesitzer Chamoix. Auch die übrigen Partien sind gut besetzt. Stefan Klingele führt die Duisburger Philharmoniker mit leichter Hand durch die Partitur, so dass es für alle Beteiligten am Ende großen und verdienten Applaus gibt.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Licht Choreographie Steppchoreographie Dramaturgie
Duisburger Philharmoniker
Solistinnen und Solisten*rezensierte Aufführung Die Infantin Isabella
Großfürst Paul
Prinz Andreas Stephan
Gräfin Inez de
Ramirez
Baron Don Lossas
/ Barry
Präsident Chamoix
Matard / Dryser
Albert
Makintosh
Marylou
Mabel
Quartett
Tänzerinnen und Tänzer
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