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Musiktheater
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Hello, Dolly!

Musikalische Komödie in zwei Akten
Buch von Michael Stewart nach The Matchmaker von Thornton Wilder
Deutsch von Robert Gilbert
Musik und Gesangstexte von Jerry Herman

in deutscher Sprache, Gesangstexte in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 13. Januar 2024
(rezensierte Aufführung: 20.01.2024)

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Musiktheater im Revier
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Musical-Klassiker in fantasievollem Ambiente

Von Thomas Molke / Fotos:© Pedro Malinowski

Nachdem das Musiktheater im Revier die Spielzeit mit dem eher unbekannten Off-Broadway-Musical tick, tick, BOOM...! von Jonathan Larson im Kleinen Haus eröffnet hat, folgt im Großen Haus nun ein regelrechtes "Schwergewicht" des Genres: Hello, Dolly! von Jerry Herman. Nicht nur der Titelsong von Hermans zweiter Broadway Show entwickelte sich zu einer der erfolgreichsten Broadway-Melodien aller Zeiten, die sogar für die Präsidentschafts-Wahlkampfhymne 1964 in den USA auf Lyndon B. Johnson in "Hello, Lyndon" umgedichtet wurde. Auch die 10 begehrten Tony Awards, mit denen das Musical ausgezeichnet wurde, machten das Stück lange Zeit zu einem Rekordhalter der Gattung. Für zahlreiche Show-Größen war es etwas Besonderes, die Titelpartie der Dolly zu übernehmen. In Deutschland dürfte man da beispielsweise an Barbra Streisand denken, die die Rolle neben Walter Matthau als Horace Vandergelder in der berühmten Verfilmung von 1969 spielte. Auch Bette Midler ließ es sich nicht nehmen, die Partie bei einer Neueinstudierung am Broadway 2017 zu verkörpern. In Gelsenkirchen hat man ebenfalls seit vielen Jahren eine charismatische Sängerin im Ensemble, die für diese Rolle prädestiniert erscheint: Anke Sieloff. Bereits in der Vergangenheit hat sie besonders in Musical-Produktionen beweisen können, dass sie neben Schauspiel und Gesang auch den Tanz beherrscht.

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Horace (Dirk Weiler, Mitte) beauftragt seine Angestellten Cornelius (Sebastian Schiller, rechts) und Barnaby (Nicolai Schwab, links), auf seinen Laden zu achten, während er in New York ist.

Die Geschichte basiert auf Thornton Wilders Komödie The Matchmaker aus dem Jahr 1954. Dabei handelte es sich um den zweiten Versuch Wilders, auf Grundlage von Johann Nestroys 1842 erschienener Verwechslungskomödie Einen Jux will er sich machen, die sich ihrerseits an John Oxenfords Posse A Day Well Spent aus dem Jahr 1835 anlehnt, ein erfolgreiches Stück zu schreiben. Der Erfolg stellte sich schließlich bei The Matchmaker mit der neu hinzugefügten Figur der Dolly Levi ein, die zur zentralen Gestalt des Stückes avancierte. Als Heiratsvermittlerin ist sie die Strippenzieherin und sorgt dafür, dass Horace Vandergelders Nichte Ermengarde den von Horace abgelehnten Verehrer Ambrose Kemper bekommt. Außerdem bewahrt sie Horaces Angestellten Cornelius Hackl vor der Entlassung und veranlasst Horace sogar dazu, ihn zum Kompagnon zu machen, obwohl Cornelius ihm Irene Molloy, eine Hutmacherin, als potenzielle Heiratskandidatin ausgespannt hat.  Am Ende angelt sich Dolly sogar selbst den verwitweten, vermögenden Horace, der eigentlich nur eine geeignete Ehefrau sucht, die ihm eine kostenpflichtige Haushälterin ersetzt. Dass Dolly am Ende diesem Wunsch von Horace nachkommen wird, darf bezweifelt werden.

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Dolly (Anke Sieloff, Mitte) überredet Cornelius (Sebastian Schiller, rechts) und Barnaby (Nicolai Schwab, 2. von rechts), Irene (Julia Heiser, links) und Minnie (Sonja Hebestadt, 2. von links) ins Harmonia Garden Restaurant einzuladen.

Das Regie-Team um Carsten Kirchmeier vertraut voll und ganz dem zauberhaften Charme der Vorlage und versucht nicht, die Geschichte zu verfremden oder in eine andere Zeit zu verlegen. In der deutschen Übersetzung werden nur die gesprochenen Dialoge gespielt, während die Lieder im englischen Original gesungen werden. Das klingt im ersten Moment etwas ungewohnt, da man hier eigentlich ebenfalls die deutschen Texte gewohnt ist. Durch die Übertitel und die deutliche Diktion stellt das aber kein Problem dar. Beata Kornatowska hat zauberhafte Kostüme entworfen, die einem opulenten Revue-Musical in jeder Hinsicht gerecht werden. Gebrochen wird dieser "Realismus" dann durch das fantasievolle Bühnenbild von Jürgen Kirner. So besteht Horace Vandergelders Heu- und Futtermittelladen aus einer überdimensionalen Registrierkasse, die die ganze Bühne beherrscht. Für den Hutladen von Irene Molloy werden riesige runde und eckige Hutschachteln aufgestellt, in denen sich Barnaby und Cornelius vor ihrem eintreffenden Chef verstecken können. Das Harmonia Garden Restaurant im zweiten Akt, in dem alle zusammenkommen, ist dann ein riesiger Teller mit einer kunstvoll gefalteten großen Serviette. Das Personal trägt dann noch ein passendes Messer und eine Gabel herein. Dolly schwebt zum berühmten Song "Hello, Dolly" auf einem Löffel in den Raum.

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Dolly (Anke Sieloff, Mitte mit dem Ensemble) wird im Harmonia Garden Restaurant begrüßt.

Die Umbauten erfolgen hinter zwei weißen, halbrunden Elementen, die in ihrer Struktur an einen überdimensionalen Bastkorb erinnern. Da diese Element nicht an allen Stellen gleich hoch sind, bieten sie auch die Möglichkeit, den Richter im zweiten Akt zwischen diesen Elementen wie auf einem Podest zu präsentieren. Zwei kleinere halbrunde Elemente an den Seiten bilden im Restaurant im zweiten Akt die Separées, in denen Cornelius, Barnaby, Irene und Minnie auf der einen Seite und Horace mit der aufdringlichen Ernestine Money auf der anderen Seite dinieren. Dies alles wird von einem absolut spielfreudigen Ensemble mit großem Tempo und Präzision bespielt, so dass keinen Moment Langeweile aufkommt und immer etwas auf der Bühne passiert. Die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen verkürzen auch wunderbar choreographierte Tanzeinlagen von Paul Kribbe, der das sechsköpfige Ensemble dabei bezaubernd in Szene setzt. Auch Anke Sieloff schwingt in der Titelpartie gewohnt souverän mit den Tänzerinnen und Tänzern das Tanzbein und ist perfekt in die Choreographien einbezogen. Dabei begeistert sie auch mit Mimik und Gestik in der jeweiligen Tanzszene. Zusätzlich punktet sie in den Dialogen mit einer enormen Komik, wenn sie sich stets mit neuen Visitenkarten zur Lösung aktueller Probleme anbietet. Den glanzvollsten Auftritt hat sie natürlich, wenn sie zum Titelsong auf dem riesigen Löffel auf die Bühne schwebt. Doch Sieloff findet auch sehr bewegende Momente. Wenn sie allein auf der Bühne ihren verstorbenen Gatten anspricht und ihn um ein Zeichen bittet, dass er ihren Plänen für eine Hochzeit mit Horace Vandergelder zustimmt, geht ihre Interpretation unter die Haut. Hier wirkt die sonst so selbstbewusste Dolly auf einmal sehr zerbrechlich und müde. Diese Schwäche weiß sie aber ebenso gut zu verbergen und redet alle anderen, vor allem Horace, regelrecht an die Wand.

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Dolly (Anke Sieloff) umgarnt Horace (Dirk Weiler).

Dass der Abend dennoch keine "One-Woman-Show" bleibt, ist dem übrigen hochkarätigen Ensemble zu verdanken. Dirk Weiler gibt den Horace Vandergelder herrlich verschroben. Ein Höhepunkt ist sein erster Song "It Takes a Woman", den er mit dem Herrenchor anstimmt, der dazu aus allen Teilen der riesigen Registrierkasse auftritt. Hier versprüht er herrlich ironische Komik, so dass man sich freut, wenn ihm später sein patriarchalisches Gehabe ausgetrieben wird und er nach vielen Wirren Dolly schließlich um ihre Hand bittet. Sebastian Schiller begeistert als Horaces Angestellter Cornelius Hackl, der sehr unter seinem autoritären Vorgesetzten zu leiden hat, aber dennoch dagegen aufbegehrt und in Irene Molloy die Liebe seines Lebens findet. So bewegt er mit einem gefühlvoll angesetzten "It Only Takes a Moment". Nicolai Schwab versprüht als leicht naiver Gehilfe Barnaby Tucker jugendlichen Charme und bildet mit Schiller ein wunderbar jungenhaft freches Pärchen. Julia Heiser zeichnet die Hutmacherin Irene Molloy als selbstbewusste Frau. Wahrscheinlich trägt sie deshalb als einzige weibliche Figur Hosen. Die Begeisterung für Cornelius spielt sie glaubhaft aus, so dass es darstellerisch und musikalisch zu innigen Momenten zwischen Heiser und Schiller kommt. Sonja Hebestadt gibt ihre Angestellte Minnie herrlich naiv, so dass sie wunderbar zu Barnaby passt. Alina J. Simon und Jonathan Guth runden als Ermengarde und Ambrose das Solisten-Ensemble überzeugend ab und finden sich ebenfalls gut in die Tanzchoreographien ein.

Der von Alexander Eberle einstudierte Opernchor zeigt in solistischen kleinen Rollen als aufdringliche Ernestina Money (Alfia Kamalova), Chefkellner Rudolph (Charles E. J. Moulton) und leicht genervter Richter (Oliver Aigner) und im Ensemble als Bedienstete im Restaurant oder Volk auf der Straße große Spielfreude und begeistert stimmlich durch homogenen Klang. Peter Kattermann führt die Neue Philharmonie Westfalen leichtfüßig und beschwingt durch den schmissigen Sound, so dass es am Ende große Begeisterung für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Es ist schön, dass dieser Musical-Klassiker endlich einmal wieder auf dem Spielplan steht und dann auch noch in einer so herrlichen unverstaubten und verspielten Inszenierung zu erleben ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Peter Kattermann /
Mateo Peñaloza Cecconi

Inszenierung
Carsten Kirchmeier

Choreographie
Paul Kribbe

Bühne
Jürgen Kirner

Kostüme
Beata Kornatowska

Licht
Thomas Ratzinger

Ton
Jan Wittkowski

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Anna-Maria Polke

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opernchor des MiR

 

Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Dolly Gallagher Levi
Anke Sieloff

Horace Vandergelder
Dirk Weiler

Cornelius Hackl
Sebastian Schiller

Barnaby Tucker
Nicolai Schwab

Irene Molloy
Julia Heiser

Minnie Fay
Sonja Hebestadt

Ermengarde
Alina J. Simon

Ambrose Kemper
Jonathan Guth

Ernestina Money
Alfia Kamalova

Rudolph, Chefkellner
Charles E. J. Moulton

Richter
Oliver Aigner

Ensemble
*Faye Anderson
*Mika Einmal
*Eileen Michelle Landsman
*Julie Martin
Wiktor Milczarek
*Liam Tiesteel
*Mykhaylo Tovt



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