Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Nostalgischer Streifzug durch die Welt der Operette
Von Thomas Molke
/
Fotos: © Volker Wiciok
Operette erfreut sich beim Publikum im Allgemeinen sehr
großer Beliebtheit und wird vom Regietheater gleichermaßen gefürchtet, da hier
Inszenierungsexperimente noch weniger verziehen werden als im Bereich der Oper
oder sich bei den teilweise als "seicht" verschrienen Stoffen noch weniger
anbieten. Selbst wenn man der Gattung an sich wenig abgewinnen kann, ist man
häufig den eingängigen Melodien gegenüber nicht abgeneigt. Das mag neben der
Tatsache, dass in dieser Spielzeit mit dem Musical My Fair Lady die
"leichte" Muse schon bedient worden ist, ein weiterer Grund dafür sein,
dass man sich
am Aalto-Theater in Essen entschieden hat, im März eine Operettengala auf den
Spielplan zu stellen: Einmal möcht' ich was Närrisches tun! Selbst der
Titel klingt wie eine Entschuldigung und lockt erwartungsgemäß zahlreiche
Besucherinnen und Besucher ins Haus. So ist auch eine Veranstaltung mitten in der
Woche nahezu ausverkauft. Bettina Ranch führt als
Moderatorin durch den Abend. Der Titel ist weniger Programm des Abends als vielmehr ein
Duett aus der Operette Paganini von Franz Lehár. Das am 30. Oktober 1925
im Johann-Strauß-Theater in Wien mit großem Erfolg uraufgeführte Werk ist die
erste von mehreren opernhaften Operetten Lehárs, die alle ohne Happy End enden
und deren Hauptpartien auf den Tenor Richard Tauber zugeschnitten waren, auch
wenn Tauber die Titelpartie erst bei der deutschen Premiere in Berlin sang. In
dem Duett planen die Soubrette Bella Giretti, die Primadonna an der fürstlichen
Oper zu Lucca und gleichzeitig die Mätresse des Fürsten Bacciocchi ist, und der
Buffo Pimpinelli, der der Kammervorsteher der Fürstin Maria Anna Elisa ist, die
wiederum eine Affäre mit Paganini hat, mit den Konventionen des Hofs zu brechen. Bettina
Ranch schlüpft mit viel Esprit in die Rolle der Bella und verdreht dabei dem
Tenor George Vîrban als Pimpinelli sehr charmant den Kopf. Schließlich entscheidet
sie sich aber für den Dirigenten Tommaso Turchetta und verlockt ihn zu
einem Glas Champagner auf der rechten Seite der Bühne, während Vîrban kurzerhand
das Dirigat übernimmt. Nach diesem beschwingten Einstand schlägt Vîrban Ranch
vor, doch die folgende Operettengala zu moderieren, was Ranch mit viel Humor
übernimmt. Dabei stellt sie die einzelnen Nummern nicht nur vor, sondern baut sie
teilweise auch in kleine lustige Szenen ein. Operettenseligkeit mit Rinnat
Moriah und George Vîrban Natürlich darf bei einer solchen Operettengala der "Klassiker
aller Operetten" nicht fehlen: Johann Strauß' Fledermaus. Direkt nach
der Eingangsnummer folgt die berühmte Ouvertüre, zu der dann auch sechs
Tänzerinnen und Tänzer aus dem Aalto Ballett Essen auftreten und in zauberhaften
Kostümen großen Schwung verbreiten. Da die Essener Philharmoniker zentral auf
der Bühne vor einem wunderbaren großen Gemälde platziert sind und mit großem
Leuchter und roten Vorhängen auf der rechten und linken Bühnenseite einen
opulenten Anblick bieten, wie es sich für eine gute Operette gehört, tanzt das
Ensemble auf dem hochgefahrenen Orchestergraben. Da haben die Zuschauerinnen und
Zuschauer auf den Balkonen ein wenig das Nachsehen, weil sie sich schon sehr
nach vorne beugen müssen, um vom Tanz etwas zu sehen. Ganz verloren geht der
Blickkontakt dann beim Lied "Dunkelrote Rosen" aus Carl Millöckers Gasparone,
bei dem Baurzhan Anderzhanov mit roten Rosen durch das Parkett schlendert und
schließlich die letzte Blume Ranch auf der Bühne überreicht. Das Lied ist
eigentlich erst später in die Operette in einer Bearbeitung von Ernst Steffan
und Paul Knepler
aufgenommen worden und stammt ursprünglich aus Millöckers Vizeadmiral, bevor es
sich zu einer Glanznummer für den Grafen Erminio entwickelte, der in der
Operette eigentlich ein Tenor ist. Doch auch manch namhafter Bariton hat dieses
Lied in sein Repertoire aufgenommen. Anderzhanov überzeugt dabei mit
kraftvollem, dunklem Bassbariton. "Nimm, Zigeuner, deine Geige":
Lisa Wittig mit Aljoscha Lennert (rechts) und Baurzhan Anderzhanov (links) Ein bisschen mehr Handlung baut Ranch als Moderatorin dann um
Franz Lehárs lustige Witwe auf. Während sie von den Millionen berichtet,
auf die die Pontevedriner inständig hoffen, laufen Vîrban, Anderzhanov und der
Tenor Aljoscha Lennert ein wenig hektisch über die Bühne. Wieso dann allerdings
vor dem berühmten "Vilja-Lied" "Freunde, das Leben ist lebenswert" aus
Giuditta ertönt, erschließt sich nicht. Das Lied des Hauptmanns Octavio aus
Lehárs letzter Operette, die am 20. Januar 1934 in Wien uraufgeführt wurde, ist
im Gegensatz zum gesamten Werk heute noch genauso bekannt wie die berühmte
Nummer der Titelpartie "Meine Lippen, die küssen so heiß", die im zweiten Teil
des Abends erklingt, und die genau wie die Tenorarie ein Grund dafür ist, dass
Lehárs Operette von einigen eher als eine Oper betrachtet wird. Vîrban und Rinnat Moriah müssen dabei als Octavio und Giuditta kräftig gegen die
auftrumpfenden Essener Philharmoniker ansingen, meistern es allerdings auch ohne
Verstärkung nicht zuletzt deshalb, weil sie vor dem Orchester stehen. Moriah
glänzt als Giuditta außerdem durch verführerisches Spiel. Wenn dann schließlich
Lisa Wittig als Hanna Glawari mit leuchtendem Sopran zum "Vilja-Lied" einsetzt,
hat auch der Opernchor unter der Leitung von Patrick Jaskolka seinen ersten
Einsatz und punktet durch sauberen Klang. Von der Witwe geht es dann
schnell zur Csárdásfürstin über, bei der Wittig, Lennert und Anderzhanov
das Publikum beschwingt in die Pause entlassen. "Ach, ich hab' sie ja nur auf
die Schulter geküsst": Sebastian Pilgrim Nach der Pause setzt dann zusätzlich der Bass Sebastian
Pilgrim komische Akzente. Während das Publikum noch in Lennerts gefühlvoll
angesetzten Interpretation von "Grüß mir mein Wien" aus Kálmáns Gräfin Mariza
schwelgt und Ranch auflistet, welche Adelstitel in der Operette alles eine
wichtige Rolle spielen, tritt Pilgrim als Schweinezüchter Kálmán Zsupán auf und
zeigt als "einfacher Mann vom Lande", dass er in diese "feine Welt" der Operette
eigentlich gar nicht hineinpasst. Ranchs Angebot, sie bei der Moderation mit den
auf Karten vorgefertigten Texten zu unterstützen, kommentiert er dann sehr
humorvoll mit der berühmten Nummer "Ja, das Schreiben und das Lesen", wobei er
es sich auch nicht nehmen lässt, seine geliebten Tiere lautmalerisch zu
imitieren. Einen weiteren komödiantischen Auftritt hat er dann als Oberst
Ollendorf aus Millöckers Bettelstudent. Während Ranch genussvoll dem
Duett von Anderzhanov und Lennert aus Zellers Vogelhändler , "Als dir die
Welt voll Rosen hing", lauscht, plant er einfach mal, Ranch ganz frech auf die
Schulter zu küssen und echauffiert sich anschließend über ihre barsche Reaktion. Neben diesen komischen Elementen gibt es natürlich auch reichlich "Operettenseligkeit". Vîrban und Wittig setzen als Danilo und Hanna
Glawari aus Lehárs lustiger Witwe zu einem romantischen "Lippen
schweigen" an, auf das Ranch dann mit Strauß' Fledermaus antwortet:
"Genug damit, genug". Mit Champagner-Glas in der Hand leitet sie dann
das Ende
der Gala ein. Eigentlich hätte man fest damit gerechnet, dass es jetzt noch als
Zugabe das berühmte Finale "Im Feuerstrom der Reben" aus dem zweiten Akt
der Fledermaus geben
würde, aber darauf wartet man vergeblich. Stattdessen nehmen die Essener
Philharmoniker zum Schlussapplaus die Nummer vom Anfang wieder auf und schließen
so einen Bogen zu einem kurzweiligen, unterhaltsamen Abend, bei dem das operetten-affine Publikum voll auf seine Kosten kommt. FAZIT
Wer Operette und kurzweilige Unterhaltung liebt, hat in dieser Spielzeit noch
einmal am 28. Juni 2024 die Möglichkeit, diesen Abend live zu erleben. Man
sollte sich schnell um Karten bemühen.
Programm
Franz Lehár: Paganini: "Einmal möcht' ich was Närrisches tun"
(Bettina Ranch, George Vîrban)
Johann Strauß: Die Fledermaus: Ouvertüre (Aalto Ballett Essen)
Emmerich Kálman: Die Csárdásfürstin: "Ich warte auf das große
Wunder" (Aljoscha Lennert, Lisa Wittig)
Carl Millöcker: Gasparone: "Dunkelrote Rosen" (Baurzhan
Anderzhanov)
Franz Lehár: Giuditta: "Freunde, das Leben ist lebenswert" (George
Vîrban)
Emmerich Kálmán:
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Szenische Einrichtung Ausstattung Choreographie
Choreinstudierung
Dramaturgie
Opernchor des Aalto-Theaters
Moderation Solistinnen und Solisten*rezensierte Aufführung Gesang
Tanzensemble
|
© 2024 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de