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Klassiker in zeitlosem Gewand Von Thomas Molke / Fotos: © Volker Beushausen und Matthias Jung
Franz Lehárs lustige Witwe gilt heute als die bekannteste und erfolgreichste Operette des österreichischen Komponisten ungarischer Herkunft und läutete ein neues Zeitalter einer Gattung ein, der seit dem Tod von Johann Strauss (Sohn) und Franz von Suppé eigentlich schon ein allmähliches Ende prophezeit worden war. Als Lehár seine Komposition den beiden Direktoren des Theater an der Wien in seinem Wohnzimmer vorstellte, war man zunächst nicht davon überzeugt, dass dieses Stück dem Genre neuen Glanz verleihen könne. So musste die Uraufführung am 30. Dezember 1905 auch zunächst mit einem äußerst begrenzten Ausstattungsbudget auskommen. Publikum und Presse zeigten sich jedoch begeistert, und im April des folgenden Jahres konnte bereits die 100. Vorstellung vor ausverkauftem Haus gefeiert werden. Bald wurde das Stück in unterschiedlichen Sprachen auf der ganzen Welt gespielt. Zur 300. Jubiläums-Vorstellung in Wien gewährte man dem Werk auch endlich die Opulenz, die man heute mit den zahlreichen eingängigen Melodien verbindet. Dabei hätte es das berühmte Duett "Lippen schweigen" beinahe gar nicht gegeben. Lehár hatte die Melodie eigentlich nur als Walzer-Intermezzo vorgesehen, sich dann jedoch überzeugen lassen, sie zum Hauptthema für Hanna und Danilo auszubauen. Im Theater Hagen gibt es nun eine Woche später als ursprünglich geplant eine Neuauflage dieses unverwüstlichen Operetten-Klassikers. Baron Mirko Zeta (Richard van Gemert, rechts) will, dass Danilo (Kenneth Mattice, links) zur Rettung der pontevedrinischen Staatsfinanzen die Witwe Hanna Glawari heiratet. (© Matthias Jung) Vorlage für das Libretto von Victor Léon und Leo Stein ist das Vaudeville-Stück L'attaché ambassade (Der Gesandtschafts-Attaché) von Henri Meilhac aus dem Jahr 1861. Aus dem deutschen Kleinstaat Birkenfeld wurde in der Oper der fiktive Balkanstaat Pontevedro, dessen Bankrott die reiche Witwe Hanna Glawari mit der Heirat des pontevedrinischen Grafen Danilo Danilowitsch verhindern soll. Die Geschichte um klamme Finanzen besitzt zu jeder Zeit eine gewisse Aktualität und verleitet häufig zu mehr oder weniger gelungenen Modernisierungen. Das Regie-Team um Annette Wolf vertraut hingegen auf die Zeitlosigkeit der Handlung und zeigt eine Gesellschaft, die in ständiger Feierlaune den Bezug zur Realität verloren hat und sich nicht um das Morgen schert. Die Millionen der Glawari werden es schon richten. Die teilweise sehr extravaganten Frisuren lassen die Figuren wie Karikaturen erscheinen. Die Kostüme von Yvonne Forster deuten eine gewisse Opulenz an, die jedoch deutlich an ihre Grenzen stößt. So erscheint Danilo als Lebemann im weißen mondänen Frack, trägt darunter aber kein Hemd, sondern nur eine Weste, die einen Teil seines Oberkörpers freigibt. Das ist sicherlich nicht nur als Blickfang gedacht, sondern sagt schon etwas über diese Gesellschaft aus. Hanna Glawari (Angela Davis) wird von den Männern (vorne rechts: Robin Grunwald als St. Brioche mit dem Herrenchor) umschwärmt. (© Matthias Jung) Gleiches gilt für das Bühnenbild von Jan Bammes. Die pontevedrinische Botschaft in Paris, in die Baron Zeta zu Beginn des ersten Aktes zu einem großen Ball eingeladen hat, zeigt zwar einen wunderbaren Panoramablick auf Paris mit der Sacré-Cœur als Blickfang, lässt aber am Mobiliar durchaus erkennen, dass der kleine Staat gerade mit einigen Finanzproblemen zu kämpfen hat. Da wird eine halbrunde Bank auch schon einmal zu einem Bett umfunktioniert. Der Pavillon im Garten besteht eigentlich nur aus zwei hohen quaderförmigen Hecken in sattem Grün, über dem ein paar farbige Lichterketten Party-Stimmung verbreiten sollen. Das Maxim mit dem Auftritt der Grisetten verbreitet dann mit einem leuchtenden roten Vorhang und Stellwänden auf der rechten und linken Seite, die die Grisetten in Großaufnahmen zeigen, das faszinierende Flair der Metropole Paris. So erhält man mit relativ einfachen Mitteln den Glanz der Vorlage, ohne dabei in konventionellen Kitsch abzudriften oder die Geschichte gegen den Strich zu bürsten. "Ja, das Studium der Weiber ist schwer": Hanna (Angela Davis, 3. von links), Valencienne (Anna Sophia Theil, 3. von rechts) und Olga (Sophia Leimbach, 2. von rechts) mit Damen des Chors (© Volker Beushausen) Neben den gängigen Melodien gibt es in der Hagener Inszenierung musikalisch auch Neues zu entdecken. Besonders hervorzuheben ist die Ausweitung des berühmten Marsch-Septetts im zweiten Akt, "Ja, das Studium der Weiber ist schwer". Wolf lässt hier nicht nur die spielfreudigen Herren in einer ausgeklügelten Choreographie von Kerstin Zinser-Zwanzig agieren, sondern gewährt den Damen auch eine Strophe. Hier liefern sich Hanna, Valencienne und die übrigen Damen der pontevedrinischen Gesellschaft mit den Männern einen regelrechten Schlagabtausch. Ein weiterer Höhepunkt ist das Zwischenakt-Couplet von Baron Mirko Zeta und Njegus vor dem dritten Akt, in dem die beiden über die Möglichkeiten des Diplomaten-Lebens philosophieren. Die Musik dazu stammt aus einem gestrichenen Duett zwischen Valencienne und Rosillon aus dem ersten Akt. Grundlage für den Text ist ein Manuskript aus der Entstehungszeit. Richard van Gemert entfaltet dabei großartige Komik, wenn er sich zunächst entkleidet und anschließend in eine Badewanne steigt, in der dann Thomas Weber-Schallauer als Njegus mit wunderbaren Slapstick-Einlagen kopfüber ebenfalls landet. Hanna (Angela Davis) und Danilo (Kenneth Mattice) sind füreinander bestimmt.(© Volker Beushausen) Überhaupt zeigt das komplette Ensemble eine überbordende Spielfreude. Angela Davis beweist nach der Titelpartie in Offenbachs schönen Helena in der vergangenen Spielzeit erneut, dass sie neben der ernsten Oper auch in der schwungvollen Operette mit großartigem Witz und rundem Sopran zu glänzen weiß. Glaubhaft spielt sie Hannas Zuneigung zu Danilo aus, die sie stets hinter einer unnahbaren Fassade zu verbergen versteht. Kenneth Mattice legt die Partie des Danilo darstellerisch absolut glaubhaft als Womanizer an. Dass er stimmlich bei seinem berühmten Auftritts-Lied, "Da geh' ich ins Maxim" ein wenig blass bleibt, liegt vor allem daran, dass Andreas Vogelsberger mit dem Philharmonischen Orchester Hagen vielleicht ein bisschen über das Ziel hinausschießt und mit vollem Einsatz in den wunderbaren Melodien schwelgt, ohne dabei Rücksicht auf die Solistinnen und Solisten zu nehmen. So ist das Orchester stellenweise zu laut und überdeckt die Sängerinnen und Sänger. Man ist folglich dankbar, dass die gesungenen Texte übertitelt werden, da man sonst sicherlich nicht alles verstanden hätte, wenn man die Texte nicht auswendig kennt. Anna Sophia Theil überzeugt als Valencienne mit kokettem Spiel und punktet mit lieblichem Sopran. Beim "Grisetten-Lied" im dritten Akt hätte man ihr ein wenig stimmliche Unterstützung durch die anderen Grisetten gewünscht, da Theil zwar tänzerisch glänzt, der Gesang in den Strophen aber zwangsläufig ein bisschen dünn klingt. Für den erkrankten Anton Kuzenok hat man für die Partie des Rosillon mit Stephen Chambers einen großartigen Ersatz gefunden. Mit tenoralem Schmelz und strahlenden Höhen lässt er nicht nur Valenciennes Herz höher schlagen. Da wäre ihm sicherlich auch manch andere Frau in den Pavillon gefolgt. Auch die übrigen Partien, die größtenteils mit Mitgliedern des Opernchors besetzt werden, überzeugen wie der komplette von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor durch große Spielfreude. So gibt es verdienten Applaus und auch in der zweiten Aufführung stehende Ovationen für alle Beteiligten.
FAZIT Annette Wolf beweist mit ihrer Inszenierung, dass man der Zeitlosigkeit eines Klassikers wie der lustigen Witwe durchaus vertrauen kann und das Stück nicht gegen den Strich zu bürsten braucht, um es für ein heutiges Publikum "modern" zu machen. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Licht Chor Dramaturgie
Chor des Theaters Hagen Statisterie des Theaters Hagen Philharmonisches Orchester Hagen Solistinnen und Solisten*rezensierte Aufführung Baron Mirko Zeta Valencienne, seine Frau Graf Danilo Danilowitsch Hanna Glawari Camille de Rosillon Vicomte Cascada Raoul de St. Brioche Njegus, Kanzlist Bogdanowitsch, Konsul Sylviane, seine Frau Kromow, Gesandtschaftsrat Olga, seine Frau Pritschitsch, Oberst in Pension Praškowia, seine Frau Grisetten
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