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Variationen über das Altern in UmbruchzeitenVon Stefan Schmöe / Fotos von Kirsten Nijhoff"Die Zeit, die ist ein sonderbar' Ding". Um die Vergänglichkeit geht es im Rosenkavalier, im Kleinen wie im Großen. Um das Loslassen können, wenn eine Sach' ein Ende hat - wie die Affäre zwischen der Marschallin und dem sehr viel jüngeren, noch knabenhaften Grafen Octavian, weil der ein junges Mädchen lieben gelernt hat und deren Hochzeit mit dem nun wirklich viel zu alten und abgetakelten Baron Ochs auf Lerchenau gerade noch verhindern kann. Aber die Oper ist eben auch ein Abgesang auf eine Epoche, auf die k.u.k.-Monarchie, auf den Adel, auf eine "gute alte Zeit", die es so natürlich nie gegeben hat. Die haben sich Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss erträumt wie ein schönes Märchen - und die Zeitenwende gleich dazu. Mit einer Kunstsprache und erfundenen Ritualen wie der Überreichung der silbernen Rose, überhöht von überirdisch schöner Musik. Eine Oper, in die man sich verlieren kann und soll und doch weiß, wieviel Trug hinter dem schönen Schein steckt. Liebesnacht im Jugendstilzimmer: Octavian und die MarschallinVergänglichkeit, Zeitenwechsel und das Altern sind dann auch die zentralen Ideen der Inszenierung. Vergleichbar elegant und raffiniert wie Richard Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal gehen Regisseur Michael Schulz und sein Team (Bühne: Dirk Becker, Kostüme: Renée Listerdal) leider nicht vor. Die drei Akte sind in drei verschiedenen Epochen angesiedelt: Der erste im überwältigend prachtvollen Jugendstil, was mit der Entstehungszeit der Oper (Uraufführung: 1911) korrespondiert; der zweite in den 1930er-Jahren, so steht's im Programmheft, womit das autoritäre Gebaren des Brautvaters Faninal vage in ein autoritär-faschistisches Umfeld eingeordnet wird - wobei der Bühnenraum mit Holzvertäfelung und quadratischen Säulen ziemlich stark an das Innere der Leipziger Oper erinnert (die wurde aber 1954 - 1960 erbaut). Der Strahlenkranz aus Gewehren über der Eingangstüre zeigt in böser Ironie, worauf Armeelieferant Faninal seinen Wohlstand gegründet hat. Der dritte Akt kehrt wieder zurück in das Jugendstilzimmer des ersten Akts, das inzwischen durch ein paar unschöne Einbauten wie einen Münzfernsprechapparat verunstaltet ist und jetzt die (späten) 1980er-Jahre zeigt. Umbruchphasen sind das allesamt. Nur verliert sich die eigentliche Handlung allzu sehr in diesem gedanklichen Überbau. Die Überreichung der silbernen Rose im Hause des Waffenhändlers: Octavian und Sophie "Heut' haben sie ein altes Weib aus mir gemacht", klagt die Marschallin ihrem Friseur. Schulz lässt sie noch ungleich mehr altern zwischen dem ersten und dem dritten Akt, wie auch den Beinahe-Bräutigam Ochs, der grauhaarig und mit gebeugtem Rücken in der schäbigen Vorstadtkneipe das gescheiterte Rendezvous mit der vermeintlichen Kammerzofe Mariandl (in Wirklichkeit der verkleidete Graf Octavian) durchlebt. Da trägt die Regie arg dick auf - um Glaubwürdigkeit der Geschichte, die er erzählt, geht es Schulz auch hier wohl gar nicht erst. Der Ansatz, Ochs und die Marschallin mehr und mehr aus der Zeit fallen zu lassen und zu unzeitgemäßen Personen zu degradieren (worauf man unschwer auch in konventionellen Inszenierungen kommt), mag auf dem Papier ganz interessant klingen - in der Bühnenrealität unterläuft dieses ziemlich aufdringlich pädagogisch auftretende Konzept die bewusst artifizielle Konstruktion des schönen Scheins. Auch die Zeitenwende-Problematik wirkt in ihrer angestrengten Überdeutlichkeit recht aufgesetzt. Stärken besitzt die Inszenierung in der genauen Personenregie, was einiges wieder wettmacht, denn da gelingen durchaus schöne Momente. Das Schlussbild mit den glücklichen jungen Paar, das an der Rampe sitzt und die Beine in den Orchestergraben baumeln lässt, während im Hintergrund die greise Marschallin den ebenso alten Faninal im Rollstuhl über die inzwischen weitgehend leere Bühne schiebt, fasst die Altersproblematik ganz eindrucksvoll zusammen. Die ganz eigene Poesie des Rosenkavalier sucht man allerdings vergebens. Ochs, verwundetTobias Schabel macht den Ochs darstellerisch wie sängerisch zur eigentlichen Hauptfigur (Strauss hatte kurz überlegt, die Oper nach dieser Figur zu benennen). Mit schlankem, aber durchsetzungsfähigem Bariton verleiht er ihm eine eindrucksvolle Eloquenz weit jenseits altwienerischer Gemütlichkeit. Solen Mainguerné stattet die Marschallin mit einem jugendlich anmutenden, trompetenhaft metallischen Sopran aus, der im Forte großformatig aufleuchtet und auch über ein berückend intensives Pianissimo verfügt, das die Sängerin an ausgewählten Stellen (wie dem Beginn des Schlussterzetts) wirkungsvoll einsetzt - wenn das Orchester entsprechend zurückgenommen ist. Im Parlando allerdings fehlt es der Stimme an Substanz, und insgesamt könnte die Partie ein wenig mehr vokale Noblesse vertragen. Štěpánka Pučálková singt einen jugendlich-feurigen, draufgängerischen Octavian, der wie Sophie (stimmlich solide und nicht allzu mädchenhaft: Olga Jelinková) keinem Alterungsprozess unterworfen ist - der Jugend gehört zu allen Zeiten die Welt. Mathias Hausmann steuert einen stimmgewaltigen Faninal bei. Auch die kleineren Partien wie die Leitmetzerin (Caroline Stein), Annina (Ulrike Schneider) und Valzacchi (Álvaro Zambrano) sind gut besetzt und gewinnen klares Profil. Piotr Buszewski gibt den italienischen Sänger imposantes Format. "Hab mir's gelobt": Links die gealterte Marschallin, der Liebe zu Octavian (Mitte) entsagend - der wendet sich Sophie zu Dabei müssen sich Sängerinnen und Sänger mitunter gehörig ins Zeug legen, um gegen das ausgezeichnete Gewandhausorchester ansingen zu können. Dirigent Christoph Gedschold lässt einen sehr stürmischen, nach vorne drängenden Rosenkavalier spielen, der zwar schöne Ruhepunkte hat, aber insgesamt von einem mitreißenden Schwung geprägt ist, allerdings auf Kosten der Transparenz und Ausgewogenheit der Stimmen. "Hab' mir's gelobt, ihn lieb zu haben in der richtigen Weis'." Gedschold beginnt das Schlussterzett sehr getragen, zieht dann aber immer mehr an, und weil er ein gutes Gespür für Tempi hat, entwickelt sich nicht nur hier ein gehöriger Sog.
Musikalisch bietet dieser Rosenkavalie großes, dramatisches Musiktheater. Szenisch bringt die Inszenierung von Michael Schulz manchen Erkenntnisgewinn, aber Lernprozesse sind mitunter ziemlich trocken, denn die Transformation vom goldglitzernden Jugendstil zur Tristesse der 1980er-Jahre geht eben auch mit einem entsprechenden Verlust an Bühnenzauber einher. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht-Design
Kinder- und Jugendchor
Chor
Dramaturgie
Komparserie
Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg
Der Baron Ochs auf Lerchenau
Octavian, genannt Quinquin
Herr von Faninal
Sophie
Jungfer Marianne Leitmetzerin
Valzacchi
Annina
Ein Sänger
Ein Polizeikommissar
Der Haushofmeister der Feldmarschallin
Der Haushofmeister bei Faninal
Ein Notar
Ein Wirt
Drei adlige Waisen
Eine Modistin
Ein Tierhändler
Lakaien
Kellner
Hausknecht
Leopold
Mohammed
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