Arrangierte Hochzeit im kugelförmigen Raum
Von Thomas Molke / Fotos: © Monika Rittershaus
Neben Mozarts Zauberflöte und den drei großen sogenannten Da-Ponte-Opern gibt es im Œuvre
des Salzburger Genies auch zahlreiche Musiktheaterwerke, die auf den Opernbühnen
ein absolutes Schattendasein führen. Dazu zählt unter anderem auch die Festa
teatrale Ascanio in Alba. Das Stück entstand als Auftragswerk der Kaiserin Maria Theresia.
Anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten ihres Sohnes
Ferdinand Karl mit Maria Beatrice d'Este, einer Tochter des Fürsten von Modena,
sollte der
gerade mal 15-jährige Mozart nach seinem fulminanten Erfolg mit der Oper
Mitridate, Re di Ponto, ein Werk komponieren, das zum einen einen musikalischen Höhepunkt der
Festivitäten in Mailand markierte und zum anderen thematisch als Herrscherlob
fungierte. Mozarts Librettist Giuseppe Parini bürstete dazu die antike
Mythologie ein wenig gegen den Strich und schuf einen allegorischen Text, in dem sich sowohl
die Kaiserin Maria Theresia in Gestalt der Göttin Venus, als auch ihr Sohn
Ferdinand Karl und seine Braut Maria Beatrice als das jugendliche Liebespaar Ascanio und Silvia wiedererkennen konnten. Die Uraufführung 1771 im Teatro Regio
Ducale in Mailand wurde ein großer Erfolg, übertraf die tags zuvor uraufgeführte
Opera seria Il Ruggiero von Johann Adolph Hasse und festigte Mozarts Ruf als
europäische Sensation. Die erhoffte Festanstellung am Hof des Erzherzogs
Ferdinand blieb jedoch aus. Im Bockenheimer Depot ist dieses
selten gespielte Werk nun als Frankfurter Erstaufführung zu erleben.
Venus (Kateryna Kasper) will, dass ihr Sohn
Ascanio (Cecelia Hall, rechts) eine neue Stadt baut.
Erzählt wird die Geschichte des Ascanio (Ascanius),
der gemäß der römischen Mythologie mit seinem Vater Aeneas aus dem zerstörten
Troja kam, um in Italien eine neue Heimat zu finden und eine neue Stadt zu
gründen. Dies war zunächst Alba Longa, bevor von seinen Nachfahren Romulus und
Remus der Grundstein für die Stadt Rom gelegt wurde. In der Oper ist die Göttin
Venus nicht Aeneas' sondern Ascanios Mutter und erteilt ihm den Auftrag, in der
Region Alba eine neue Stadt zu bauen. Dazu soll er sich mit Silvia vermählen,
die er noch nicht kennt und deren Tugend zunächst noch geprüft werden muss.
Venus hat dafür gesorgt, dass Amor ihr in Gestalt Ascanios in den letzten vier
Jahren im Traum erschienen ist und sie sich in dieses Traumbild verliebt hat.
Ascanio soll ihr nun begegnen, sich jedoch nicht als ihr zukünftiger Bräutigam
zu erkennen geben. Silvia erkennt in dem jungen Mann sofort ihr Traumbild und
ist voller Zuversicht, dass es sich bei dem jungen Mann um Ascanio handelt. Als
allerdings Zweifel daran aufkommen, sieht Silvia ihr Liebesglück schwinden.
Schweren Herzens weist sie den jungen Mann von sich, um sich dem Unbekannten zu
vermählen, den ihr die Göttin Venus zugedacht hat. Umso größer ist am Ende ihre
Freude, als sie erkennt, dass der Fremde tatsächlich Ascanio ist und einer
glücklichen Verbindung nichts mehr im Wege steht.
Silvia (Karolina Bengtsson,
Mitte vorne) träumt mit ihren Freundinnen (Statisterie) von dem geheimnisvollen
Fremden (Cecelia Hall, im Hintergrund rechts) (im blauen Anzug: Andrew Kim als
Aceste).
Auch wenn
arrangierte Ehen in adeligen Kreisen heute nicht mehr die Regel sind, sieht das
Regie-Team um Nina Brazier in Mozarts Huldigungs-Oper großes Potenzial, das
Stück in die Gegenwart zu übertragen. Christoph Fischer hat dafür einen
kugelförmigen gelben Raum geschaffen, aus dem es kein Entkommen gibt. Im oberen
Bereich der Kugel befindet sich ein Gang mit einem Geländer, von dem aus Venus
das Geschehen auf der Bühne beobachten bzw. überwachen kann. Die Göttin ist hier
eine eine einflussreiche Politikerin in blauem Kostüm, die die Fäden in der Hand
hat und genau weiß, wie sie ihre Macht erhalten kann. Das Modell der Stadt, das
auf die Bühne gefahren wird und wohl für die zu errichtende Stadt Alba steht,
erinnert in der Struktur an die Bankentürme in Frankfurt, was ebenfalls den
Machtgedanken unterstreicht. Auf einem beweglichen Bühnensteg werden einzelne
Requisiten auf die Bühne gefahren, die mal an einen Konferenzsaal erinnern, dann
ein Büro darstellen oder einen Rückzugsort für Silvia und ihre beiden
Freundinnen bieten, die wie drei modische It-Girls über die Bühne stolzieren.
Einer solchen Figur nimmt man die Standhaftigkeit und Tugend, die Silvia in der
Oper beweist, eigentlich nicht ab.
Venus (Kateryna Kasper, Mitte)
hat das Liebespaar Silvia (Karolina Bengtsson, links) und Ascanio (Cecelia Hall,
2. von rechts) vereint (ganz rechts: Anna Nekhames als Fauno, ganz links: Andrew
Kim als Aceste).
Musikalisch klingt
hier sehr viel vertraut, auch wenn man das Werk nicht kennt. Schon die
dreiteilige Ouvertüre, die vom Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der
Leitung von Alden Gatt mit viel Verve präsentiert wird, trägt in den schnellen
Läufen deutlich die Handschrift des Salzburger Genies. Interessant ist, dass der
dritte Teil von einem Chor begleitet wird. Leider muss die Produktion im
Bockenheimer Depot ohne Live-Chor auskommen. Der Grund dafür ist eigentlich
nicht klar, da man den Chor, wenn er nicht in das Bühnenbild gepasst hätte, doch
von der Seite hätte singen lassen können. So wird ein Vokalensemble eingespielt,
das vom Orchester begleitet wird, was klanglich zu kleinen Abstrichen führt. In
einigen Arien lassen sich bereits Ansätze erkennen, die Mozart später in Così
fan tutte oder Le nozze di Figaro vervollkommnet hat, und auch die
Läufe in den Koloraturen können es bereits mit Elettra in Idomeneo oder
der Königin der Nacht in der Zauberflöte aufnehmen. So verwundert es
vielleicht ein wenig, dass dieses Werk so selten auf den Spielplänen steht.
Vielleicht liegt es an der nicht mehr zeitgemäßen Handlung, die auch von der
Regie nicht überzeugend in die Gegenwart geholt werden kann.
Die Solistinnen und
Solisten geben allesamt in dieser Oper ihr Rollen-Debüt und überzeugen auf
ganzer Linie. Da ist zunächst Cecelia Hall, die mit samtweichem Mezzosopran in
der Titelpartie begeistert und über große Flexibilität in den Läufen verfügt.
Ihr dunkelblauer Anzug, den sie zu Beginn der Oper trägt, hat auf der Rückseite
schwarze Fäden, so als ob Ascanio nur als Marionette für Venus fungiert. Der
grelle pinke Anzug, in dem Hall als "Fremder" Silvia erscheint, beißt sich ein
bisschen mit dem gelben Hintergrund und lässt Ascanio zumindest freier und
kämpferischer, wenn auch nicht unbedingt maskuliner erscheinen. Erst wenn sie am
Ende in einer Art Generalsuniform auftritt, hat sich Ascanio wohl wirklich vom
Einfluss seiner Mutter befreit. Kateryna Kasper punktet als Göttin Venus mit
sattem Sopran und strahlenden Koloraturen. Darstellerisch macht sie deutlich,
dass sie hier alles bestimmt. So steckt sie am Ende dem Priester Aceste auch
eine Belohnung für die arrangierte Hochzeit zu. Karolina Bengtsson verfügt als
Silvia über einen mädchenhaften, frischen Sopran, der die ganze Klaviatur von
himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt beherrscht und dabei mit flexibler
Stimmführung begeistert. Aufhorchen lässt Anna Nekhames in der kleinen Partie
des Fauno, die mit exorbitanten Koloraturen und schnellen Läufen das Publikum
begeistert. Andrew Kim rundet das Ensemble als Priester Aceste mit hellem,
kräftigem Tenor überzeugend ab. Alden Gatt führt das Frankfurter Opern- und
Museumsorchester nicht nur mit sicherer Hand durch die Partitur, sondern
begleitet teilweise auch die Secco-Rezitative am Cembalo. So gibt es am Ende
verdienten Applaus für alle Beteiligten.FAZIT
Musikalisch hat Mozarts Frühwerk einiges zu bieten. Vielleicht kann man die
Schönheiten des Werkes aber doch besser in einer konzertanten Aufführung
würdigen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
*Alden Gatt /
Lukas Rommelspacher Inszenierung
Nina Brazier Bühnenbild
Christoph Fischer Kostüme
Henriette Hübschmann
Licht
Jonathan Pickers Dramaturgie
Deborah Einspieler Frankfurter Opern- und
Museumsorchester Statisterie der Oper Frankfurt
Solistinnen und Solisten
Venus
Kateryna Kasper
Ascanio
Cecelia Hall
Silvia
Karolina Bengtsson
Aceste
Andrew Kim
Fauno
Anna Nekhames
Sekretärin
Aijan Ryskulova
Bodyguard
Stefan Biaesch
Freundinnen von Silvia
Valentina Ziegler
Isabel Casás Rama
Vokalensemble (Aufnahme)
Maria Zibert
Dina Levit
Julie Grutzka
Guénaelle Mörth
Chiara Bäuml
Clara Kreuzkamp
Kiduck Kwon
Itsvan Balota
Tianji Lin
Alexander Winn
Christos Pelekanos
Seongbeom Gu
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Oper Frankfurt
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