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Bye-Bye Ben

Eine Collage aus La vie en rose und Tanzhommage an Queen
Musik von Queen sowie französische Chansons von Jacques Brel

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 22. Juni 2024
(rezensierte Aufführung: 26.06.2024)




Theater Essen
(Homepage)
Nostalgische Abschiedsreise durch 16 Jahre Tanz in Essen

Von Thomas Molke / Fotos: © Hans Gerritsen

Sechs Jahre ist es her, dass Essens Ballett-Intendant Ben Van Cauwenbergh sein 10-jähriges Jubiläum mit einer großen Gala unter dem Titel 10 By Ben feierte und während der damaligen Fußball-Weltmeisterschaft in Russland selbst bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft für ein ausverkauftes Haus sorgte. Jetzt regiert wieder König Fußball, dieses Mal mit der Europa-Meisterschaft im eigenen Land, und dennoch ist das Aalto-Theater bis auf den letzten Platz ausverkauft, auch wenn an diesem Abend "nur" Belgien um den Einzug ins Achtelfinale kämpft. Der Anlass ist jedoch nicht ganz so erfreulich wie vor sechs Jahren. Denn zum Ende der Spielzeit heißt es Abschied nehmen von Van Cauwenbergh. Nach 16 Jahren, in denen er alles vom klassischen Handlungs-Ballett über Themenabende bis hin zu modernen Tanzabenden geboten und nicht nur das Essener Publikum im Sturm erobert hat, geht er in den wohlverdienten Ruhestand. Man hatte ja im Stillen gehofft, dass er noch die 20 Jahre vollmachen würde und man eine weitere Jubiläums-Gala feiern könnte. Aber so gibt es zum Abschied eine Collage aus Stücken, die den Zeitraum von 2008 bis 2024 abbilden. Und damit nicht nur das Publikum einer einzigen ausverkauften Vorstellung in den Genuss dieses Abends kommt, ist dieses Abschiedsfest insgesamt viermal angesetzt und passend dazu grob in vier Teile gegliedert.

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Ben Van Cauwenbergh und die Essener Philharmoniker

Wichtig ist es Van Cauwenbergh für seinen Abschied, dass an diesem Abend keine Musik vom Band eingespielt wird, sondern alles mit Live-Orchester und Live-Gesang zu erleben ist. Da dürfen an erster Stelle natürlich die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Wolfram-Maria Märtig nicht fehlen, die dieses Mal nicht in den Orchestergraben "verbannt" sind, sondern gewissermaßen "als Bühnenbild des Abends" fungieren, so dass der Tanz zwischen Publikum und Orchester stattfindet. Wenn der Vorhang sich öffnet, steht Van Cauwenbergh selbst am Dirigenten-Pult, und die Essener Philharmoniker setzen mit großer Leidenschaft zu dem berühmten Lied "My Way" an. Van Cauwenbergh gesteht im Anschluss allerdings, dass er nicht selbst dirigieren könne und das Orchester das "ganz alleine gemacht" habe. Deswegen übergibt er für den weiteren Teil des Abends an Märtig. Bevor es aber losgeht, bittet Van Cauwenbergh noch seine langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sich auf die Bühne, die ihm alle auch nach ihrer aktiven Tanz-Karriere die Treue gehalten und weiter für ihn gearbeitet haben. Da sind Maria Lúcia Segalin, Yulia Tsoi und Alicia Olleta zu nennen, die unter anderem große Rollen unter anderem in Giselle, Romeo und Julia, Cinderella und Don Quixote verkörpert haben. Auch seine beiden Nachfolger, Armen Hakobyan und Marek Tůma, dürfen nicht fehlen, die ab der nächsten Spielzeit als Doppelspitze die Leitung des Aalto-Ballett übernehmen. Nach zahlreichen Danksagungen wird Van Cauwenbergh ein Bildband mit einem Augenzwinkern überreicht. Er dürfe sich jetzt an den folgenden Abenden nicht anmerken lassen, dass er dieses Buch bei jeder Vorstellung erhalte und solle ein wenig überrascht und gerührt sein. Das Publikum hat nach der Vorstellung die Möglichkeit diesen Bildband für 5 Euro im Foyer zu erwerben und von Van Cauwenbergh signieren zu lassen.

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Wataru Shimizu (unten) und Moisés León Noriega (oben) in "Amsterdam" aus La vie en rose

Dann beginnt der tänzerische Teil des Abends. Als erster Teil stehen Auszüge aus Van Cauwenberghs Ballettabend La vie en rose auf dem Programm, mit dem er sich 2008 als neuer Ballett-Direktor in Essen vorgestellt hat. Eigentlich widmet sich dieser Abend den drei Legenden Edith Piaf, Gilbert Becaud und Jacques Brel. Für die Abschieds-Gala hat Van Cauwenbergh aber lediglich Chansons von Jacques Brel ausgewählt, für deren Interpretation er Dominique Horwitz eingeladen hat, der den französischen Charme der Lieder intensiv einfängt und sich dabei teilweise auch recht expressiv zwischen den Tänzerinnen und Tänzern bewegt. Bevor die Compagnie allerdings auf die Bühne strömt, bittet Van Cauwenbergh seine mittlerweile 95-jährige Mutter auf die Bühne und tanzt mit ihr zu "La Valse à mille temps" einen beeindruckenden Walzer. Dieses Bild geht unter die Haut. Unter großem Applaus führt er seine Mutter anschließend von der Bühne in den Orchestergraben, von wo aus die beiden  gemeinsam mit Van Cauwenberghs Ehefrau und seinem Team dem weiteren Abend beiwohnen, und überlässt der gut aufgelegten Compagnie des Aalto Ballett Essen die Bühne, die die einzelnen Nummern mal als Ensemble, dann in Pas de deux, Pas de trois oder Soli glanzvoll umsetzen. Nahtlos gehen die Chansons ineinander über und versprühen einen enormen Charme. Hervorzuheben ist das großartige Solo von Davit Jeyranyan zu "Les Bourgeois", in dem er sich über die spießige Gesellschaft lustig macht und diese in schlaksigen Bewegungen karikiert. Als weiterer Höhepunkt kann das Pas de deux von Wataru Shimizu und Moisés León Noriega zu "Amsterdam" bezeichnet werden, in dem die beiden als zwei Matrosen mit großartigen Sprüngen und Hebefiguren begeistern. Den Abschluss vor der Pause bildet dann das vom ganzen Ensemble eindringlich interpretierte "Ne me quitte pas".

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Ensemble in Last Taiko

Nach der Pause geht es dann mit Van Cauwenberghs letzter Choreographie weiter, die er gemeinsam mit Hakobyan für den Ballettabend Last kreiert hat: Last Taiko. Dafür haben die Essener Philharmoniker für die Taiko-Gruppe Feniks Taiko die Bühne geräumt, die die Choreographie mit kraftvoller Perkussion an mehreren Trommeln begleitet. Das Stück "Harvest" aus Japanese Taiko von Joji Hirota and the Taiko Drummers dreht sich um Macht und zeigt den Kampf zwischen zwei gegnerischen Positionen, die sich hierbei zunächst nach Geschlechtern getrennt gegenüber stehen. Mit nacktem Oberkörper und weiten schwarzen Hosen drücken die Tänzer in eindrucksvollem Licht-Design auf einer schwarz gehaltenen Bühne eine gewisse Urkraft aus, die von einer nahezu brutalen Härte bestimmt wird. Da halten die Damen mit grazilen Bewegungen auf Spitze dagegen, bis die beiden Parteien schließlich zu einer direkten Auseinandersetzung gelangen. Die Compagnie sprüht hier vor Energie und Kraft und verschafft dem Publikum einen atemberaubenden Moment.

Danach benötigen die Tänzerinnen und Tänzer sicherlich erneut eine kurze Verschnaufpause, und auch das Orchester muss sich für den letzten Teil wieder auf der Bühne positionieren. Zur Überbrückung gibt es einen wunderbaren Film von Van Cauwenberghs Tochter Marie und Benjamin Balazs, einem weiteren Tänzer der Compagnie, der das Publikum auf eine Zeitreise durch die 16 Jahre Ballett in Essen führt. Hier darf natürlich Adeline Pastor als Edith Piaf nicht fehlen, die nicht nur die Chansons von Edith Piaf großartig vertanzte, sondern dabei auch noch mit ihrem Gesangs-Talent als Piaf begeisterte. Auch ein Wiedersehen mit Breno Bittencourt gibt es, der in den ersten Jahren nahezu alle großen Partien in Van Cauwenberghs Handlungs-Balletten getanzt hat und für die Jubiläums-Gala vor sechs Jahren noch einmal in die Rolle des Prinzen aus Cinderella geschlüpft ist. Bemerkenswert ist auch zu sehen, wie viele der Tänzerinnen und Tänzer aus den Filmeinspielungen immer noch im Ensemble aktiv sind. Neben einem Querschnitt durch die einzelnen Produktionen gibt es auch Probeneinblicke und Bilder von Tourneen nach Mallorca und Japan, die die Compagnie gemacht hat. Zum Schluss sieht man dann auch noch Bilder von dem Privatmenschen Van Cauwenbergh, die belegen, dass es für ihn neben dem Tanz auch noch ein weiteres Leben gegeben hat, dem er sich nun vielleicht intensiver widmen kann.

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Tanzhommage an Queen: Ensemble

Zum Abschluss gibt es dann Van Cauwenberghs legendäre Tanzhommage an Queen, die er ebenfalls in seiner ersten Spielzeit am Aalto-Theater präsentierte und die er auch als Education-Project mit Schülerinnen und Schülern erarbeitete. Für den Gesang ist Sascha Krebs engagiert. Die Abmischung des Gesangs zum Live-Orchester ist stellenweise aber nicht optimal, so dass Krebs bisweilen Schwierigkeiten hat, über das Orchester zu kommen. Das kann den optischen Genuss aber nicht stören. Nach dem "Innuendo" geht es direkt in "We Will Rock You" über, und die Tänzerinnen und Tänzer laden das Publikum zum Mitklatschen ein. Aus den homogenen Bewegungen lösen sich immer wieder einzelne Tänzerinnen und Tänzer heraus und begeistern mit kraftvollen Sprüngen. Danach folgt gewissermaßen ein Schnelldurchlauf durch die großen Hits von Queen, die teilweise auch sehr humorvoll von der Compagnie umgesetzt werden. Zu "Who Wants To Live Forever" kam damals die Hebebühne zum Einsatz, was mit den Essener Philharmonikern auf der Bühne natürlich nicht funktioniert, so arbeitet man mit Bühnennebel und lässt einen Tänzer im Nebel verschwinden. Das Ende bildet dann wie bereits vor sechs Jahren bei der Jubiläums-Veranstaltung "The Show Must Go On", wobei Teile der Choreographie aus "We Will Rock You" wieder aufgegriffen werden. Auch in Essen muss die Show nun weitergehen, ohne Van Cauwenbergh. Es bleibt zu hoffen, dass Hakobyan und Tůma nahtlos und erfolgreich an diese Tradition anknüpfen.

FAZIT

Die Compagnie gestaltet den Abschied vom langjährigen Ballett-Intendanten mit viel Lieber voller Nostalgie.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wolfram-Maria Märtig

Choreographie und Kostüme
Ben Van Cauwenbergh

Arrangements
Enrique Ugarte
Andres Reukauf
Heribert Feckler

Bühne nach
Dmitrij Simkin

Kostüme
Danielle Laurent

Dramaturgie
Savina Kationi

 

Essener Philharmoniker

Feniks Taiko

Gesang
Dominique Horwitz

Bass
Rolf Sander

Drums
Oliver Kerstan

Gitarre
Drazen Zalac

Gesang (Queen)
Sascha Krebs

Akkordeon
Jakob Neubauer

Klavier
Andres Reukauf

Compagnie des Aalto Ballett Essen


Tänzerinnen und Tänzer

La vie en rose

Isabell Bromm
Samantha Grammer
Maria Horianski
Yuki Kishimoto
Rosa Pierro
Yanelis Rodriguez
Julia Schalitz
Sena Shirae
Adrienn Tiszai
Mariya Tyurina
Anna Maria Papaiakovou
Marie Van Cauwenbergh
Benjamin Balazs
Davit Bassénz
Matheus Barboza de Jesus
William Emilio Castro Hechavarria
Joel Dichter
Davit Jeyranyan
Moisés León Noriega
Dale Rhodes
Harry Simmons
Artem Sorochan
Yegor Hordiyenko
Wataru Shimizu
Enrico Vanroose

Last Taiko

Isabell Bromm
Samantha Grammer
Maria Horianski
Yuki Kishimoto
Rosa Pierro
Julia Schalitz
Sena Shirae
Adrienn Tiszai
Anna Maria Papaiakovou
Marie Van Cauwenbergh
Benjamin Balazs
Davit Bassénz
Matheus Barboza de Jesus
William Emilio Castro Hechavarria
Joel Dichter
Davit Jeyranyan
Harry Simmons
Wataru Shimizu
Enrico Vanroose

Tanzhommage an Queen

Isabell Bromm
Kotono Choda
Samantha Grammer
Maria Horianski
Yuki Kishimoto
Rosa Pierro
Yanelis Rodriguez
Julia Schalitz
Sena Shirae
Adrienn Tiszai
Mariya Tyurina
Anna Maria Papaiakovou
Marie Van Cauwenbergh
Benjamin Balazs
Davit Bassénz
Matheus Barboza de Jesus
William Emilio Castro Hechavarria
Joel Dichter
Davit Jeyranyan
Moisés León Noriega
Dale Rhodes
Harry Simmons
Artem Sorochan
Yegor Hordiyenko
Wataru Shimizu
Enrico Vanroose




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