Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Schleiertanz
als schmutzige Männerfantasie Von Thomas Molke / Fotos:© Pedro MalinowskiRichard Strauss' dritte Oper Salome markiert gleichzeitig seinen Durchbruch als Opernkomponist. Die Vertonung des bereits als Provokation wahrgenommenen gleichnamigen Dramas von Oscar Wilde in einer Orchesterbesetzung von bis dahin unbekannter Größe, die in ihrer musikalischen Struktur bereits weit in die Zukunft wies, löste bei der Uraufführung am 9. Dezember 1905 in Dresden einerseits einen Skandal aus und entwickelte sich andererseits zu einem Welterfolg, den zahlreiche Theater je nach Einfluss der Zensur früher oder später ebenfalls auf die Bühne brachten. Von historischer Bedeutung dürfte die österreichische Erstaufführung der Oper in Graz am 16. Mai 1906 gewesen sein, der keine Geringeren als Giacomo Puccini, Gustav und Alma Mahler, Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky und Alban Berg beiwohnten. In Gelsenkirchen stand das Werk zuletzt am Ende der Spielzeit 2011/2012 auf dem Programm, damals in einer konzertanten Aufführung mit Majken Bjerno in der Titelpartie (siehe auch unsere Rezension). Nun hat sich Manuel Schmitt, der in Gelsenkirchen in den vergangenen Spielzeiten unter anderem Die Perlenfischer und Rossinis Otello inszeniert hat, mit diesem Stoff auseinandergesetzt und mit seinem Team Julius Theodor Semmelmann (Bühne), Carola Volles (Kostüme) und Tenald Zace (Choreographie) einen spannenden Zugang gefunden. Herodes (Martin Homrich) bittet Salome (Susanne Serfling), für ihn zu tanzen. Die Bühne von Semmelmann ist so düster gehalten wie das ganze Stück. Semmelmann hat einen fast schwarzen Raum geschaffen, der auf der linken Seite im Hintergrund von einer riesigen fahlen Mondscheibe dominiert wird. Daneben führt im Hintergrund eine Treppe zu einem Gang, der auf der rechten Seite in eine Halle führt, die die Möglichkeit zur Beobachtung des Geschehens bietet. Vor diesem erhöhten Gang stehen zwei Klaviere. Im Raum verteilt sieht man mehrere schwarze Kugeln in unterschiedlicher Größe, die ebenfalls für den Mond stehen könnten, der gewissermaßen das Geschehen umkreist. In der Mitte der Bühne befindet sich ein Podest, das als Bühne auf der Bühne dient. Hier tanzt Salome unter den Blicken des lüsternen Herodes, der dabei auf einem niedrigen schwarzen Thron sitzt. Unter diesem Podest befindet sich die Zelle, in der Jochanaan eingesperrt ist. Wenn Salome den in sie verliebten Hauptmann Narraboth überredet, den Propheten aus dem Gefängnis zu lassen, öffnet sich das Podest, und ein Käfig wird in gleißendem Licht aus dem Bühnenboden hochgefahren. Salome (Susanne Serfling) ist von Jochanaan (Benedict Nelson) fasziniert. Dieses Licht, das Jochanaan mit seinem Auftritt verstrahlt, stellt einen Kontrast zu der ansonsten völlig dunkel gehaltenen Bühne dar. Von einem Hoffnungsschimmer ist man dabei jedoch weit entfernt. Der Prophet wirkt in seinem Kostüm von Carola Volles wie eine missgestaltete Figur aus einem Horrorfilm. Dass Salome von ihm fasziniert ist und ihn unbedingt küssen und berühren möchte, wirkt schon sehr morbide. Jochanaan sitzt zunächst in dem Käfig auf einer Fülle von Gewändern, die, sich ebenfalls bewegen und ein Eigenleben führen, nachdem er die Zelle verlassen hat, was den unheimlichen Charakter unterstreicht. Nach dem Gespräch mit Salome kehrt Jochanaan nicht in seine Zelle zurück, sondern entwischt durch eine Tür auf der linken Bühnenseite. Seine apokalyptischen Warnungen kommen dann im Folgenden aus dem Off. Während die Kostüme der übrigen Figuren allesamt in Schwarz gehalten sind, vollzieht Salome eine Wandlung. Zu Beginn sieht man sie in einem schwarzen Gewand, von dem sich nur ihr hell glänzendes Haar abhebt. Im weiteren Verlauf legt sie das schwarze Gewand jedoch ab. Darunter trägt sie ein helles Kleid mit zahlreichen Stoffteilen, die wohl für die Schleier beim folgenden Tanz stehen. Schleiertanz: Salome (Susanne Serfling mit dem Ensemble), links: Herodes (Martin Homrich) Für den berühmten Schleiertanz setzt Schmitt mit dem Choreographen Tenald Zace nicht auf pure Erotik und Verführungskunst, sondern entlarvt den Tanz als eine schmutzige Männerfantasie. So wird Salome dabei mit einem schwarzen Tuch über dem Gesicht sehr schnell zum Objekt der sie umgebenden Männer. Neben den fünf Juden, zwei Nazarenern, zwei Soldaten, dem Kappadozier und dem Sklaven werden noch vier Statisten eingeführt, die während des Tanzes eine patriarchalische Männergesellschaft verkörpern, die absolut bedrohlich und abstoßend wirkt. Herodes bleibt als Betrachter passiv und entblößt nur einen widerlichen Schmerbauch. Die übrigen Männer führen Salome beim Tanz mehr oder weniger brutal von einem zum anderen oder heben sie hoch. Die sieben Schleier fallen hier nicht, sondern werden Salome von den Männern wie Trophäen vom Kleid gerissen. Nachdem sie am Ende des Tanzes "mit ihr fertig sind", beschmieren sie sie mit Farbe. Das begehrenswerte Objekt hat nun seinen Reiz verloren. Dass Salome sich dabei auch noch unheimlich benimmt, verunsichert die Männer noch mehr, so dass die einzige Lösung zu sein scheint, sie zu töten. Die riesige Mondscheibe im Hintergrund der Bühne fällt und ein unheimlicher Nebel wabert aus dem entstandenen Loch auf die Bühne. Salome geht einem gleißenden Lichtstrahl entgegen, der aus diesem Loch heraus scheint und in der Intensität an das Licht des Propheten erinnert, das ihn in der Gefängniszelle umgeben hat. Dann fällt ein Schuss. Salome sinkt zu Boden, und das Licht verlischt. Herodes (Martin Homrich) fleht Salome (Susanne Serfling, vorne) an, etwas anderes als den Kopf des Jochanaan zu fordern. Herodias (Almuth Herbst, im Hintergrund links) triumphiert. Musikalisch steht der Abend der szenischen Umsetzung in nichts nach. Susanne Serfling gestaltet die Titelpartie mit variablem dramatischen Sopran, der in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Den Kopf des Propheten fordert sie mit beinahe entrücktem Sprechgesang. Wenn sie anschließend den Kopf in den Händen hält, bricht sie in bewusst schrille Spitzentöne aus, die Salomes Wahn betonen und nachvollziehbar machen, dass Herodes Angst vor ihr bekommt. Martin Homrich stattet den Tetrarchen Herodes mit kraftvollem Tenor aus und macht szenisch überzeugend deutlich, wie er den Reizen seiner Stieftochter erliegt. Eindringlich gestaltet er den Versuch, Salome von ihrem Verlangen nach dem Kopf Jochanaans abzubringen. Almuth Herbst, die bei der konzertanten Aufführung 2012 als Page zu erleben war, begeistert nun in der Partie der Herodias mit sattem Mezzosopran und scharf angesetzten Spitzentönen, die deutlich machen, dass die Liebe zwischen ihr und ihrem Gatten Herodes längst erloschen ist. Regungslos lässt sie ihre Tochter ins Verderben gehen. Von Mutterliebe ist hier nichts zu spüren. Salome dient ihr nur als Mittel zum Zweck, um sich des Propheten zu entledigen. Benedict Nelson gestaltet die Partie mit markantem Bariton und intensivem Spiel. In den kleineren Partien überzeugen Khanyiso Gwenxane als Hauptmann Narraboth und Lina Hoffmann als Page der Herodias. Mit weichem und sehr textverständlichem Tenor besingt Gwenxane Narraboths fatale Liebe zu Salome und bewältigt die Höhen dabei spielerisch. Eindringlich und ebenfalls sehr textverständlich versucht Hoffmann, ihn mit wohl timbriertem Mezzosopran vor der Gefahr zu warnen, die von Salome ausgeht. GMD Rasmus Baumann arbeitet mit der Neuen Philharmonie Westfalen den fiebrigen Klang der Musik, der das Publikum in einen regelrechten Rausch versetzt, intensiv heraus und gönnt beim Zuhören keine Pause zum Durchatmen, so dass man nach den knapp 105 Minuten regelrecht erschöpft ist. Zu Recht werden alle Beteiligten mit großem Beifall bedacht. FAZIT Das Regie-Team um Manuel Schmitt fängt die düstere Atmosphäre, die das Stück umgibt, mit intensiven Bildern ein und bietet einen in jeder Beziehung spannenden Opernabend.
|
ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Choreographie Licht Dramaturgie
Neue Philharmonie Westfalen Statisterie des MiR
Solistinnen und Solisten*Premierenbesetzung
Herodes
Herodias
Salome
Jochanaan
Narraboth
Ein Page der Herodias
Erster Jude
Zweiter Jude
Dritter Jude
Vierter Jude
Fünfter Jude
Erster Nazarener
Zweiter Nazarener
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Ein Kappadozier
Ein Sklave
|
© 2023 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de