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Musiktheater
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Saint François d'Assise

Scènes franciscaines (Franziskus-Szenen)
Oper in drei Akten und acht Bildern
Text und Musik von Olivier Messiaen


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Ein Projekt von Kent Nagano und Georges Delnon
Koproduktion der Staatsoper Hamburg, des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg und der Elbphilharmonie Hamburg

Premiere in der Elbphilharmonie Hamburg am 2. Juni 2024

(rezensierte Aufführung: 9. Juni 2024)

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Elbphilharmonie Hamburg
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Die fortschreitenden Stadien der Gnade

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bernd Uhlig

"Herr, Musik und Poesie haben mich zu Dir geführt". Was der heilige Franziskus hier kurz vor seinem Tod singt, darf man wohl auf den Komponisten übertragen. Olivier Messiaen hat mit Saint François d'Assise ein sehr persönliches Schlüsselwerk geschaffen (und den - durch und durch poetischen - Text dazu selbst verfasst). "Alles, was keine Farben, keine Wunder, keine Vögel, keine Frömmigkeit und keinen Glauben enthielt, habe ich ausgespart", hat Messiaen über die Ausgestaltung gesagt - was im Umkehrschluss beschreibt, was das Werk beinhaltet. Wobei fünfeinhalb Stunden Musik (mit zwei Pausen) bei fast keiner Handlung eine Herausforderung bleiben. Insbesondere die ausgedehnte Beschreibung der Vogelwelt im sechsten Bild hat das Publikum bei der Pariser Uraufführung 1983 wohl reichlich verstört, selbst wenn der Komponist, Avantgarde hin oder her, für die musikalische Verklärung nicht einmal strahlende Dur-Dreiklänge scheut. Hamburgs Generalmusikdirektor Kent Nagano, Dirigent und (zusammen mit Opernintendant Georges Delnon) Initiator dieser Produktion, führt im Programmheft aber zu Recht an, dass sich im 21. Jahrhundert der Blick auf Messiaen geändert hat und dessen Werke weniger stark als Bruch mit der Tradition gesehen werden als deren Fortführung. Die Elbphilharmonie jedenfalls ist bei dieser letzten von drei Aufführungen voll besetzt, die Musik wird bejubelt.

Szenenfoto Franziskus und der Leprakranke

Dabei bleibt diese Oper, die vielleicht doch eher ein gewaltiger Gottesdienst ist, auch aufgrund der riesigen Besetzung eine Herausforderung - wer kann schon drei Ondes Martenots (ein elektronisches Instrument, dessen ätherische Klänge vor allem die Engelsmusik prägen) aufbieten? In Hamburg haben sich Staatsoper, Philharmonisches Staatsorchester und die Elbphilharmonie zusammengetan, um das Monumentalwerk aufzuführen. Und wenn es noch eines Beweises für die exzellente Akustik der Elbphilharmonie bedürfte - hier gelänge er. In allen Lautstärken, selbst im finalen Super-Fortissimo, bleibt der Klang noch vielschichtig durchhörbar und klar. Nagano und die Musiker loten die vielschichtige Partitur, die mit dem Wechsel von Akkorden oft auch die Klangfarbe drastisch ändert, in atemberaubender Weise aus. Mit frappierender Präzision stellen nicht nur die Schlagzeuger unterschiedliche Metren gegeneinander. Bei aller Komplexität erklingt die Partitur mit einer Souveränität, als sei Messiaen das Alltäglichste überhaupt. Und gleichzeitig schwingt immer ein Staunen mit, das nicht nur der Musik gilt, sondern im Sinne des Komponisten ein Staunen über die Schöpfung ist.

Szenenfoto

Franziskus und der musizierende Engel

Georges Delnon ("szenische Einrichtung") und Thomas Jürgens ("Szenographie") haben für diese Produktion eine Inszenierung geschaffen, die sich irgendwo zwischen halbszenischer Einrichtung und Rauminstallation bewegt. Franziskus agiert auf einer Plattform über dem Orchester, durch zwei Stege erreichbar und einer Kanzel vergleichbar. Jacques Imbrailo gestaltet ihn mit sanftem, warmem Bariton, nie forciert, trotz des gewaltigen Umfangs der Partie ohne Ermüdungserscheinungen - er ist ein demütiger, introvertierter Heiliger. Der Engel, die zweite wichtige Figur, wandert im Raum herum und wird beim Engelskonzert in einem skulptural anmutenden Gestell in luftige Höhen gezogen, aus denen Anna Prohaska furchtlos mit ätherischem Sopran, dem etwas faszinierend Fragiles anhaftet, singt. Gekleidet ist sie in ein weißes Kunstgewand, eine Art Hosenanzug (Kostüme: Julia Mottl). Franziskus und seine Ordensbrüder tragen schlichte schwarze Kleidung. Das szenische Spiel ist durchweg auf wenige Gesten reduziert. Die Ausleuchtung (Stefan Bollinger) bleibt alles in allem zurückhaltend.

Szenenfoto Franziskus predigt den Vögeln

Über dem Geschehen hängt wie ein überdimensionaler Heiligenschein eine ringförmige Leinwand, auf der Videosequenzen zu sehen sind, die den ersten sieben (von acht) Bildern ein Thema zuordnen und die Franziskus-Thematik in der Gegenwart verorten. Im ersten Bild, in dem Franziskus über das Erdulden von Leid sinniert, begleitet die Kamera (David Rankenhohn) einen Obdachlosen durch die Stadt; der Bitte um Kraft bei der Begegnung mit einem Aussätzigen (zweites Bild) werden Sequenzen mit dem Ozean- und Klimaforscher Mojob Latif entgegengestellt, und die Heilung des Aussätzigen wird mit Filmaufnahmen vom Rettungsschiff Sea Watch 5 und der Bergung eines Schlauchboots mit Flüchtlingen auf dem Meer bebildert. Damit spiegelt der erste Akt das aktive Wirken des Heiligen wieder. Zum Erscheinen des Engels an der Klosterpforte sieht man Aufnahmen aus dem heutigen Assisi, zur Engelsmusik ganz naheliegend Bilder von Musikerinnen des Orchesters und Dirigent Kent Nagano. Und während der Vogelpredigt und dem anschließenden Vogelkonzert streift im Film Darsteller Jaques Imbrailo durch Elbauen und ist der Natur (die menschliche Eingriffe wie Hochspannungsleitungen nicht verdeckt) ziemlich nahe. Der dritte Akt hat das Sterben zum Thema, und die Kamera bewegt sich durch ein Hospiz. Diese Bebilderung wirkt teilweise locker assoziativ, teilweise ein wenig aufgesetzt, und wenn der Tod Franziskus' im achten und letzten Bild weitestgehend unbebildert bleibt (am Ende zoomt sich die Kamera von der Elbphilharmonie in das Weltall), dann fehlt auch nichts. Verzichtbar sind sicher Kinder, die sich in merkwürdigen Plastikumhängen durch den Zuschauerraum bewegen, und eine beleuchtete Erdkugel: Solche Bewahret-die-Schöpfung-Fingerzeige wirken dann doch reichlich plakativ.

Szenenfoto

Tod des Franziskus

Ansonsten konkurrieren die Bilder nicht mit der Musik, sondern sie setzen ihr, ästhetisch ohne nennenswerten eigenen Anspruch, fast dokumentarisch eine andere, gegenwärtige Welt entgegen. Als zusätzliche Interpretationsebene ist das keine so schlechte Idee. Die Musik hält das mühelos aus. Man kann die Bilder auch ignorieren und sich in ihr (und auch im Betrachten des Orchesters) verlieren. Die Audi Jugendchorakademie und das Vokalensemble LauschWerk singen mit jungen, vibratoarmen Stimmen betörend schön und sauber. Anthony Gregory als Leprakranker sowie Kartal Karagedik, Dovlet Nurgeldiyev, Andrew Dickinson, David Minseok Kang, Florian Eggers und Niklas Mallmann als Ordensbrüder vervollständigen ein sehr gutes Ensemble, ohne Franziskus und dem Engel ihre zentrale Bedeutung streitig zu machen.


FAZIT

Man erlebt in der Elbphilharmonie eine absolut faszinierende musikalische Interpretation eines der ganz großen Werke des 20. Jahrhunderts in einer nicht uninteressanten, aber auch nicht restlos überzeugenden halbszenischen Realisation.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Szenische Einrichtung
Georges Delnon

Szenografie
Thomas Jürgens

Kostüme
Julia Mottl

Licht
Stefan Bolliger

Video
Marcus Richardt

Kamera
David Rankenhohn

Chor
Martin Steidler

Dramaturgie
Janina Zell
Ralf Waldschmidt


Audi Jugendchorakademie

Vokalensemble LauschWerk

Philharmonisches
Staatsorchester Hamburg


Solisten

Saint François
Jacques Imbrailo

L'Ange
Anna Prohaska

Le Lépreux
Anthony Gregory

Frère Léon
Kartal Karagedik

Frère Massée
Dovlet Nurgeldiyev

Frère Elie
Andrew Dickinson

Frère Bernard
David Minseok Kang

Frère Sylvestre
Florian Eggers

Frère Rufin
Niklas Mallmann





Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Staatsoper Hamburg
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