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Das Problem mit der
30 Von Thomas Molke / Fotos:© Pedro MalinowskiJonathan Larson ist heute noch vor allem durch sein Musical Rent bekannt, mit dem seine relativ kurze Karriere auch schon wieder endete, weil er am Tag der Uraufführung starb. Ein paar Jahre zuvor verarbeitete er seine Versuche, Karriere als Komponist zu machen, in einem solistischen Rock-Monolog, den er tick,tick... BOOM! nannte. Das "Tick" bezieht sich dabei auf das Ticken der Zeit im Kopf eines 29-Jährigen, für den der 30. Geburtstag einer Katastrophe gleichkommt, die gewissermaßen im "BOOM" explodiert. Nach Larsons Tod 1996 verwandelten David Auburn und Stephen Oremus diese teils autobiographischen Selbstgespräche zu einem Bühnenstück für drei Darsteller*innen, das mit einer klassischen Rockband am 23. Mai 2001 off Broadway im Jane Street Theatre uraufgeführt wurde. 2021 erreichte es durch die Netflix-Verfilmung mit Andrew Garfield in der Partie des Jon auch international größere Bekanntheit. Das Musiktheater im Revier eröffnet nun im Kleinen Haus die Spielzeit mit diesem Werk in einer neuen deutschen Fassung von Timothy Roller.
Jon (Luc Steegers) hat Panik vor dem 30. Geburtstag. Das Stück spielt 1990 im New Yorker Stadtteil Soho. Hier hofft der als "vielversprechend" bezeichnete junge Komponist Jon, endlich einen Kompositionsauftrag für ein Musical am Broadway zu bekommen. Bis jetzt führt er ein brotloses Künstlerdasein, was ihn mit dem Nahen seines 30. Geburtstags immer mehr belastet. Seine Freundin Susan, die als Tänzerin Kindern reicher Eltern Ballettunterricht gibt, träumt von einem Familienleben am Meer, was für Jon allerdings nicht in Frage kommt, da er glaubt, seine Karriere nur in Broadwaynähe machen zu können. Sein Mitbewohner und bester Freund Michael hat vom Schauspielerjob ins Marketing-Business gewechselt und macht gerade Karriere in einer großen Firma, in der er auch Jon unterzubringen versucht, was jedoch kläglich scheitert. Stattdessen setzt Jon all seine Hoffnungen auf einen Workshop, den seine Agentin Rosa Stevens organisiert hat. Mit dem darin vorgestellten Werk Superbia will er das Musical der 1990er Jahre genauso revolutionieren, wie es Hair in den 1960er Jahren gelungen ist. Doch auch wenn alle ihm zum gelungenen Workshop gratulieren, bleibt der Erfolg zunächst aus. Die Beziehung zwischen Jon und Susan zerbricht. Michael teilt Jon mit, dass er sich mit HIV infiziert habe. An seinem 30. Geburtstag erhält Jon jeodch einen Anruf von seinem Idol Stephen Sondheim, der sich entschuldigt, den Workshop vorzeitig verlassen zu haben, von Jons Talent aber so beeindruckt sei, dass er ihn gerne kennenlernen möchte. Jon schöpft durch dieses Gespräch Mut, dass sein Leben nach dem 30. Geburtstag noch eine positive Wendung nehmen kann. Susan (Inga Krischke) und Jon (Luc Steegers) haben unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft. Das Regie-Team um Carsten Kirchmeier setzt die teils mit einem ironischen Augenzwinkern erzählten Probleme der drei zentralen Figuren temporeich in einem relativ abstrakt gehaltenen Bühnenbild um. Auf der rechten und linken Bühnenseite deuten hohe leicht angeschrägte Wände im Comic-Stil die Weite der Großstadt an. Christiane Rolland hat die Bühne davor in drei Bereiche geteilt. Das Podest auf der linken Seite wird hauptsächlich für die Szenen genutzt, die auf dem Dach von Jons Apartment spielen. Im mittleren Bereich führt eine Treppe hinauf zu einem Keyboard, an dem Jon komponiert und am Ende nach Sondheims Anruf auch optimistisch den Song "Happy Birthday" spielt. Auf der rechten Seite deutet ein weiteres hohes Podest Michaels beruflichen Aufstieg an und bietet darunter einen Durchgang zu Michaels Zimmer in der gemeinsamen Wohnung. Die Treppe, die von diesem Podest herabführt, wird beim Workshop als Showtreppe für die Sängerin Karessa Johnson genutzt. Als weitere Requisiten fungieren zahlreiche Umzugskartons, um anzudeuten, das die drei Hauptfiguren alle auf dem Weg in ein neues Leben sind. Michael (Sebastian Schiller, rechts) macht Jon (Luc Steegers) Vorwürfe. In diesem Ambiente bewegen sich die drei Darsteller*innen in einer ausgeklügelten Personenregie durch die Handlung und schlüpfen mit Ausnahme von Jon mit ausdrucksstarken Kostümen von Hedi Mohr in zahlreiche andere Rollen. So verwandelt sich Inga Krischke beispielsweise mit einem opulenten schwarz-weißen Pelzmantel und einem ausladenden Hut von Jons Freundin Susan in seine oberflächliche Agentin Rosa Stevens, die seine Anrufe lange Zeit ignoriert, und karikiert in einem eng anliegenden gelben Tweed-Kostüm die Marktforscherin, die in der Teamsitzung einen Namen für einen neuen Fettersatzstoff sucht und Jons direkte Vorschläge immer wieder ausbremst. Als Karessa Johnson trägt sie unter dem langen Mantel bei der Workshop-Produktion Susans grünes Kleid, was wohl eine gewisse Nähe zu Susan andeuten und damit auch Jons Gefühle für sie erklären soll. Auch Sebastian Schiller verwandelt sich vom biederen Outfit Michaels, das seinen Wechsel in ein bürgerliches Leben ausdrückt, in zahlreiche andere Charaktere, die in hipper Kleidung ganz andere Trends setzen. Neue Hoffnung am 30. Geburtstag: von links: Susan (Inga Krischke), Jon (Luc Steegers) und Michael (Sebastian Schiller) Für die drei Darsteller*innen sind die knapp 100 pausenlosen Minuten ein enormer Parforce-Ritt, den sie hervorragend meistern. Da ist zunächst Luc Steegers als Jon zu nennen, der quasi die ganze Zeit auf der Bühne steht und eindrucksvoll seine Geschichte erzählt. Zu Beginn mag man als Mensch, der die 30 bereits einige Jahre hinter sich gelassen hat, über die Probleme des jungen Mannes schmunzeln, der einerseits nicht erwachsen werden möchte, andererseits aber ein existenzielles Problem darin sieht, da der berufliche Erfolg sich einfach nicht einstellen will. Steegers lotet diese unterschiedlichen Facetten wunderbar aus und punktet mit kraftvollem Gesang. Inga Krischke zeigt als Susan große Wandlungsfähigkeit. Glaubhaft zeichnet sie die Entwicklung der jungen Frau, die immer mehr erkennen muss, dass ihre Träume nicht mit denen ihres Freundes in Einklang zu bringen sind, was schließlich zum Bruch zwischen den beiden führt. Die Agentin Rosa Stevens und die Marktforscherin gibt sie herrlich übertrieben, während sie als Karessa eine gewisse Nähe zu Susan zeigt, was damit auch Jons Gefühle für sie erklärt. Sebastian Schiller legt Jons besten Freund Michael recht introvertiert an. So trägt er die Gewissheit seiner Infizierung von Anfang an mit sich herum, versucht die Tatsache jedoch zunächst zu verdrängen, bevor er es im Streit mit Jon offenbart. In den anderen kleinen Rollen legt er mit großer Komik diese Melancholie ab und zeichnet die Figuren herrlich überzogen. Die Musik bewegt sich zwischen rockigen Rhythmen, mit denen Larson in den 1990er Jahren versuchte, das Musical wieder zeitgenössisch für eine "junge MTV-Generation" zu machen, und balladenhaften sanften Melodien, in denen auch Larsons Verehrung für den Musical-Komponisten Stephen Sondheim zum Ausdruck kommt. So gibt es beispielsweise in dem Ensemble-Titel "Sonntag" eine Hommage an Sondheims Sunday in the Park with George. Das alles wird von der vierköpfigen Band unter der Leitung von Wolfgang Wilger am Keyboard eindrucksvoll umgesetzt, so dass es nach jedem Song Zwischenapplaus gibt und das Publikum am Ende alle Beteiligten mit stehenden Ovationen feiert. FAZIT Das Musiktheater im Revier macht mit dieser Produktion einmal mehr deutlich, dass es auch abseits der großen Musical-Shows im Bereich dieses Genres Spannendes zu entdecken gibt.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Licht Ton Dramaturgie
Keyboard Gitarre Bass Schlagzeug
Solistinnen und Solisten
Jon
Susan / Karessa Johnson / Rosa Stevens /
Michael / Kassierer / Kellner / Marktforscher /
Stimme von Stephen Sondheim
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